Das Herrenberg-Urteil und seine Folgen für die Musikschullandschaft (Das Ende der Honorarkräfte?)

  • Ersteller der dührssen
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Ein Bildungsträger vor Ort beschäftigt seine Ausbilder auf Honorarbasis, dieses Honorar ist unter dem Mindestlohn, obwohl diese Kräfte 40 Stunden die Woche dort tätig sind.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit Scheinselbständigkeit. Die brauchen nur mal bei der Kranken- oder Rentenkasse anzurufen, und dann geht das gleiche Ding los wie bei den Musikschulen.

Sie haben kein eigenes Risiko, keine Möglichkeit, Ihre Arbeitszeit zu bestimmen, sind in den Betrieb eingebunden ... das ist keine Selbständigkeit.
 
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Als Arzt habe ich das auch hinter mir, war lange Jahre als Honorararzt unterwegs und habe mich eingehend mit dem Thema beschäftigt, wir haben sogar eine Genossenschaft gegründet - alles umsonst. Keine Chance.

Seitdem läuft es über verschiedentliche Angestelltenkonstruktionen, Arbeit auf Abruf, Kurzzeitanstellungen etc. Funktioniert ganz gut, den Vertragsaufwand haben Agenturen.

Auch für Musiklehrer und ITler sehe ich keine Chance, die DRV und die Politik haben sich parteiübergreifend vorgenommen, diese Formen der Selbständigkeit zu beenden. Da kommt niemand gegen an, da die Gesetzgebung nicht geändert wird.

Jetzt nach diesem Urteil läuft man Gefahr, in den Vorsatz zu kommen, was auch strafrechtliche Folgen haben kann.

Unbefriedigend, aber nicht zu ändern.

Edit: Selbst die Rechtsanwälte konnten nichts machen und sind in solchen Situationen jetzt alle angestellt.
 
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die DRV und die Politik haben sich parteiübergreifend vorgenommen, diese Formen der Selbständigkeit zu beenden. Da kommt niemand gegen an, da die Gesetzgebung nicht geändert wird.
Die rechtliche Lage war ja schon vorher so. Es hat nur keiner dran gerührt.

Von den Ärzten hatte ich das auch schon mal gehört.
 
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Sehe ich genau so. Die Ausbeutung und Umgehung der Steuern wird schon lange praktiziert. So was muss auch mal beendet werden. Wer einen Rechtsanwalt, Lehrer, Ausbilder oder was auch immer braucht, der soll diesen entweder einstellen oder echte selbständige zu dem entsprechenden Stundensatz beauftragen.

Natürlich sind die Leidtragenden wieder die ehrlichen, aber zu viele missbrauchen das System. Keine Rechte, alle Pflichten und Bezahlung unter Mindestlohn...
 
Bei den Ärzten war das anders. Alle haben Krankenkasse und Rentenbeiträge in die Ärzteversorgung zahlen müssen (!), hatten eigene Berufshaftpflicht, BG etc. Nur Arbeitslosenbeiträge wurden nicht gezahlt, aber auch nie in Anspruch genommen.

Die Stundensätze waren weit überdurchschnittlich, nix mit Ausbeutung. Das ist im Schlachthof natürlich nicht so.
 
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Die Stundensätze waren weit überdurchschnittlich, nix mit Ausbeutung. Das ist im Schlachthof natürlich nicht so.
Richtig, freie Tätigkeit an sich hat ja mit den Stundensätzen nichts zu tun. Die Stundensätze "regulieren" sich halt über Angebot und Nachfrage.

Musiker liegen da irgendwo zwischen Hühnerhof und Freuds Couch, je nachdem ...
 
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Die Stundensätze waren weit überdurchschnittlich, nix mit Ausbeutung. Das ist im Schlachthof natürlich nicht so.
Wie kommst du auf die Assoziation eines Schlachthofs, wenn du von Ärzten schreibst? :biggrinB:

Zum Thema:
Im Prinzip ist Scheinselbständigkeit ein Betrug seitens der Arbeitgeber an den Sozialkassen, weil sie ja dort nichts einzahlen. Das schwächt unweigerlich die Sozialkassen.
Die scheinselbständigen (Musikschul-)Arbeitnehmer, abgespeist als Honorarkräfte, ziehen dabei auch den Kürzeren, weil sie sich selber von ihrem in der Regel recht geringen Gehalt um die Krankenversicherung und um eine Altersabsicherung kümmern müssen. Dabei fällt meistens die Altersvorsorge hinten runter, weil dafür einfach nichts übrig bleibt. Altersarmut vorprogrammiert.

Wenn der Scheinselbständige ein fettes Salär bezieht, mag das ja noch einigermaßen angehen, aber bei den paar Kröten die die hier zur Debatte stehende Berufsgruppe (aber auch andere nicht zu vergessen) in die Hand gedrückt bekommt, finde ich das skandalös.
Daher finde ich es gut, wenn jetzt dagegen vorgegangen wird. Aber ich sehe hier ebenfalls den Gesetzgeber und vor allem die öffentlichen Hände in der Pflicht, hier ausgleichend und schützend einzugreifen, wenn Stellen abgebaut werden sollen und Menschen ohne das geringste eigene Verschulden die Arbeitslosigkeit droht.
Und wie schon erwähnt, sehe ich jetzt ganz besonders die Musikschulen in der Verantwortung, die in öffentlicher Trägerschaft sind und ihr Personal bisher nach dem Motto "möglichst billig" als Honorarkräfte abgespeist haben.
 
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Die scheinselbständigen (Musikschul-)Arbeitnehmer, abgespeist als Honorarkräfte, ziehen dabei auch den Kürzeren, weil sie sich selber von ihrem in der Regel recht geringen Gehalt um die Krankenversicherung und um eine Altersabsicherung kümmern müssen.
Da liegt der Hase im Pfeffer. Von dem Honorar müssten die "Auftragnehmer" nämlich Altersvorsorge, Krankheitstage, Urlaub usw. finanzieren können, und das ist schlicht nicht der Fall.

Es relativiert sich bei einem Teil der Leute dadurch, dass es ein Zubrot ist und nicht die Hauptbeschäftigung.

Wie ist das eigentlich an Musik- und Theaterhochschulen, da gibt es doch auch ne Menge Honorarstellen, die von Semester zu Semester verlängert werden ..? Die sind doch auch in den Betrieb eingebunden, haben kein eigenes Risiko usw.
 
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Ob ein generelles Verbot jetzt ein Vorteil oder Nachteil ist, darüber kann man wohl streiten. Meiner Meinung nach wären sinnvolle Rahmenbedingungen die gesetzlich festgelegt werden sinnvoller. Also dass Honorarkräfte nicht nur für einen Auftraggeber arbeiten dürfen, sondern mehrere Auftraggeber haben müssen. Wenn jemand nur bei einem tätig ist, dann liegt nämlich der Verdacht nahe, dass das etwas faul ist.
Ein Verbot gibt es nicht. Nur die Rahmenbedingungen sind nun enger geschnürt worden.

Und dass man als Honorarkraft mehrere Auftraggeber haben muss war schon immer so. Das ist ja nix neues, im aktuellen Kontext aber komplett in den Hintergrund geraten, weil das mitunter die niedrigste Hürde ist, die es nun zu bewältigen geht wenn es um eine Honorartätigkeit an einer Musikschule geht.
 
Hallo,

wer kann mir eine gute Rechtsberatung anbieten?
Ich habe von der Musikschule eine Festanstellung angeboten bekommen, die für mich nur erheblichen finanziellen Verlust bedeutet.
Vorteile sehe ich geringfügig, da ich kurzfristig sehr selten krank bin, und langfristig erkrankt eine Lohnfortzahlung über die KSK bekommen würde.

Vielleicht kann man irgendwie dagegen vorgehen.
Weniger Geld oder stirb!

Danke für die Rückmeldungen!!
 
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Der Deutsche Tonkünstler Verband (DTKV) hat heute eine Pressemitteilung herausgegeben:



PRESSEMITTEILUNG
Berlin, 14. Mai 2024

Deutscher Tonkünstlerverband fordert von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Moratorium zur Scheinselbstständigkeit

Am 28. Juni 2022 erging das „Herrenbergurteil“ des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Frage der freiberuflichen Unterrichtstätigkeit von Musikschullehrkräften. Es wurde festgestellt, dass mangels unternehmerischer Freiheit eine echte Selbstständigkeit an einer Musikschule kaum gelebt werden kann. Dieses Urteil führte im April 2023 zu einer Verschärfung des Kriterienkatalogs der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zur Beurteilung des Beschäftigungsstatus. Die DRV setzt das Urteil bei den Betriebsprüfungen nun rigoros um, obwohl die Gesetzeslage Honorarbeschäftigungsverhältnisse weiter erlaubt.

Dazu Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes: „Der Deutsche Tonkünstlerverband bittet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eindringlich, sich für ein Moratorium bei der Umsetzung des „Herrenberg-Urteils“ zur Scheinselbstständigkeit mit einer Laufzeit bis zum Herbst 2025 einzusetzen. Die Hütte brennt und erfordert jetzt eine politische Lösung. Tausenden freiberuflichen Musikerinnen und Musiker droht deutschlandweit vor dem Hintergrund der Scheinselbstständigkeitsdebatte die Vernichtung ihrer Existenzgrundlage. Infolge des „Herrenberg-Urteils“ stehen viele private Musikschulen auf Grund des verschärften Kriterienkatalogs der Deutschen Rentenversicherung und der daraus folgenden horrenden Nachzahlungsforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen vor der Insolvenz. Die Folgen wären neben den Belastungen für die Sozialkassen, dem volkswirtschaftlichen Schaden eine weitere Verringerung der kulturellen Teilhabe insbesondere für Kinder und Jugendliche und damit eine Reduzierung unserer Kulturellen Vielfalt. Das bildungskulturelle Leben in Deutschland basiert auf Festanstellungsverhältnissen und Freiberuflichkeit. Auf diesem dualen Fundament steht auch die Arbeit der Hochschulen, Universitäten und Volkshochschulen. Der Deutsche Tonkünstlerverband begrüßt - auch unter sozialpolitischen Aspekten - die Zunahme von Festanstellungsverhältnissen. Die Eliminierung freiberuflicher Beschäftigungsverhältnisse im bildungskulturellen Bereich wäre realitätsfremd und hätte dramatische Folgen für die Bertoffenen wie für unser Land. Jede Musikerin und jeder Musiker, die künstlerisch wie pädagogisch unser bildungskulturelles Leben bereichern und damit auch einen Beitrag zur Kulturellen Vielfalt wie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten, dürfen mit ihrer hochqualifizierten und langjährigen Ausbildung und Erfahrung nicht durch den übereilten Vollzug des Urteils zur Scheinselbstständigkeit in die Wüste geschickt werden.

Deshalb braucht es jetzt ein Moratorium zur stufenweisen Umsetzung des „Herrenberg-Urteils“ und den Verzicht auf alle Rückforderungen bis zum Herbst 2025.“

Der Deutsche Tonkünstlerverband (DTKV) als ältester und größter Berufsverband für Musiker:innen (Gründung 1844) ist mit rund 9.000 Mitgliedern in 15 Landesverbänden, zahlreichen Regional-, Bezirks- und Ortsverbänden bundesweit organisiert und ist die Standesvertretung für Musikberufe - Interpreten, Komponisten, Musikpädagogen etc. Die Mitgliedschaft im Deutschen Tonkünstlerverband ist ein Markensiegel für Musikberufe.




Viele Grüße,
McCoy
 
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@Phedra, erst einmal Willkommen hier im Forum!

Das musiker-board kann und darf keine Rechtsberatung anbieten. Du müsstest dir für präzise und verbindliche Auskünfte einen Fachanwalt für Arbeitsrecht in deiner Region suchen.
Bist du Gewerkschaftsmitglied, z.B. bei VERDI? Als Mitglied dort hat man kostenlosen Anspruch auf Rechtsberatung und wenn nötig auch Rechtsbeistand bei juristischen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

Wie kommt es zu der erheblichen finanziellen Schlechterstellung?
Ist die Musikschule privat oder in öffentlicher/kommunaler Trägerschaft und man hat dir einen deutlich schlechter vergüteten Vertrag angeboten?
Eine Musikschule die dem öffentlichen Dienst angegliedert ist, sollte dir einen korrekten Vertrag nach TVÖD anbieten - wenn du Gewerkschaftsmitglied bist, muss sie das sogar, da du dann offiziell zu einer Gruppe der Tarifpartner gehörst (wobei im ÖD da niemals ein Unterschied gemacht wird, auch Nicht-Mitglieder von Gewerkschaften werden üblicherweise nach TVÖD angestellt).
 
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So langsam kommt das Herrenbergurteil auch bei den Kommunen an. Allerdings ist es genau so, wie ich vor Monaten befürchtet habe:
Die Jobs wackeln, die Eltern/Schüler:innen werden mit massiven Gebührenerhöhungen belastet und wirklich geholfen ist aktuell keinem, Schließungen stehen im Raum.

Hier ein Beispiel einer großen Musikschule aus meinem Nachbarort:


Kurzgefasst: Die (ehrenamtlichen) Stadtverorndeten haben das Thema verpennt, nehmen es nur so semi-ernst oder möchten jetzt erst prüfen, welche Alternativen es gibt (das hätte im Grunde vor einem Jahr passieren müssen, jetzt ist eben der Handlungsdruck da).

Die Honorarverträge werden zum Sommer gekündigt und bis Jahresende durch befristete Festanstellungen ersetzt. Die enormen Mehrkosten von 170.000€ können selbst mit einer Gebührenerhöhung von 25% nur zu knapp 30% gegenfinanziert werden.

Der Haushalt in Langen steht jedes Jahr auf der Kippe und man hat ganz andere Baustellen als die Musikschule, die natürlich gleichwohl eine wichtige Stellung im lokalen Bildungswesen innehat. Trotzdem würden die +170.000€ (und mehr, rechnet man aufs ganze Jahr hoch) überproportional viel Geld verschlingen, das viel eher zur Schaffung der fehlenden zweihundert Kitaplätze oder der Sanierung von Straßen und Infrastruktur benötigt wird.

Und mittlerweile zeichnet sich ja auch der Bundeshaushalt 2025 ab und da siehts für die Kommunen düster aus - ich sehe ehrlich gesagt nicht, dass hier mal eben die Etats für Musikschulen um ~50-100% erhöht werden können.

Insofern fürchte ich, wird die Stadt jetzt zwar versuchen Lösungen zu finden, aber in erster Linie um eine komplette Schließung zu verhindern. Am Jahresende werden vermutlich nicht alle verlängert und das Kollegium wird stark ausgedünnt werden.

Und das ist ja erstmal die Situation der städtischen Musikschulen. Von den privaten Einrichtungen will ich gar nicht erst reden, die können ja nicht mal auf Unterstützung seitens der Stadt hoffen.
 
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Es ist traurig.

Gut gemeint, aber am Ende haben viele eine schlechtere Situation als vorher.
 
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Hier ein paar aktuelle Links zum Thema:

VERDI hat jetzt etwas dazu veröffentlicht: https://kunst-kultur.verdi.de/musik...is/++co++54e3f114-fcb1-11ee-b82f-572f3a954de7
Den Flyer dazu habe ich als Anlage beigefügt.

Der Deutschlandfunk brachte einen Beitrag dazu, der sich auf die Situation in Berlin konzentriert:
https://www.deutschlandfunk.de/tonl...-droht-arbeitslosigkeit-dlf-ab20856f-100.html
Berlin ist leider berüchtigt dafür, dass dort seit jeher Musikschullehrer vorwiegend als Honorarkräfte angestellt werden - für eine Bundeshauptstadt wahrhaft ein "vorbildliches" Verhalten!
 

Anhänge

  • Flyer_ver.di_Herrenbergurteil.pdf
    228,8 KB · Aufrufe: 31
Grade Ver.di, die seit Monaten sehr offensiv und pauschal auf Festanstellungen pochen, und mitunter für den Teil der Kolleg:innen mitsprechen, die gar nicht angestellt werden möchten, liefern leider keine konkreten und konstruktiven Lösungen.

Quasi keine der Forderungen ist realistischerweise kurzfristig erfüllbar. Und leider enden Diskussionen, die ich bisher mit Beteiligten von Verdi im Netz führe immer dann, wenn ich nach der konkreten Idee bezüglich der Finanzierung frage.

Denn da gibt es schlicht keine, die über „naja wir brauchen halt mehr Geld von der Politik“ hinausgeht.
Man drängt hier also sehr offensiv auf eine Zukunft, deren Finanzierung überhaupt nicht geklärt ist. Ich persönlich finde das zumindest mal gewagt, auch wenn der Sinn dahinter grundsätzlich ja richtig ist.
Aber: Der Haushalt 2025 wird ne Katastrophe, die Kommunen werden weniger Geld haben. Das ist jetzt schon absehbar.

Und genauso absehbar wird sein, dass da keine Stadt, die nicht grade reich ist, mal eben den Etat für die in der Prioliste vermutlich weit unten stehende Musikschule verdoppelt, wenn selbst absurde 20-30% Gebührenerhöhungen grade mal ein Drittel der Mehrkosten decken.

Auf eine Musikschule, für die man sich auf die Schulter klopft weil sie nun die Leute anstellt, kommen vermutlich 5-10 Schulen, die dicht machen, Leute entlassen oder nicht wissen wie es weitergeht.

Und wir reden da immer noch nicht von freien Trägern, die bestimmt 50% der Musikschullandschaft ausmachen. Für die wäre es schlichtweg aussichtslos.

Mittlerweile gibt es auch Stellungnahmen vom Verband freier Musikschulen, aber auch diverser Anwälte (habe ich leider grade nur als pdf, das möchte ich aus Urhebergründen hier nicht uploaden) das ganze etwas differenzierter darstellen und entschärfen, bzw einordnen unter welchen Bedingungen eine Weiterbeschäftigung von Honorarkräften möglich ist. Ich denke, es wird schon Mittel und Wege geben, eben mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen, die jede Musikschule für sich abwägen muss.

Was bisher halt fehlt, ist eine von der DRV bestätigte und bewilligte Prüfung einer Honorartätigkeit an einer Musikschule nach neuen Maßstäben, nach der man sich ungefähr richten kann.

Hier wäre vermutlich der erste Punkt, wo man kurzfristig ansetzen kann.
 
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Wenn es um Rechtsbeistand und Rechtsberatung geht, kann ich auch die Orchester/Chorgewerkschaft Unisono empfehlen, es kommen da gerade immer mehr Freelancer dazu und die Gewerkschaft ist smart und nicht mehr klein.
 
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Der Name "Unisono" ist eine Umbenennung. Bis 2022 hieß die Gewerkschaft nur "Deutsche Orchestervereinigung" (DOV). Sie war wie der Name schon sagt, mehr oder weniger eine reine Vertretung der Orchestermusiker (aber auch Chöre) der deutschen Bühnen. Da der Organisationsgrad seit jeher über 90% (!) aller Orchestermusiker und Choristen lag, hatte sie immer eine sehr starke Position und konnte die wahrscheinlich auch im Vergleich mit anderen Branchen optimalsten Tarifverträge erwirken.
An Angestellten an Musikschulen hatte die DOV aber nie ein rechtes Interesse, Musikschullehrer/innen waren in der DOV daher auch praktisch nicht vorhanden, deren Anliegen wurden von der DOV auch nie vertreten, Tarifpartner für diese Gruppe war die DOV daher auch nie. (Der Organisationsgrad der Angestellten an Musikschulen war aber leider auch immer nur gering und ist es immer noch - die meisten der in dieser Gruppe gewerkschaftlich organisierten sind bei VERDI, einige aber auch in der KOMBA.)

Mit der Umbenennung in "Unisono" war auch die Absicht einer breiteren Ausrichtung hin zu anderen in der Musikbranche tätigen verbunden, daher auch der Zulauf aus der Gruppe der Freelancer.
Meiner Kenntnis nach ist der Einsatz von "Unisono" für Musikschulen/Musikschullehrer/innen aber nach wie vor eher mau. Würde mich aber freuen, wenn von dort jetzt mehr für diese Gruppe kommt.
 
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Meine Frau arbeitet seit fast 30 Jahren in erheblichem Umfang (Violine, Viola, Cello, Leitung von 2 Orchestern) auf Honorarbasis für eine kommunale Musikschule.

Dass die Lehrtätigkeit an Musikschulen vom Bundessozialgericht für sozialversicherungspflichtig erklärt wurde, kann ja wohl niemanden überraschen.
Die Argumente des Sozialgerichts Stuttgart (1. Instanz) und des Bundessozialgerichts (3. Instanz) im Fall der Stadt Herrenberg gegen die Rentenversicherung Bund sind für mich durchgehend schlüssig.

Veröffentlichungen gibt es zum Berufungsversfahren vor dem Landessozialgericht Stuttgart (2. Instanz) und zum Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht.

https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/214478?modul=esgb&id=214478

https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/2022_06_28_B_12_R_03_20_R.html

https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=SG Stuttgart&Datum=21.12.2017&Aktenzeichen=S 12 R 5098/15

Betroffenen kann ich raten, sich die beiden Urteile durchzulesen. So arg unverständlich ist das gar nicht und nimmt einem Haufen von Argumenten, die hier im Thread bisher vorgebracht wurden, den Wind aus den Segeln.

Und jetzt?

Soll jetzt ein Ruck durch die Musikschulen Deutschlands gehen und die Geldgeber verdrei- bis verfierfachen die bisherigen Honorarbudgets und stellen viele Tausend Honorarkräfte an und reorganisieren die Musikschulen, um mit der Menge an neuen Mitarbeitern klar zu kommen und angemessene Arbeitsbedingungen (Räume, IT-Ausstattung etc) bereitstellen zu können?

Im Leben nicht. Die Lösung steht in meinen Augen in den Urteilen:

Bis auf wenige Ausnahmen großer Kommunen, mit dem Willen, eine musikalische Spitzenförderung durch ein Konservatorium oder eine Musikschule anzubieten, werden in der Breite die Musikschulen geschlossen und alle Beschäftigungsverhältnisse von Musiklehrern beendet.

Falls sich jemand wundert:

Musikschulen bzw. das Anbieten musikalischer Bildung gehört in D zu den freiwilligen Aufgaben von Kommunen. Kommunen, die es in der Vergangenheit mit der musikalischen Bildung im Sinne von Schule ernst genommen haben, haben sowieso nicht in größerem Umfang auf Honorarlehrkräfte gesetzt und stehen jetzt auch vor keinem größeren Problem.

Kommunen, die das Thema sowie schon seit Langem unter dem Blickwinkel breitangelegter Kulturförderung bzw. Hobby und Freizeitgestaltung gesehen haben, haben mit dem Urteil die Gelegenheit, einen Schlussstrich unter das Thema Musikschule zu ziehen, und das Thema Kulturförderung auf neue Beine zu stellen und sehr viel attraktiver für freiberufliche Musiker und Lehrer zu machen.

Im Unterschied zur derzeitigen Panikmache der Musikschulen und ihrer Angestellten sehe ich dabei auch überhaupt keinen Kahlschlag in der Kulturlandschaft sondern im Gegenteil ein Anwachsen, wenn die bisherigen Mittel für angestellte Musiklehrer der Kulturförderung zugeschlagen werden.

Falls sich jemand wundert, kann er sich an einer Kalkulation der Kosten für eine 45 minütige Unterrichtsstunde eines nach TVöD angestellten Musiklehrers versuchen. In der Tarifstufe 9b beträgt das Monatsbrutto nach 5 Jahren ca 5000 Euro. Dazu kommen die Ausgaben für die arbeitgeberseitigen Zuschüsse zur Sozialversicherung (rund 20 %). Urlaub, Krankheit, Sonderzahlungen, Weiterbildungen etc.
Für eine volle Stelle müssen wöchentlich 30 Unterrichtsstunden a 45 Minuten erbracht werden.
Im Jahr ist ohne Krankeit von 38 Unterrichtswochen auszugehen. Das ergibt 1140 Unterrichtsstunden pro Jahr.
(5000 + 20%) * 12 = 72.000
Mit Sonderzahlungen und sonstigen Kosten veranschlagen wir arbeitgeberseitige 80.000 Euro pro Jahr für einen Angestellten Musiklehrer.
Umgelegt auf 1140 gegebene Stunden sind wir bei 70 Euro/Stunde.
Unterstellen wir durchschnittlich zwei Wochen Krankheit sind es 74 Euro/Stunde.

Das Honorar an der Musikschule meiner Frau beträgt 22 Euro/Stunde.

Wenn ich mit vorstelle, dass für jedem freigestellten Musiklehrer jährlich 80.000 in die Kulturförderung fließen könnten, sehe ich das Schreckensszenario, dass die Musikschulen und deren Angestellte zeichnen, überhaupt nicht.
 
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Das Honorar an der Musikschule meiner Frau beträgt 22 Euro/Stunde.
Ist das Brutto? Und für 60 min oder 45?
dass für jedem freigestellten Musiklehrer jährlich 80.000 in die Kulturförderung fließen könnten, sehe ich das Schreckensszenario, dass die Musikschulen und deren Angestellte zeichnen, überhaupt nicht.
Die Frage ist, was damit gefördert werden soll. Deinen Vorschlag, Geld von der Breitenausbildung hin zu möglicherweise Konzerten/Arists in Residenz/teuren Inszenierungen zu verschieben, kann ich überhaupt nicht zustimmen.
Instrumentalunterricht würde deutlich teurer und für viele Familien nicht mehr bezahlbar.
 

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