Oh, hier geht es ja bunt durcheinander - Equipment, Sound, Talent...
Ich halte die Entscheidung gerade für Home-Gitarristen wie gesagt für eine reine Sache der eigenen Präferenzen. Je mehr es ans Auftreten bzw. das professionelle Touren geht, sehe ich zunehmende Vorteile für alle Seiten durch eine Digitalisierung. Stationär kann mein Geraffel riesig sein, je öfter ich es rumschleppen muss (oder standardisiertes Equipment vom Veranstalter nutzen möchte), desto vorteilhafter sind aktuelle Digitallösungen.
1. FOH-Sound
Ich möchte auf Konzerten auch weder Ohrenbluten kriegen, noch mich fragen müssen, warum da jemand auf der Bühne rumhampelt, den ich überhaupt nicht höre. Dafür sind aber primär die akustischen Gegebenheiten der Venus, die Abstimmung der Anlage auf ebendiese und der Mix ausschlaggebend. Je mehr Instrumente/Musiker, desto irrelevanter wir hierfür auch der Sound des Einzelnen. Die drei Punkte kann ein erfahrener Tontechniker analog hinkriegen, aber die Digitaltechnik bietet hierfür sicher einige praktische Helfer an, an macht schwierige Locations überhaupt erst handhabbar.
2. Einzel-Sound
Ist vor allem bei Solo-Künstlern und kleinen Bands sicher ausschlaggebend. Auch der ist heute sowohl analog als auch digital in hervorragender Form realisierbar. Reproduzierbar und mit weniger Störeinflüssen (z.B. durch Übersprechen) ist dies sicher mit einer Silent-Stage realisierbar. Dafür ist digitales Equipment (u.a. wegen oft integrierter Simulationen) auch meist prädestiniert.
3. Ton
Der kommt ja bekanntlich aus den Finger (oder den Stimmbändern, ...). Gutes Equipment kann hier natürlich helfen. Und z.B. fehlendes Sustain, kann auch der beste Instrumentalist/Musiker nicht herzaubern. Allerdings habe ich schon zu viele gute Musiker gehört, die auf dem grottigsten Leihequipment (nämlich meinem
) eine geilen Ton hatten, und trotzdem klangen, wie sie. Ich weiß also, dass Equipment diesbezüglich gerne überbewertet wird, nehme mich davon aber selber nicht aus... Hier bieten digitale Lösungen nach meiner Erfahrung mit verschiedensten Modaleren heute fast die gleichen Möglichkeiten und Abstufungen, wie analoges Equipment. Da gehen die Meinungen aber noch sehr stark auseinander. Im Mix gehen die Nuancen meiner Meinung nach spätestens aber eh unter...
4. Feeling (Raumklang/Druck)
Das ist meiner Erfahrung nach heute noch der Knackpunkt! Schon rein optisch, ist so eine kleine digitale Kiste halt nicht ganz so sexy, wie eine schönes analoges Rig. Und das Auge ist nunmal mit. Aber Modeling mit FRFR entspricht halt einem abgenommenen Sound. Ich habe bis jetzt noch keine Sim + FRFR-Lösung gespielt (Tone-Lab, Helix, AX8, ...), die den "Amp in a Room" Feel reproduzieren kann. Und da fehlt mir im stillen Kämmerlein tatsächlich etwas. Ich kriege jetzt schon Pipi in die Augen, wenn ich daran danke, nach Corona im Proberaum meinen Amp mal wieder auf "vernünftiger" Lautstärke spielen zu können. Aber auch hier, je größer die Bühne, desto unwichtiger wird dieser Aspekt, da man eh über Monitoring spielen muss...
5. Inspiration/Kreativität
Die geht sicher zum Teil auch mit Punkt 4 einher. Wenn ich den richtigen Ton/Sound habe, spiele ich auch manchmal neue Sachen, die mir bisher noch nicht eingefallen sind. Inspiration ist sicher nie verkehrt, wird aber auch immer unwichtiger, je mehr das professionelle Abliefern jeden Abend auf der Bühne in den Vordergrund rückt. Fans haben heute halt ziemlich klare Erwartungen...
Andererseits bieten Digitallösungen so viele mehr Möglichkeiten Klänge/Tones und Sounds außerhalb jeder Norm neu zu kreieren. Komischerweise werden die aber heute oft kaum genutzt, lieber wir auf den Kreativitätskiller Elektronik geschimpft...
6. Talent
Das lassen wir hier lieber...
7. Lernkurve/Einarbeitung
Fast vergessen. Analoges Equipment hat oft nur ein paar Knöpfe, deren Wirkung die Meisten nach wenigen Versuchen auch ohne Anleitung begreifen. Digitalequipment bietet in der Regel so viel mehr Möglichkeiten, dass die von einem benötigten Möglichkeiten nicht immer ins Auge springen oder selbsterklärend sind. Da ist definitiv viel mehr Einarbeitung angesagt, um gezielt zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen. Ich verstehe auch, wenn viele sagen, dass würde ihre Kreativität beeinträchtigen oder sogar killen. Aber wenn man sich mal eine zeit konsequent auf den Hosenboden setzt, stehen einem alle Möglichkeiten danach genauso barrierefrei zur Verfügung, und noch viele mehr...
Was wollte ich jetzt eigentlich sagen?! Ach ja. Meiner Meinung gibt es bei dem Thema kein Richtig oder Falsch. Höchstens ein "besser auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten".
In diesem Sinne, viel Spaß beim Musizieren.
Gruß,
glombi