Ganz zu Anfang hatte ich einen Marshall Lead 12. Ein nettes Gerät, das ich immer noch gelegentlich benutze, aber dessen Zerre nun wirklich nicht toll klingt. In späteren Jahren hatte ich noch mit verschiedenen OP-Amps experimentiert und diese auch "gestackt", aber aus dem Teil ist kein toller Zerrsound rauszubekommen. Zu der Zeit waren die "Soundtank"-Pedale von Ibanez gerade auf dem Markt und das Modell "Thrash Metal" war es dann für mich. Ordentliche Zerre und in Kombination mit einer leichten Verzerrung am Marshall der totale Wahnsinn! Aber auch das Rauschen war natürlich immens...
Mittelfristig brauchte ich auch was größeres für die Band und da wurde mir mit einem Blick auf die Preise von Topteilen (denn dass eine 4x12"-Box anständig angesteuert werden sollte, war irgendwie klar) schnell klar: puh, ganz schön teuer. Und auch sehr unflexibel. Deshalb bin ich von Anfang an auch mit Rack-Komponenten unterwegs gewesen. Ich wollte keine Pedalsammlung haben. Einerseits fand ich den Kabelsalat nicht gerade super, andererseits wollte ich die ultimative Flexibilität haben - und bei einem Pedal konnte man zu der Zeit nun einmal keine verschiedenen Einstellungen abrufen. Also alle Regler stehen irgendwie und so isses dann. Aus Kostengründen und weil das Konzept einfach genual war, wurde es dann ein programmierbarer Preamp: ART SGX-2000. Wow, Röhrenvorstufe und Multi-FX in einem 2-HE-Gehäuse. Vollständig programmierbar, toll! Hatte ich dann auch sehr lange im Einsatz. Die Zerre war auch gut, ließ sich unter Ausnutzung aller verfügbaren Tricks auch so hinkonfigurieren, dass es für meine Metal-Band sehr gut und fett klang. Rauschen konnte ich mit einem Expander- und Noise-Gate-Effekt im Gerät sehr gut unter Kontrolle bringen.
IWas micht letztlich von Modellern, Multis und Racks abschreckt ist folgendes: Man bastelt zuhause an einem Sound ( und das kann ja dauern) und dann funktioniert dieser Sound live nicht. Dann kann ich nicht einfach zum Amp gehen den Bass rausnehmen und das Gain etwas runterdrehen damits nicht mehr matscht oder ähnliches.... Sondern muss den ganzen schmarrn umprogrammieren. Vll ist das auch kein so großeß Problem wie ich mir das vorstelle?
Genau dieses Problem hatte ich mehrmals zu der Zeit. Ich erinnere mich noch, wie ich einen Nachmittag stundenlang im Proberaum war und mir den absoluten Mördersound zusammenkonfiguriert hatte. Dabei tippte man mit Tasten herum, um zu dem Parameter zu kommen, den man einstellen möchte, dann am Knopf drehen. Für einen anderen Parameter diesen erst auswählen, dann drehen usw... Recht umständlich, aber extrem flexibel. Der Preamp hatte auch noch einen sehr effektiven 5-Band-EQ sowie andere Knöpfe für Gain usw. Damit konnte man global den Sound einstellen - ihn also z. B. an einen Auftrittsort anpassen. ABER: dieser Mördersound, den ich mir da zusammenkonfiguriert hatte, der ging im Bandsound total unter. Ich war quasi nicht zu hören. Mal schnell an ein paar Reglern drehen - das hätte ich mir da gewünscht. Den globalen EQ so stark zu verdrehen hätte alle anderen Sounds total verbogen...
Naja, und auch wenn ich eigentlich einen ganz ordentlichen Sound rauskitzeln konnte aus dem Teil, so war es doch nicht perfekt und am Limit. Expander und NoiseGate mussten so stark eingreifen, dass teilweise der erste Anschlag kaum zu hören war, weil diese beiden Effekte erst wieder "öffnen" mussten.
Zeitgleich hatte ein Mitschüler auf einen Engl Preamp 520 nebst Engl-Endstufe gesetzt. Wow, was für ein Sound! Toller Punch, Klarheit trotz kräftiger Verzerrung, und irgendwie präsenter, offener. Pedale wollte ich immer noch nicht, und den ART-Preamp behielt ich noch einige Zeit aus finanziellen Gründen. Aber mittelfristig war klar: ich will den Preamp finden, der den Zerrsound hat, den ich haben will. Pedale vorzuschalten wirkte für mich wie ein Workaround, den ich wegen der Kabel und überhaupt vermeiden wollte. Also machte ich mich auf die Suche und probierte alle möglichen Preamps aus. Am Ende wurde es dann der Engl Preamp 530, den ich nun schon seit fast 20 Jahren benutze. Er hat genau den Zerrsound, den ich liebe. Ich habe weder die Anforderung noch den Wunsch, bestimmte Zerrsounds anderer Bands möglichst ähnlich reproduzieren zu wollen. Dieser Zerrsound ist es einfach für mich. Ich hatte auch andere Engl-Geräte angetestet über die Jahre - auch Topteile. Ich würde sagen, dass Engl den Sound macht, den ich liebe. Da brauche ich nichts weiter, auch keinen Booster oder Treble-Booster. Bei Gain auf 12:00 oder 1:00 Uhr ist es schon genug. Danach wird es noch komprimierter, aber das muss nicht. Vor allem beim Home-Recording ist weniger Zerre ja sowieso besser.
Zu dem Preamp gesellt sich ein altes Rocktron Hush und zusammen sind die beiden absolut ruhig, wenn ich nicht spiele. Einfach traumhaft! Und aufgeräumt ist es außerdem. Als ich noch eine Band hatte, war da ein MIDI-Foot-Controller vor mir auf dem Boden, mit einem einzigen MIDI-Kabel an das Rack angeschlossen - fertig! Und jedes Preset kann genau so klingen, wie es soll. Allerdings wollte ich nach meinem ART SGX-2000 keinen Preamp mehr mit Programmierfunktion. Mir ist es lieber, ich habe alle EQ-Regler im direkten Zugriff und kann schnell jeden "Parameter" direkt verändern. Der Rocktron Piranha hat ein sehr geniales Konzept wie ich finde: ebenfalls programmierbar, aber jeder EQ-Parameter und Gain usw. hat einen richtigen Drehregler. So kommt man intuitiver und schneller zum gewünschten Sound und diese Regler dienen als globale Einstellung, die alle Presets entsprechend anpasst, wenn man nicht gerade eines editiert. Sowas hätte mir vielleicht auch gut gefallen, aber ich konnte nie einen antesten und bin mit meinem Engl ja extrem zufrieden.
Durch den Austausch der beiden Preamp-Röhren lässt sich der Sound des Preamps auch in großem Umfang verändern, falls man das wollte. Hatte ich mal mit einem Sack voller unterschiedlicher Röhren durchgetestet: kostet weniger als ein gutes Zerrpedal und viel weniger als ein anderer Preamp. Viele Leute könnten viel Geld sparen, indem sie sich kein neues Topteil, sondern ein paar andere Röhren kaufen würden.
Nun ja, um die Eingangsfrage kurz zu beantworten: Zerre aus dem Amp! Aber es muss schon der richtige sein! Wenn man häufiger darauf angewiesen ist, Verstärker irgendwo zu benutzen bei AUftritten und dennoch seinen Sound zu haben, sind natürlich andere Lösungen nicht weniger geeignet. Als Backup für Auftritte hatte ich mir auch mal das DigiTech Grunge Zerrpedal gekauft. Und ich muss sagen: mit den richtigen Einstellungen klingt das ebenfalls sehr gut - dicht dran an meinem Engl-Sound. Und mit den heutigen Modellern bekommt man auch ein überraschend ähnliches Ergebnis hin. Letztes Jahr hatte ich mir einen Pocket-POD gekauft und über den PC-Editor den Sound eingestellt. Über den Editor geht weit mehr als mit den Bedienelementen am Gerät... Aber auch wenn die Zerrsounds dieser beiden Alternativen auch sehr gut klingen, so fühlt sich der Preamp doch noch am besten an...