Bauchpresse - Stütze - was denn nun?

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Hallo ihr Lieben :)

Bin beim Thema Stimmphysiologie und ökonomisches Singen mal wieder über die berühmt-berüchtigte Stütze gestolpert. Gerade im klassischen Bereich ist die sogenannte Stütze, also die Wippen-Atmung (Bauch- und Flankenatmung) ja essentiell, um eine gesteigerte Atemleistung überhaupt zu ermöglichen. Von daher ist es ja schon etwas Aktives, erstmal Unnatürliches, was durch Übung nach und nach unbewusst ausgeführt wird.

Aber wo ist jetzt der Unterschied zur verschrieenen Bauchpresse? Und warum genau ist die so schlimm? Da komm ich nicht ganz mit.

Danke schonmal. :)
 
Eigenschaft
 
Hi, die Bauchpresse hat erstmal nichts mit Gesang zu tun. Da wird der Druck im Bauchraum erhoeht um z.B. zu kacken oder um die Wirbelsaeule zu entlasten, wenn man schwer hebt. Da muessen die Stimmbaender natuerlich zu sein, oder wenn da Luft durchkommt, dann hoert sich das eher nach Stoehnen oder eben den Lauten an, die man manchmal auf der Toilette von sich gibt. (Also obenrum ;) )
Beim Gesang "kann" man das natuerlich auch machen und wenn man mal eine Weile rumschreit und rumdrueckt, dann spuert man auch irgendwann die Bauchmuskeln. Aber bittschoen jeder auf eigenes Risiko.

Bei der Stuetze/Flankenatmung wie auch immer geht es aber nicht darum, die "Atemleistung zu steigern". Es geht darum die Effizienz zu erhoehen. Der Atem wird sogar zurueckgehalten, deshalb auch die Bezeichnung Einatmungstenzdenz.
Im Prinzip geht es darum, den Stimmbaendern einen konstanten, optimalen Luftfluss zur Verfuegung zu stellen, bzw den Stimmbaendern zu ermoeglichen, sich diesen zu holen.
 
Aber die reine Atemleistung wird doch durch Üben auch erhöht und ist für manche Partien notwendig. Technik allein macht also nicht unbedingt den Unterschied. Auch die richtige Technik hilft nicht, wenn die Kapazität noch nicht vorhanden ist.

Bauchpresse wurde hier im Forum oft genannt und gesagt, dass es falsch ist. Ich weiß nur eben immer noch nicht genau, was das im Zusammenhang mit Gesang ist und wodurch man die Bauchpresse von der Stütze unterscheidet. Ob es nur an der Stärke liegt, oder es auch Unterschiede in der Anwendung gibt.

Neulich habe ich auch gelesen, dass dieser Ratschlag "staunender Gesichtsausdruck" eigentlich auch völlig für den Eimer ist, da er nur das Symptom insuffizienter Atmung bekämpfen soll, daher eher überdeckt als das Problem behebt. Stimmt das? War mir neu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Sunny,
"Auch die richtige Technik hilft nicht, wenn die Kapazität noch nicht vorhanden ist."
Die Kapazitaet ist durch Deinen Koerperbau vorgeben, die kannst Du nicht erhoehen. Evtl. kann man das durch weiten der Flanken/Ruecken und richtige Zwerchfellatmung minimal vergroessern, aber im Prinzip ist das nur eine Verlagerung von oben nach unten, denn irgenwann ist die Lunge einfach voll. (Mal ganz abgesehen von dem Krampf/ den Verspannungen die auftreten, wenn man mal versucht, das alles ganz voll zu machen, am besten noch mit Heben des Brustkorbs.)
So viel Luft brauchst Du selten bis gar nicht.
Der Schluessel ist im Prinzip wirklich nur der optimale Stimmbandverschluss. Stimmt der, dann wird sozusagen das Maximum aus der Luft, die ueber die Baender streicht herausgeholt und durch den Sog werden die Stimmbaender sogar noch weiter zusammengezogen.
Der Brustkorb/Lunge/Zwerchfell/Muskulatur dient nur dazu, die richtig dosierte Menge an Luft zur Verfuegung zu stellen. Und das ist wenig. Deshalb die Einatmungstendenz um nicht mehr Luft rauszublasen als notwendig ist, was obendrauf noch einem guten Stimmbandschluss im Weg steht. Das kann durchaus auch einige Zeit brauchen, bis die Muskeln das gelernt/trainiert haben.

Man kann aber eben auch laut werden, in dem man von unten drueckt. Ist aber eben eine andere Technik und nicht gerade ökonomisch.
 
Hallo Sunny !
Es gibt verschiedene Lehrmeinungen zur "richtigen" Gesangstechnik - mit dem Wort "ökonomisch" wäre ich generell vorsichtig, denn das nimmt jede Gesangsmethode für sich in Anspruch.
Die Lehrmeinungen sind teilweise einander konträr entgegengesetzt, was der eine für optimal hält, findet der andere schädlich oder kontraproduktiv. Auch zur Lehrmeinung der "aktiven Ausatmung" gibt es eine Gegenmeinung. Und wer nun recht hat, läßt sich nicht einmal wissenschaftlich belegen ;)
Ich kann Dir nur raten, Dir die Methode bzw. den Lehrer auszuwählen, der/die Deiner Stimme guttut und mit der Du gesanglich weiterkommst, und Dich dann möglichst nicht mehr beirren zu lassen.
Es wird immer jemanden geben, der Dir weismachen will, daß das ja alles ganz verkehrt sei, was Du da tust.
Ich bin von der aktiven Ausatmung gerade etwas abgekommen, weil ich gemerkt habe, daß die Technik für mich zu einseitig geworden ist und nicht mehr paßt, aber ich bin noch auf der Suche nach Alternativen. Funktional ist z.B. überhaupt nix für mch. Und es muß in Richtung Belcanto gehen. Aber das ist bei jedem anders !
 
Was genau heißt denn funktional? Und wo liegt der Unterschied zwischen Bel Canto und 'normalem' klassischen Gesang? *grübel* Hatte bis jetzt nur einen GL, daher bin ich da noch nicht so bewandert. ;)
 
Die Funktionale Stimmbildung sollte Dir jemand anderes erklären, ich glaube, Cörnel kennt sich damit gut aus. Ich hab´s mal ausprobiert, für meine Stimme als unbrauchbar befunden und habe mich dann nicht weiter damit befaßt.
Mit "Belcanto" meinte ich die klassische italienische Schule, in der z.B. das "chiaro-oscuro" in der Stimme ein Ideal ist. Es gibt ja auch innerhalb des klassischen Gesangs verschiedene Klangideale, Schulen und Strömungen. Das englische Klangideal - der "cathedral tone" weicht z.B. ziemlich davon ab. Ist aber auch sehr schön. Hör Dir mal die junge Emma Kirkby an, die ist ein gutes Beispiel. Die finde ich ganz wundervoll.
 
Die Funktionale Stimmbildung sollte Dir jemand anderes erklären,
Gedanke: zum Beispiel ich...
ich glaube, Cörnel kennt sich damit gut aus.
Aha... Bell* hat den selben Gedanken. :)

Mir sind insgesamt 3 funktionale Methoden bekannt, nämlich nach Rohmert, Estill und Reid.

Ich will mal hier auf Reid eingehen, der übrigens auch Belcanto ist! Ab übernächster Woche kann ich mehr zu Estill sagen, dann bin ich nämlich Estill Level I und II zertifiziert.

Hier ein guter Einstieg:
http://liberatedvoice.wordpress.com/about/what-is-functional-voice-training/

Bei der funktionalen Stimmbildung nach Reid geht es darum, die einzelnen Muskelfunktionen zu isolieren und gezielt zu trainieren. Dieses verhindert Mithilfe der falschen Muskeln. Wie soll ich zwei Muskeln zusammen arbeiten lassen, wenn einer alleine noch nicht mals seinen Job verrichtet?

Nach der Isolation erfolgt die Zusammenführung - und zwar unmittelbar, wenige Minuten / Sekunden später.

Wichtig ist, dass die Stütze etwas ist, was von alleine geschieht (siehe dazu die Videos oben von Carol!) und ich ansonsten schön die finger davon lasse. Nichtsdestotrotz: Fehlhaltungen und krasse Fehlatmungen müssen korrigiert werden, das wird häufig missverstanden. Siehe hierzu auch diese sehr geniale, informative und gewissenhaft geschriebene Hausarbeit: https://www.musiker-board.de/faq-workshop-voc/238361-atmung-stuetze-luftsaeule.html#post4691138


Reid ist komplex. Sehr komplex. Einmal sein Buch lesen reicht da nicht. Daher wird er so oft als Hokus-Pokus verschrien. Man muss sich ausführlich damit befassen, so lange, bis man es verstanden hat - und das tun die wenigsten. Komplett verstanden habe ich ihn auch noch nicht, aber: Es funktioniert - ich merk es bei mir selbst, und auch bei meinen Chören, die sich krass verbessert haben, seitdem ich die Chöre leite. In der Uni habe ich in der Chorleitungsprüfung für die Stimmbildung übrigens eine schlechte Note bekommen, von den Chorsängern aber Feedback, dass es sich gut angefühlt habe - was noch mal das "verstehen müssen" hervorhebt.

Mehr auf Reid einzugehen macht hier erst mal keinen Sinn, bevor du nicht als Einstiegslektüren "Singen" von Husler gelesen hast, um die Stimmfunktionen zu verstehen, und dann die zwei deutschen Bücher von Reid. (Funktionale Stimmentwicklung und Erbe des Belcanto)
 
Vielleicht wird es auch mal wieder Zeit für persönliche Definitionen, bevor wir seitenlang aneinander vorbeireden. Es könnte sein, daß wir verschiedene Dinge meinen.
Unter Bauchpresse verstehe ich folgendes: die Bauchmuskulaur wird beim Ausatmen/beim Singen bewußt eingezogen, der Bauch angespannt bzw. hart gemacht. Das beobachte ich hin und wieder bei Schülern, die den Begriff der Stütze mißverstanden haben oder Atemübungen falsch machen. Zum Singen finde ich diese Bauchpresse völlig unbrauchbar, deshalb versuche ich dann, einen anderen Weg zu finden.
Die Zwerchfell/Flankenatmung, wie ich sie verstehe, ist weitaus flexibler und ihr wesentlicher Bestandteil ist die passive Einatmung, also das Luft-Einströmenlassen durch Loslassen der Bauchdecke. Das muss man in gewisser Weise geschehen lassen, was mit fest angespannter Bauchdecke gar nicht geht.

Reids "Funktionale Stimmentwicklung" habe ich irgendwo in meiner Fachliteratur-Ecke herumstehen, ich habe vor ca. 2 Jahren versucht, es zu lesen, aber ich gestehe: ich habe davon nur wenig behalten :redface:
Allerdings geht es mir mit jeglicher gesangstheoretischen Literatur so. Die lese ich, weil ich muß, nicht, weil ich will. Wobei manche Werke sperriger sind als andere.
 
Ergänzend:

es gibt mehrere Gesangsmethodiken, die sich als "funktional" bezeichnen. In Deutschland ist da vor allem noch das Lichtenberger Institut zu nennen. Angeblich geht das dort gelehrte auf Reid zurück, aber das kann ich nicht erkennen. Ich hatte zweieinhalb Jahre Unterricht bei einer Lehrerin, die funktionale Methoden nach der Lichtenberger Methode angewandt hat. Mit dem, was ich in Reids Buch las, hatte das nicht viel zu tun. Registertrennung gab es da gar nicht, im Gegenteil: das Credo war, dass was sich in der Wohlfühllage entwickelt, sich auch auf die Höhe und Tiefe übertragen lässt (was ja eigentlich mehr nach SLS klingt).

Ich habe in der Zeit sehr viel gelernt und finde viele Methoden bis heute gut. Das Hauptthema der Lichtenberger Methode ist Klang und wie der Körper damit umgeht. Allgemein geht es immer um ein gutes, intensives Körpergefühl und das Nutzen natürlicher Reflexe, Instinkte, körperlicher Gegebenheiten und Funktionen für den Gesang. Das klingt zunächst sehr esoterisch und man muss sich darauf einlassen, aber für mich hat es sehr gut funktioniert.

Ein Beispiel wäre die Idee, dass unwillkürliche Kehlkopffunktionen wie Seufzen oder Husten Einfluss auf den Gesang und den Stimmklang haben können. Oder dass Geräusche von außen, während wir singen, unser Gehör reizen und somit einen Einfluss auf die Stimme nehmen können.
 
Also ich hab mir da jetzt auch mal ein paar Bücher aus der Bib bestellt, mal gucken was die sagen. :) Eins handelt von der Geschichte, Verdrängung und Wiederaufnahme des Belcanto.
 
Ok, Moment. :D
 
Hallo zusammen
Ich hätte eine Frage an Bell!
Genau wie Sunny_Hunny war ich mir auch sehr unsicher was das Atmen betrifft. Oberbauch/ Unterbauch, Wippe...
Du, Bell, hast mir gesagt, ich solle den Fokus auf die Zwischenrippenmuskulatur legen.
So mir ist jetzt aufgefallen, dass nachdem ich passiv eingeatmet habe und singe, dass sich die Zwischenrippen ausdehnen.

Meine Frage:
Muss ich den Vorgang unterstützen?! Also die Rippen auseinanderziehen und in der Stellung bleiben (manuell) oder soll ich mich in den Vorgang nicht einmischen und einfach weitersingen?
 
Das ist ja die generelle Frage, ob man einfach 'natürlich' singen soll, oder gewisse Vorgänge 'naturalisiert' werden sollen.
 
Du, Bell, hast mir gesagt, ich solle den Fokus auf die Zwischenrippenmuskulatur legen.

Oh je... habe ich das ? Mittlerweile bin ich etwas davon abgekommen... natürlich ist die Zwischenrippenmuskulatur am Atmungsvorgang maßgeblich beteiligt, aber andereseits ist das ein völlig natürlicher Vorgang, und ich glaube nicht (mehr), daß man ihn einseitig forcieren sollte.

So mir ist jetzt aufgefallen, dass nachdem ich passiv eingeatmet habe und singe, dass sich die Zwischenrippen ausdehnen.

Meine Frage:
Muss ich den Vorgang unterstützen?! Also die Rippen auseinanderziehen und in der Stellung bleiben (manuell) oder soll ich mich in den Vorgang nicht einmischen und einfach weitersingen?

Ich würde sagen: mach nicht zuviel.
Das hört sich alles schon ganz richtig an, was Du da beschreibst.
 
Muss ich den Vorgang unterstützen?! Also die Rippen auseinanderziehen und in der Stellung bleiben (manuell) oder soll ich mich in den Vorgang nicht einmischen und einfach weitersingen?

Wenn du aufrecht dastehst, der Brustkorb offen ist (Goldkettchen zeigen, bzw. Titten raus ;)) so hat das Zwerchfell die ausreichende Grundspannung! Außerdem wird dadurch der Kehlkopf stabilisiert. Also: Obwohl ich immer sage, vergesst Stütze, Atem etc. - hier gehe ich dann doch immer indirekt drauf ein.
 
Wieder dieses Thema - Seufffzzzzzz!!!!

Für mich bedeutet "Bauchpresse", daß der große Bauchmuskel angespannt und der Bauch bewusst eingezogen wird.
Mit der Zwerchfell-Flanken-Atmung hat das nichts zu tun, ebenso nichts mit der aktiven Ausatmung, denn die aktiviert die Zwischenrippenmuskulatur. "Wippe" entsteht automatisch dadurch, daß sich der Oberkörper beim Singen leicht anhebt, während das Abspannen in den unteren Bauch erfolgt (Zwerchfellsenkung)

Was das ganze funktionale Ding damit wieder zu tun hat weiß ich ja nicht. Spontan würd ich mal sagen: Wenn der Reid so kompliziert und komplex ist daß man ihn erst beim dritten lesen annähernd versteht - Was soll das dann??? Singen lernen muss nicht kompliziert sein.
Ich habe während meiner Ausbildung bei BDG viel hospitiert. Den allerschlechtesten Gesangsunterricht demonstrierte eine Lehrerin, die hier speziell "nach Reid" unterrichtet. Bei ihr klangen alle Stimmen - erwachsener Frauen mit langjähriger Erfahrung - infantil und überhell. Keine Atemverbindung, keine Power, keine Höhen.

Shana
 
Wieder dieses Thema - Seufffzzzzzz!!!!

Ich kann schon verstehen, daß es immer wieder auftaucht und für viel Verwirrung sorgt. Es ist ja das A und O des Gesangs, aber bezüglich Stütze und Atmung herrscht ein Begriffs-Babylon und zu jedem Dogma ein Gegen-Dogma.

Für mich bedeutet "Bauchpresse", daß der große Bauchmuskel angespannt und der Bauch bewusst eingezogen wird.

Für mich genau dasselbe, wie ich weiter unten beschrieben habe. Da sind wir derselben Meinung.

Mit der Zwerchfell-Flanken-Atmung hat das nichts zu tun, ebenso nichts mit der aktiven Ausatmung, denn die aktiviert die Zwischenrippenmuskulatur. "Wippe" entsteht automatisch dadurch, daß sich der Oberkörper beim Singen leicht anhebt, während das Abspannen in den unteren Bauch erfolgt (Zwerchfellsenkung)

Ja - aber: ich bezweifle mittlerweile, daß eine einseitige Fixierung auf die Zwischenrippenmuskulatur so gut ist. Ich habe es zumindest so gemacht und lerne gerade, die Rückenmuskeln und den Beckenboden in den Ausatmungsvorgang mit einzubeziehen - ich weiß nicht, wie das bei den anderen ist, aber ich habe diese Muskeln leider etwas vernachlässigt. Die Ergebnisse sind bis jetzt sehr erfreulich.
 

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