"12 Takte" zu 12 Blues-Irrtümern

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@DerZauberer:
Vielen Dank für den tollen Artikel, du bringst darin wirklich vieles gut lesbar auf den Punkt. Schön daran finde ich vor allem, dass deine Leidenschaft und das Wissen um das Thema spürbar ist, ohne, dass der Text überheblich wirkt.
 
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@DerZauberer

Ich bin zwar kein großer Fan des "reinen Blues", was unter anderem daran liegen mag, dass dieser gerade von deutschen Hobby-Bands oft unterschätz und dadurch verhunzt wird. Ich habe schon auf einigen Stadtfesten oder sonstigen Veranstaltungen die Flucht ergriffen, weil da ein 12-Takte-Shuffle-Blues im typischen Stampferrhythmus runtergeleiert und mit runtergespielten Standard-Licks "verschönt" wurde. Ich höre aber durchaus gerne verschiedene Musikstile, die verschiedene Elemente des Blues übernommen haben und dadurch bereichert werden. Trotzdem, oder gerade deshalb finde ich Deinen Einsatz für diesen Musikstil sehr lobenswert. Vielleicht werde ich ja mit dem Blues wieder versöhnt, wenn Deine Bemühungen hier auf fruchtsamen Boden fallen... :great:

Gruß,
glombi
 
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Es gibt Musiker und auch Gelehrte, im Blues sehr starke afrikanische Wurzeln sehen, andere bezeichnen Blues als ur-amerikanische (nicht afrikanische) Musikform. Unbestritten ist, dass viele "klassische" Blues Elemente, wie beispielsweise Blue Notes, Rhythmik, an Pentatonik orientierte Melodien, auch in Afrika auftauchen.

Mir sind die Schuhe zu groß, aber hier mal die Gegenthese. Quelle: Funktionelle Jazz Harmonielehre 3, S. 41, Carlo Bohländer:


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Mir sind die Schuhe zu groß, aber hier mal die Gegenthese.
Eigentlich kann man beim N-Wort aufhören, damit ist ja klar aus welcher Zeit das kommt... seitdem hat sich im Bereich "Ethnomusicology" doch Einiges getan. Ich mag jetzt nicht anfangen, das auseinanderzunehmen, zumal das ja auch nur eine "Annahme" ist. Da der Text zeigt, dass man sich nicht wirklich tiefer mit der Materie auseinandergesetzt hat, kann man den als historisches Dokument stehen lassen. Mehr aber auch nicht.
 
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Unter anderem Blickwinkel: wenn Mann die "abendländische Harmonik" nicht zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt im 19. Jahrhundert kodifiziert, sieht die Sache ganz anders aus, und der scheinbar absolute Gegensatz ist keiner mehr.
 
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N-Wort aufhören, damit ist ja klar aus welcher Zeit das kommt

Vielleicht kann man dem Autor zu Gute halten, daß der Begriff damals gebräuchlich war und somit keine Verächtlichmachung unterstellt werden kann. Insgesamt liest sich das auch alles andere als abwertend.

Ansonsten ist es ja gerade der Reiz dieser Ausführung, nicht musikethnologisch an die Sache heran zu gehen, sondern die Entstehung mit logischen Schlüssen aus der Harmonielehre nachzuvollziehen.

Aber mir fehlt die Kompetenz, um diese These zu verteidigen. Ich fand sie nur nicht unlogisch, zudem interessant.
 
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Unter anderem Blickwinkel: wenn Mann die "abendländische Harmonik" nicht zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt im 19. Jahrhundert kodifiziert, sieht die Sache ganz anders aus, und der scheinbar absolute Gegensatz ist keiner mehr.
Oder anders - man muss sich nur mal klassische irische oder italienische oder tschechische Volksmusik anhören, hier gibts auch ein paar alte Aufnahmen (und wie beim Blues sehr wenig ausnotiertes), das ist auch “Abendland” aber fast so unbekannt wie Blues. Und harmonisch oft näher dran als man so denkt.
 
Ich denke auch daß der Blues eigentlich viel älter als offiziell angegeben ist nur hatte man damals keine Aufnahmemöglichkeiten und vielleicht auch keine Möglichkeit die Musik in Notenschrift aufzuzeichnen. Auch ist eine separate Darstellung des Blues fragwürdig da auch viele andere Musikstile Blueselemente
beinhalten wie z. Bsp Country, Gstanzl oder Klassik (auch mit Einzelsaitensolos) die ja oft viel älter als der sog. Blues sind.

Frei nach Willy Michl "Ois is Blues"
 
Ich hab jetzt nicht alle Beiträge gelesen und daher bitte ich um Nachsicht, falls das schon Mal hier angesprochen wurde :redface:

Aber zum Thema "Herkunft des Blues": Da fällt mir eine tolle Doku ein, die ich vor ner Zeit Mal gesehen habe. Die hieß "Rumble - Das rote Herz des Rock" und da gings um die beträchtlichen Einflüsse indianischer Musik auf praktisch alle hauptsächlich aus den USA stammenden Musikrichtungen, u.a. halt auch auf den Blues. Fand ich sehr sehenswert und kann ich an dieser Stelle auch nur jedem Interessierten ans Herz legen.
 
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Eigentlich kann man beim N-Wort aufhören

Nur zur Klarstellung:

"Im Jahr 1835 riefen schwarze Wortführer die Schwarzen dazu auf, den Begriff „African“ („Afrikaner“/„afrikanisch“) aus den Namen ihrer Organisationen zu streichen und ihn durch „Negro“ oder „Colored American“ zu ersetzen. Einige wenige Institutionen entschieden sich jedoch dafür ihren alten Namen nicht zu ändern, wie beispielsweise die African Methodist Episcopal Church. „Negro“ und „Colored“ behielten bis Ende der 1960er Jahre ihre Popularität.

Die Bezeichnung „Black“ („Schwarze“) war in kontinuierlichem, aber nicht häufigem Gebrauch, da sie eine gewisse Stigmatisierung transportierte. In seiner Rede „I Have a Dream“ von 1963 verwendete Martin Luther King, Jr. das Wort „Negro“ 15 Mal und „black“ vier Mal. Jedes Mal, wenn er „schwarz“ benutzte, stand es in parallelem Zusammenhang zu „weiß“ (zum Beispiel schwarze Menschen und weiße Menschen). Mit dem Erfolg der Bürgerrechtsbewegung wurde ein neuer Begriff benötigt, um eine deutliche Trennlinie zur Vergangenheit zu schaffen und den Bezug zur legalen Diskriminierung abzulegen. An Stelle von „Negro“ wurde „Black“ als Synonym für Stolz, Wehrhaftigkeit und Kraft beworben. Einige dieser Wendepunkte waren der Gebrauch des Begriffs Black Power durch Stokely Carmichael und die Veröffentlichung von James Browns Song „Say It Loud – I’m Black and I’m Proud“.

Quelle: Wikipedia

Auch Alan Lomax benutzte den Beriff "Negro" auf Tonträgern.

Wer sich mit der Geschichte des Blues auseinandersetzt, sollte den Begriff "Neger" entsprechend historisch einordnen.
 
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@Der ahnungslose Depp - Ich sehe die Verwendung des Begriffs in diesem Zusammenhang rein als zeitliche Einordnung, nicht als sozialpolitische Wertung. Wie du richtig sagst taucht der Begriff "Negro" historisch gesehen in wichtigen Schriften auf, und auch die Verwendung durch MLK ist mir natürlich bekannt.

Meine Kette ist ganz einfach: Wenn sich der Text durch solche Sprache so einfach datieren lässt, ist er 50+ Jahre alt - und damit wahrscheinlich nicht auf dem letzten Stand von Forschung und Lehre.

Vieles von dem, was selbst in den "ganz großen" Büchern der Blues-Literatur steht (Paul Oliver's "The Story Of The Blues", Sam Charters "The Country Blues", John Fahey's Dissertation zu Charley Patton, etc.), ist heute schlicht überholt und Dank neuer Erkenntnisse ziemlich veraltet... muss man also mit ein bisschen Vorsicht genießen.

Will sagen - wir sind inhaltlich beieinander, und ich finde den Text nicht wegen seiner Wortwahl doof, ich halte ihn nur wegen seiner Datierung schlicht für veraltet.

Wer sich mit dem Blues beschäftigt, muss auch eine Textzeile wie "I'm going to beat my woman until I get satisfied" (Robert Johnson) historisch einordnen - gut finden muss man das aber nicht...
 
.., und ich finde den Text nicht wegen seiner Wortwahl doof, ich halte ihn nur wegen seiner Datierung schlicht für veraltet...

Ist es nur die Datierung oder auch der Inhalt der veraltet ist? Alt muss ja nicht gleichbedeutend mit falsch sein.
 
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Der Text erklärt auf nicht einer Seite, wie es in der "abendländischen" Musik im Vergleich zum Blues und zum Jazz zugeht. Und zwar genau so und nicht anders, weil die Autoren das so "annehmen". Die Aussagen, was wo bekannt sein soll, sind allesamt widerlegbar (Beispiel: die "Farbigen" waren keinesefalls von der "westlichen" Harmoniefolge "unbelastet", da sie eben in den USA geboren wurden usw usw), und auch die Definition von "Jazzmusik" scheint mir deutlich simplifiziert und abseits von moderneren Jazz-Formen (und ich rede hier von Miles Davis "modern", also Ende 1950er/Anfang 1960er Jahre)...

Ergo - zu wenig differenziert.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Frei nach Willy Michl "Ois is Blues"
Was leider auch oft die herrschende Meinung hier im Board ist - und unweigerlich dazu führt, dass ich mit irgendwem aneinandergerate :D ... seit mir mein Bruder im Geiste @emptypockets nicht mehr beistehen kann, bin ich bei irgendwelchen Blues-Diskussionen hier im Board meistens sehr still. Hier geht's aber um meinen Text, da muss ich ja. ;)
 
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Bitte fokussiert euch - was ja schon recht gut gelungen ist - auf die Musiktheorie Inhalte des Textes.

Eine politische Diskussion brauchen wir hier nicht anzetteln. Insofern @Der ahnungslose Depp .. eine selbst formulierte Reduktion des Textes auf die Aussage zur Blues Entstehung (mit Quellenangabe) hätte es sicher auch getan. :)

So haben wir einen unnötigen N-Wort Aufschrei ... und ein Dokument von dem wir nicht wissen, ob du zur Veröffentlichung über die nötigen Urheberrechte verfügst ...

Just Saying :)

Gruß
Martin
 
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Unmotiviertes Penta-hoch-und-runter-dudeln ist kein Blues.

Und wie ist es mit motiviertem Penta-hoch-und-runter-dudeln?
Weil was anderes kann ich leider nicht. :opa:

Wenn man zwischen den beiden fast immer passenden pentatoniken (passende Dur-Moll Tonart) wechselt sind das schon ganz schön viele Töne. Mehr krieg ich in meine Finger nicht rein. :nix:
 
Kannst du über rhythmische Akzente kaschieren ... oder mal nen Ton doppeln .. klar zum Zielton hoch/runter und dort ne Verzierung ..,

Da geht schon was :great:

Gruß
Martin
 
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Kannst du über rhythmische Akzente kaschieren ... oder mal nen Ton doppeln .. klar zum Zielton hoch/runter und dort ne Verzierung ..

Ging das an mich?
Wenn ja mach ich natürlich. Durchgangstöne und das übliche Drumherum.
Aber mehr als Pentatonik ist bei mir nicht.
Also Skalen oder Tonartespezifische Dorian, Locrisch, und "what not", das schaffe ich nicht.
Ich verstehe das ganz Zeug schon, das ist nicht das Problem aber ich könnte das nie live bedenken und einsetzen.
Wenn ich Solos spiele denke ich eigentlich an gar nichts.:embarrassed:
 
Ich tippe mal die Kernaussage des Textes weiter oben ab, damit man das leichter im Zusammenhang lesen kann.

Vorausgehend wird noch die Übersetzung für das "deutsche" Wort Bluetöne geliefert. Der geneigte Leser erfährt nämlich, dass es im englischen blue notes heißt.

Zitat:
"Die Herkunft der Bluetöne wird allgemein (und gern) von den überlieferten Tonsystemen der nordamerikanischen Neger abgeleitet. Wir dagegen nehmen an, dass die Berührung der - in Bezug auf die abendländische Harmonik - "unbelasteten" Farbigen mit dem Durseptakkord zu den Bluetönen geführt hat."
Zitatende.

"Wir dagegen nehmen an", eine typische Formulierung, um einer Aussage mehr Gehalt zu verleihen. Wer genau ist denn mit "wir" gemeint? Sehr wahrscheinlich einfach nur Carlo Bohländer.

Aber wie auch immer, - überlegen wir mal, wie das denn in der Praxis genau vonstatten gegangen sein könnte. Zunächst mal muss es ja einen Plan gegeben haben, in den alle Verbrecher, die mit Sklavenhandel und Sklavenhaltung zu tun hatten, involviert waren. Es ging darum, die gewaltsam verschleppten Menschen am Singen zu hindern, bevor sie demnächst in "ihrer neuen Heimat" mit einem Durseptakkord in Berührung kommen würden.

Man kann davon ausgehen, dass ihnen während des Transports unter unmenschlichen Bedingungen, bei dem viele starben, nicht nach Singen zumute war. Vermutlich auch nicht, während sie in Gefangenschaft auf ihren Verkauf auf einem Sklavenmarkt warteten. An ihrem Einsatzort angekommen, bestand aber schon ein bisschen die Gefahr, dass sie, noch unbelastet bezüglich der abendländischen Harmonik, eine der Weisen ihrer Heimat anstimmen würden, bevor ihnen ihr neuer Besitzer einen Durseptakkord auf einem abendländischen Instrument vorgespielt haben würde.

Am ersten "Arbeitstag" wurde ihnen dann wohl flächendeckend in sämtlichen Staaten der USA, die Sklaven beschäftigten, ein Durseptakkord zu Ohren gebracht, damit dieser auf ihre zukünftigen "Arbeitsgesänge" Einfluss nehmen könne, um zu erreichen, dass in naher oder mittlerer Zukunft endlich die Bluetöne hervorgebracht werden würden.

Wir, also der Carlo Bohländer und ich, sind absolut sicher, dass es genau so gewesen sein muss.
 

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