"12 Takte" zu 12 Blues-Irrtümern

  • Ersteller DerZauberer
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"Wir dagegen nehmen an", eine typische Formulierung

Keine "typische Formulierung", hat aber was vereinnahmendes. Arbeite Dich doch bitte nicht an so Nebensächlichkeiten ab....

Ansonsten gehen Deine Ausführungen an der These vorbei, insbesondere zitierst Du nicht die Kernaussage.

Die Kernaussage scheint mir ungefähr zu sein:

"Der Dominantseptakkord wurde vom Abendland übernommen, aber ihm wurden weitere Funktionen beigemessen, als nur auf dem 5ten Tonleiterton/der 5ten Stufe harmonisiert zu sein (und nach Auflösung zum Tonikaakkord zu streben). Von der westlichen Harmonielehre unbefangene Ohren erkannten, daß dieser Akkord auch alleine für sich stehen kann, ohne daß es diesen Auflösungsdrang gibt. Somit konnte der Akkord auch auf der ersten und vierten Stufe stehen, also die Funktion eines Tonikaakkordes oder Subdominantakkordes einnehmen."

Ich versuche selbst eine Kritik.

Vorab: Richtig scheint, daß der Dominantseptakkord nicht so genannt werden kann, wenn er auf der ersten oder vierten Stufe steht. Ich nenne ihn im folgenden trotzdem so, um keine Verwirrung zu stiften. Daß dem Blues somit ein abweichendes harmonisches Verständis zu Grund liegt -darauf dürfte es dem Autor ankommen- ist kein zwingendes Argument für seine These. Überhaupt, welche Elemente des Blues wären damit erklärt?:

Die Entstehung der Bluestonleiter ist mit der ausgreifenden Anwendung des Dominantseptakkordes nicht erklärt. Diese ist ja nicht mit den Tönen des "Dominantseptakkord" identisch. Weder die kleine Terz noch die verminderte Quinte der Tonleiter sind damit hergeleitet? Nur die kleine Septime. Auch das Shufflen ist damit nicht erklärt. Beim Shufflen wird oft/meist die große Sexte verwendet, die dem "Dominantseptakkord" auch fehlt. Zudem werden die Töne ja oft ein klein wenig gebendet.

All das schließt aber den einen unterstellten Zusammenhang nicht aus. Den "Dominantseptakkord" gab es nunmal. Da erscheint es nicht abwegig, daß er übernommen wurde, aber eben ohne seine Funktion als Dominantakkord, wie er im Abendland gehandelt wird/wurde. Dieser eine Aspekt des Blues wäre damit zumindest logisch nachvollzogen. Ob nun dieser Akkord auch außerhalb der europäischen Harmonielehre schon in anderen Kulturen existierte, weiß ich nicht. Deshalb kann ich auch nicht sagen, wie wahrscheinlich es ist, daß es sich so vollzog.

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PS. Führt man sich den Sinn der Argumentation vor Augen, bekommt die Formulierung "Wir dagegen nehmen an" einen Grund. Der Autor will den Leser auf seine funktionelle Betrachtungsweise, die nunmal das Buch durchzieht und vermittelt werden soll, einschwören, die Denke darauf fokussieren, um den Lernerfolg zu unterstützen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ob nun dieser Akkord auch außerhalb der europäischen Harmonielehre schon in anderen Kulturen existierte, weiß ich nicht.
Solche Akkorde gibt es nur in einem System, das die Oktave (also den Bereich von einer gegebenen Grundschwingung bis zu ihrer Verdopplung) in 12 Tonschritte einteilt. Sobald es mehr werden, erzeugt der Zusammenklang der meisten Töne vor allem Dissonanzen. Sind es weniger, reichen die Kombinationsmöglichkeiten nicht für eine Funktionsharmonik mit Spannung und Auflösung.
 
Man, Mr Zaubermän schreibt n schönen Artikel drüber wie der Blues nicht von seinen fiktiven Grenzen leben muss und ne emotionale Sache ist, und jetzt wird er wieder theoretisch zerkaut und eingegliedert :D
 
Quatsch, der Text steht doch nicht Widerspruch, sondern ist eine inhaltliche Auseinandersetzung, bei der es doch genau um die Überwindung verengter Sichtweisen geht. Also falls meine Beiträge unerwünscht waren, können sie gerne gelöscht werden, z.B wegen möglicher Urherberrechtsverletzung. Also bitte keine Unbill.
 
Der Smiley am Ende sollte das nicht-ganz-so-ernste meiner Aussage etwas unterstreichen ;)
 
Das Gebäude fällt in sich zusammen, wenn man sich aus dem Korsett der “westlichen Klassik” befreit, denn es gab ganz viel Musik außerhalb derselben. Auch ganz früh.

Hört mal in Cajun rein. Oder Hawaiianische Musik. Oder frühe Country. Oder Irish Folk (alten!), Appalachian Music, etc.

Blues und Jazz sind “irgendwie” in den USA entstanden, mit offensichtlich sehr vielschichtigen Einflüssen. Nun kann man lange über einzelne Aspekte reden, und das theoretisch auseinandernehmen.

Ich bin eher Praktiker.

Ist das hier Blues? Eure Meinung?
Was sagt das Ohr, die Theorie, die Praxis?

 
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Servus,

mein Ohr sagt Blues und es gefällt ihm.

Meine Theorie sagt, ich habe keine Ahnung, frag das Ohr.

Meine Praxis fragt, wo sie das Stück finden kann. Sie will es spielen.

Gruß hermanson
 
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Für mein Ohr ist das auch Blues-.

Hallo Zauberer, ich denke du packst den Blues auch in ein "Korsett", denn er hat alle möglichen Einflüsse auch westliche Klassik.
Ich denke alle Musikrichtungen beeinflussen sich gegenseitig, da fällt kein Gebäude in sich zusammen.
 
Ist das hier Blues? Eure Meinung?

Wenn es beim Blues Gig jemand spielen würde ... würde ich nicht "Thema verfehlt" rufen ... Es sind aber deutlich mehr Einflüsse drin. Singe den Text in Französisch und du bist beim Chanson :D.

Insofern sehe ich durchaus auch mehrere Einflüsse in der Entwicklung. Und das machen wir doch heute auch noch. Vor nicht allzu langer Zeit hat die Möglichkeit der "verzerrten Sounds" auch den Blues in eine andere Richtung gedrückt ... Ist doch gut :great: ...

Und während du hier wohl noch recht nah an den "gewohnten Klängen" dran bist ...




Musst du hier schon etwas genauer dich rein hören, um beim Blues zu landen ...




Gruß
Martin
 
Ich habe den Song ausgewählt, weil das ein gutes Beispiel für frühe Roots-Music ist, die eben noch nicht exakten Regeln unterworfen war. Ob das nun genau Blues ist (musiktheoretisch) ist egal, weil es musikhistorisch absolut in die Kategorie “early recorded African American music” fällt. War auf jeden Fall damals für genau den Markt gemacht - die sogenannten “Race Records”.

Der Song gilt als einer der besten jemals ausgenommenen. Hier das Original:


Und - wer mal reinlesen mag - wirklich viel weiß man bis heute nicht über die Mädels...
https://de.wikipedia.org/wiki/Geeshie_Wiley
 
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Gibt von Dylan ein schönes Beispiel für Blues der reduziert auf das absolute minimum ist.
1 Akkord E-moll muss genügen. Mehr gibts nicht.

Die Version von Nina Simone ist glaube ich das stärkste was mir jemals untergekommen ist.



Manche Leute sagen das ist kein Blues sondern Folk.
Für mich klingt die Version von Nina Simone schon nach Blues.
Klassisches Lament.
 
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Manche Leute sagen das ist kein Blues sondern Folk.

da können sich dann ruhig die Erbsenzähler drüber streiten.

Eine sehr intensive Nummer die unter die Haut geht mit toller Steigerung. :great:
 
Dylan ist auch ein super Beispiel, der hat sich nämlich (fast) überall bedient. Da ist lupenreiner Blues im Programm, klassische Folk Songs, richtiger Rock, feiner Country, und alles dazwischen. Viel gute Musik. Viel musikalische Wurzeln, viele Quellen.
 
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Noch Mal zurück Richtung Thema: wenn jemand sagt, dass Alles Blues ist, zucke ich schon zusammen. Letztlich ist dann nämlich nichts mehr Blues; Blues als etwas Eigenständiges, das sich vom Rest unterscheidet, gibt's ja nur mit Alleinstellungsmerkmal. Von so Manchem wissen wir jetzt, dass es das Alleinstellungsmerkmal nicht ist. Da steh ich nun, ich armer Tor ?
 
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@saitentsauber - genau das ist mein Punkt. Es ist eben nicht wahr, und macht es auch viel zu einfach. Es ist viel interessanter die Einflüsse mal rauszufinden bzw. zu versuchen zu benennen, um sich einem Song zu nähern.

Und manchmal, aber nur manchmal, ist es durchaus sinnvoll, etwas auch ganz klar als „Rock“ oder „Hair Metal“ oder „Punk“ zu benennen, zumal wenn da eben wenig Blues drin ist.

Keith Richards hat mal gesagt (sinngemäß): ich habe Rock&Roll immer geliebt, konnte mit Rock aber nie viel anfangen, da fehlt halt der „Roll“.
 
Ok, jetzt wissen wir, was oder was nicht der Blues ist! Jetzt kommt mein Problem: wie bringen wir als Musiker diesen Blues rüber? Ich als begeisterter Session-Gänger habe ein ganz großes Problem mit dem "Blues"! Der ist ist mittlerweile eine Musikrichtung geworden, mit der man einen Raum schnell leerspielen kann oder eine etablierte Session-Location zum Kollabieren bringen kann. Blues-Musiker können sehr konservativ und beratungsresistent sein, ja sie meinen, sie müssen es sein, sonst ist es kein Blues!
Ich organisiere selber ein paar Sessions im Raum Stuttgart und mittlerweile muß ich es leider sagen, daß ich sehr ungern Blues-Anhänger als Session-Musiker dabei habe, weil sie mir regelmäßig den Raum leerspielen. Das schmälert den Umsatz und vertreibt die Kundschaft und tötet so langfristig die Session-Kultur. Ich habe versucht, das Problem zu lösen, indem ich den betreffenden Musikern gesagt habe, sie sollen etwas lustigere und gängigere Stücke spielen, aber da sind die beratungsfest! Da wird ungerührt und ziemlich laut "Stormy monday" mit dazugehörigen ausschweifendem Doppelsolso aller solofähigen Instrumente auf der Bühne gespielt, gefolgt von "Red House Blues" und "Hoochie Coochie Man". Drei Nummern, 30 Minuten, ... Der Gipfel vom Ganzen ist ein bluesbegeisterter älterer Herr, der in der Gegend als Blues-Spezialist/Fanatiker gilt, der konsequent mit absichtlich verstimmter Gitarre auftritt, weil der Blues ja dreckig sein muß, so wie bei den Vorvätern des Blues (als ob die kein Gehör gehabt haben...).
Ich rede hier von für jede Richtung offene Sessions, wohlgemerkt! Bei einer deklarierten Blues Session habe ich kein Problem mit dem Blues, da spiel ich sehr gerne mit, weil ich ja den Blues mag! Das Publikum ist blues-afin, alles paßt!
Leider haben ein paar von diesen Blues-Session aus Publikumsmangel zugemacht... 6 Musiker auf der Bühne und 5-6 vermutlich geschiedene und/oder frustrierte Männer, jeder mit einem Weizenbier vor sich einzeln an einem Tisch, das ist zwar der Inbegriff des Blues, aber damit kann man kein Lokal gewinnbringend führen...
Wie kann man den Blues einigermaßen massen- und umsatztauglich rüberbringen? Es gibt einige junge oder jünger wirkende Blues-Musiker, die das schaffen, siehe John Mayer oder Bonamassa, obwohl die von Puristen nicht als Blueser betrachtet werden.
Was ist das Rezept?
 
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Hi,
ich hab früher viel auf Sessions gespielt und auch ab und zu die Session geleitet.
Hier kommen m. M. zwei Faktoren zusammen:

1) was kann der arme Blues dafür, wenn er schlecht und langweilig gespielt wird?
Man kann ihn in den unterschiedlichsten Tempi, den unterschiedlichsten Rhythmen spielen, mit den unterschiedlichsten Breaks, man kann das Publikum miteinbeziehen, es muss auch nicht immer unbedingt jeder ein langes Solo spielen..

2) Versagen der Sessionleitung einen Abend möglichst abwechslungsreich zu gestalten
- die Sets in der Länge begrenzen
- die Narzissten unter den Musiker auch mal ausbremsen
- nicht immer die gleichen Grüppchen spielen lassen
- auf eine gute und abwechslungsreiche Durchmischung der Sets achten
- darauf achten, dass nicht immer die Gleichen spielen und andere nicht zum Zug kommen
- Neueinsteiger ermutigen und einen leichten Einstieg ermöglichen
- "Gute" und "weniger Gute" mischen
- bei Bedarf die Hausband auf die Bühne holen um das Niveau wieder auf Stand zu bringen
- auch zwischendurch zulassen, dass mal was anderes als Blues gespielt wird.
- langweilige oder schlechte Sets auch mal schneller abbrechen.


Vor Jahren ging bei uns eine Bluessession fast den Bach runter weil über ein Viertel Jahr die gleichen Musiker jede Woche! die drei gleichen Stücke! gespielt haben. Eindeutiges Versagen der Sessionleitung.

Merke: Noch schlimmer als schlechte Bluessessions sind schlechte Funksessions :ugly:
 
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Was ist das Rezept?
Kurze Antwort: Es gibt keins.

Etwas längere Antwort, Version 1: Blues ist nicht mehr das, was er mal war. Blues war African American Pop Music, und als solche Popmusik von den 1920er bis in die 1960er Jahre relevant. Als Popmusik wurde er (beispielsweise) erst von Soul/Funk und dann Rap/HipHop abgelöst. Gut zwischendurch wurde noch Rock&Roll erfunden, aber auch Rock ist ja irgendwie "durch". Will sagen: Blues ist keine relevante Form der Pop-Musik mehr. Interessiert also kaum noch wen.

Etwas längere Antwort, Version 2: Leider ist Blues (vermeintlich) so einfach, dass ihn auch sehr viele wirklich nicht-so-gute Musiker gerne und lang spielen. 12 Takte E/A/B und dann Solo mit Pentatonik sind was Anderes als ii-V-I und Kirchentonleitern. Parallel fehlt auch das Wissen, eben mehr als diese ewig abgenudelten Sachen zu spielen. Und - top of my List - Blues ist Gesang und Rhythmus, und eben NICHT Solo-Genudel. Blues ist entweder Songs (hört die klassischen BB King Live-Alben und wie kurz die Songs sind!) oder Tanzmusik (ob das nun klassischer Chicago Blues ist oder Jump Blues oder North Mississippi Hill Country), wo der Rhythmus und die Tanzbarkeit im Vordergrund steht.

Persönliches Fazit: Ich halte Blues für total ungeeignet als "Session" Musik, außer man hat "zufällig" eine Truppe von Leuten, die ihr Fach wirklich beherrscht. ODER man hat einen starken Performer, der toll singt und das Publikum in seinen Bann zieht. Das findet man halt eher seltener (bzw. in DE fast gar nicht) auf irgendwelchen Sessions, sondern als organisiertes Konzert.
 
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