Hi,
ich denke es gibt verschiedene Aspekte die man zusammen bringen sollte um sein melodiöses Gespür zu verbessern:
1. Sklalen
Neben der Blues-Scale, den Dur- und Moll-Pentatoniken (die Du wohl schon drauf hast) solltest Du Dir auch die Dur-Tonleiter/Molltonleiter und deren wichtigsten Modes (Mixolydisch und Dorisch fürs erste) drauf schaffen. Sind ja nur 2 Töne die dazukommen. Du wirst feststellen, nicht jeder Ton passt je nach darunter liegendem Stufenakkord, dafür musst Du ein Gespür entwickeln. Diese "nicht ganz passenden Töne" lässt man entweder ganz weg oder spielt sie nur als Übergangston. Mit den Tönen die den jeweiligen Mode ausmachen (z.B. kleine Septime bei Mixolydisch, große Sexte bei Dorisch) macht man aber auf jeden Fall nix verkehrt. Terz und Septime sind mMn auch immer mitunter die wichtigsten Töne.
2. Akkordtöne
Die Töne die im darunterliegenden Akkord enthalten sind sind die starken Töne! Um die treffsicher zu finden, schaff Dir die 3-Klang Arpeggios und deren Umkehrungen drauf, quer übers Griffbrett. Wenn es nur um das Solieren geht reichen erstmal die Dreiklänge auf D/G/H und G/H/E-Saite. Auf jedem Saiten-"Triplet" findest Du jeden Akkord 3 mal. z.B. Am auf D/G/H bei 2/2/1, 7/5/5 und 10/9/10. Ab dem zwölften Bund wiederholt sich das logischerweise. Dreiklänge findet man auch auf 2 oder gar auf einer Saite
Wenn die Übung durch ist dann auch mal auf die gleiche Art die Vierklänge angehen. Insgesamt ist das ne Übung die Jahre dauern kann, aber man wächst so langsam und stetig und verbessert sich.
Mir haben genau diese Dreiklänge und Umkehrungen ungemein geholfen mich auf dem Griffbrett orientieren zu können und weg vom "Box-Pattern-Denken" (s.u.) zu kommen.
3. Leittöne
Um Melodien zu finden (oder beim Improvisieren zu entwicklen) sind mMn Leittöne ein ganz gutes Konzept. Ich würde die als "Halbtonschritte zwischen Akkordwechseln" bezeichnen. Wenn Du die Akkordwechsel in einem Stück anschaust, gibt es von den Akkordtönen oft eine Konstellation wo ein Akkordton vom alten Akkord einen Halbtonschritt vom Akkordton des neuen Akkords auseinander liegt. Falls es so eine Konstellation gibt, spiel ich die immer gern aus. Auch wenn die zugrunde liegende Akkorde 3-Klänge sind, denk auch gern mal in 4-Klänge um soche Verbindungen zu finden. Beispiel: Akkordwechsel von D auf G. Das D hat F# als Terz, der Grundton G vom nächsten Akkord liegt nur einen Halbton davon entfernt.
4. weg vom Box-Pattern
Für Melodien eignet es sich ggf. besser anstatt im Box-Pattern zu denken das Griffbrett horinzontal zu sehen und zu erlernen. Klar, die selben Töne stecken auch im Box-Pattern. Aber es "lutscht" sich mit der Zeit ab und man läuft die Gefahr immerzu dieselben Licks abzufeuern. Letzten Endes sollte man alles miteinander kombinieren, also z.B. in einem Box-Pattern anzufangen, sich dann aber horizontal (z.Bl über 2 Saiten) auf dem Griffbrett im Laufe eines Solos hochzuarbeiten und dann wieder in einem Box-Pattern weiterzuspielen.
Hör Dir mal das Solo von Rosanna an, das geht im Prinzip horizontal das Griffbrett hoch bevor dann das abschließende Lick in einem Box-Pattern endet - Musterbeispiel
Ich gebe zu bedenken man kann auch horizontal "runter" spielen und sogar diagonal über das Griffbrett spielen. Letzten Endes - die Mischung machts.
Die o.g. Dreiklänge und Umkehrungen helfen auch um vom Box-Pattern-Denken weg zu kommen. Dabei kann man diese z.B. auch als Teile vom CAGED-System betrachten.
Orientierung im Song
Du hast erwähnt Dir fehlt manchmal die Orientierung im Song. Ich glaube ich weiß was Du meinst. Ich hab mich anfangs beim Improvisieren auch immer verloren, wusste nicht welcher Akkord gerade drunter liegt und vor allem hatte ich kein Gefühl dafür wann die 8 oder 16 Takte meines Solos rum sind. Ich hab da immer ein Zeichen gebraucht (z.B. Drummer macht Break oder so).
Versuche ein Gefühl dafür zu entwickeln wie lange 1, 2 oder 4 Takte sind, ohne mitzählen zu müssen. Den Tip hat mir mal ein Gitarrenlehrer gegeben und ich muss sagen war einer der wichtigeren Tips die ich so aufgeschnappt habe
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In der Musik passiert meistens was nach 2 oder 4 Takten (die 4 finde ich noch wichtiger als die 2 Takte). Ein Solo von 8 Takten Länge ist dann z.B. eine Wiederholung eines 4-Takt-Blocks. Wenn Du im Gespür hast wann diese 4 Takte rum sind hilft das ungemein der Orientierung. Dann ist es auch einfacher zu merken welcher Akkord gerade von der Band gespielt wird (Akkordwechsel passieren ja auch meist nach 2 oder 4 Takten) und das wiederum hilf Dir die richtigen Akkordtöne anzuspielen. Hilft dann wieder beim "Dreiklang-Denken" und bei den Leittönen.
Passiert mir machmal auch dass ich mich zwischendrin verliere, aber dann rette ich mich in ein Pentatonik-Box-Pattern und sobald ich wieder weiß wo im Song wir sind brech ich wieder davon aus.
Phrasierung
Hör Dir Solos von anderen Instrumenten an. Wir Gitarristen haben ein riesengroßes Problem: Wir müssen während dem Spielen keine Luft holen (also zumindest nicht in der Form dass es unser Spiel unterbricht). Das mag toll sein für atemberaubende endlose Shredder-Licks, ist aber ein Killer für schöne Melodien. Hör die Instrumentalisten an, die Luft holen müssen (natürlich Bläser, aber auch Sänger) und versuche die typischen Phrasierungen die sie haben zu verinnerlichen. Ich persönlich finde z.B. die Phrasierungen von Saxofonisten meist ganz geil und übertrag das gerne auf die Gitarre. Hör auch nicht nur drauf wo die Pausen zum Luft holen sind, sondern wo spielen die Laut und wo hört es sich so an dass die Luft ausgeht (oder gespart wird) und leiser gespielt wird.
Das war jetzt sehr viel Input (und es wird noch sehr viel mehr geben was mir jetzt gar nicht in den Sinn kam), aber nicht verzweifeln. Bitte nicht denken dass Du erst melodiös spielen kannst wenn Du das alles drauf hast. Die Improvisation ist eine Reise und sie hat schon begonnen. Das oben gesagte zeigt nur mögliche Wege. Immer wieder beim Üben das ein oder andere bewusst angehen dann geht es nach und nach in Fleisch und Blut über und verbessert ganz unbewußt Dein Solo-Spiel.
Jemand hier hat es schon erwähnt, viel Gary Moore hören und da bin ich voll dabei. Ich finde "Parisienne Walkways" ist so ein Muster-Beispiel das sehr viel von dem was ich gerade geschrieben habe enthält. Könnte quasi als Blaupause dienen.