LostLover
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wenn man sich beim improvisieren an so viele regeln hält, improvisiert man dann überhaupt noch?
sehr interessant geschrieben, man merkt das du dich verdammt gut auskennst
sehr cool
gruß
Danke erstmal.
Gute Frage. Es geht mir aber nicht darum, Regeln aufzustellen oder einzuhalten, sondern eher darum, durch gezielte Übungen eigene Spiel-Routinen aufzubrechen und sich dadurch eine Art "Wortschatz" anzueignen. Dabei kriegt man automatisch Gelegenheit, einfach mal rumzuprobieren, was möglich ist, was in welchem Zusammenhang funktioniert, usw.
Einen Teil davon kann man sicher vertiefen, abspeichern und bei Gelegenheit mal als angelerntes Lick "aus dem Hut zaubern". Aber ein grosser Teil Musik, die so entsteht, wird vielleicht einmalig bleiben und in anderen Zusammenhängen nicht ohne weiteres reproduzierbar sein. Das ist für mich ein Merkmal einer Improvisation: sie ist nur für den Augenblick gültig.
Ich glaube, im Normalfall ruft man beim Solieren Licks und Bewegungsmuster ab, die man sich vorher angeeignet hat. Für mich geht's darum, Anregungen zu finden, wie man erst mal überhaupt einen Ansatz für ein Solo findet, das aus dem Moment heraus entsteht und in sich stimmig ist. Und, wenn das klappt, wie man Routine vermeidet.
Aber - ich zitiere mal sinngemäss aus einem Buch zu dem Thema: eine echte Improvisation, also ein Stück Musik, das für den Musiker selbst neu und überraschend ist und nicht auf erlernten und abgerufenen Versatzstücken aufbaut, ist ein hartes Stück Arbeit. Wenn man sowas zwei oder dreimal im Jahr hinbekommt, kann man sich wirklich glücklich schätzen. Das sind dann aber Momente, an die man sich erinnert. Und nicht immer ist das eine rein positive Erfahrung - manchmal sogar ein unangenehmes Gefühl. Das kann ich aus der Praxis bestätigen.....
Hans_3 schrieb:Speziell beim Sax kommt dann noch die Möglichkeit dazu, nach Belieben scharf oder weich zu klingen (wenn man's spielen kann), die Töne zu dehnen, zu formen, sie schmelzen oder knallen zu lassen. Und das alles innerhalb von Sekunden ohne Effektgeräte, Ampeinstellungen etc.
Dafür braucht man kein Saxophon....das können Gitarristen auch. Ohne Effekte, auf Akustikgitarren sogar. Aber pssst....verrat's bloss keinem!
Hans_3 schrieb:Persönlich möchte ich noch ergänzen, dass ich (außer in meinen Anfangsjahren) meist nie die Musikrichtung höre, die ich gerade spiele. Ich spiele z.B. wahnsinnig gern Blues, aber ich höre mir nur sehr selten Blues an......das Zeug, was ich den ganzen Abend spiele, muss ich nicht auch noch zu Hause haben. Da brauche ich Kontraste und nicht immerzu 7 Riffs, die ich so oder so ähnlich ohehin spiele.
Das tut mir sowas von gut, das zu lesen. Das geht mir seit langer Zeit auch so.
Ich stand heut grad bei Saturn, war fest entschlossen, mir ein paar coole Gitarristen-DVD's einzupacken. Foo Fighters, Chili Peppers, Tommy Emmanuel, Steve Earle und die Clapton/Crossroads-DVD standen auf der Einkaufsliste. Und dann dachte ich (wieder mal): nee, das Zeug hängt mir zum Hals raus. Dass die besser sind als ich, weiss ich auch so.......Seeed und das "Rat Pack" sind dann im Einkaufskorb gelandet.
Die Mucke, die ich grad mache, hör ich mir so lange an, bis ich das Prinzip kapiert habe und ein Standard-Repertoire zum covern drauf hab. Ab dann hör ich mir das Zeug nicht mehr an, spiel es nur noch. Ich hab auch mein ganzes Leben mit Begeisterung und Überzeugung Blues gespielt - aber ich kann das ewiggleiche Zeug nicht mehr hören. Ich hab auch immer ein par Country-Songs im Programm gehabt. Seit ich aber fest in einer Country-Band spiele, kauf ich nur noch Jazz-CD's.
Ich höre tatsächlich fast gar keine Musik mehr, weil ich ständig Musik mache. Dabei hab ich dann ein mega-schlechtes Gewissen, weil ich immer denk, ich müsste mich eigentlich weiterbilden, schliesslich ist das mein Job.
Andererseits: mein Repertoire wird trotzdem grösser und grösser - ich hab mittlerweile fast alle Stile der Popmusik durch. Auch nicht schlecht.