"Gute" Musik gibt es heute noch genauso, wie es auch damals "schlechte" gab.
Aber die Zeiten haben sich verändert.
Und damit das Freizeitangebot, das Freizeitverhalten und die (Wert-)Wahrnehmung von Kultur.
Früher (bis Anfang der 1990er):
Je eine Handvoll Fernseh- und Radiosender, je nach Geographie mehr oder weniger.
Dazu Kinos, aber weit weniger neue Filme pro Jahr als heute.
In jeder mittleren Stadt gab es mehrere Clubs, in denen auch Livemusik angeboten wurde.
In jedem besseren Kuhdorf gabe es mindestens zweimal im Monat samstags Tanzveranstaltungen, ebenfalls oft mit einem Mix aus Live- und Konservenmusik.
Jugendzentren haben Bands Proberäume und Auftrittsmöglichkeiten angeboten.
Es gab Volksfeste, auf denen auch Livemusik gespielt wurde.
Es war für Teenager und Jungerwachsene fast vollkommen undenkbar, sich nicht für Popularmusik zu interessieren, welche auch immer. Die Art der bevorzugten Musik war auch Mittel zum Pubertieren, zur sozialen Identifkation und Abgrenzung.
Jugendliche und Jungerwachsene sind auf Deubel komm raus ausgegangen, wann immer es ging.
Video- oder Fernsehabende zu Hause hätten wir belächelt als "Wir sind doch nicht 50 ...".
Außerdem waren zu Hause ja die Eltern, die Erwachsenen, wer will denn mit denen abhängen?
Heute? Naja, wisst ihr ja selbst.
Meine Töchter (22, 25, 33) gehen schon vergleichsweise viel aus, aber nicht ansatzweise so viel ihre Mamas und ich früher.
Meine Töchter mögen sogar eher "altmodische" Musik (also handgemacht, von richtigen Bands oder Einzelkünstler*innen, mit "richtigen" Songs), auch wirklich alte Sachen. Aber nicht einmal für die Jüngste, die am heftigsten Music-head ist, ist Musik so wichtig wie für mich
Damals wie heute, wenn ich nach Hause komme oder eine Ferienwohnung o.ä. in Betrieb nehme, ist die Musikanlage das erste, was ich anschalte bzw. aufbaue.
Bei den jungen Leuten ist Musik heute meist Streaming - wie soll ich etwas wertschätzen, wenn ich fast alles für 9,99 monatlich "haben" kann, wan und wo mensch will, solange das Mobilfunknetz mitspielt? Wie soll da irgendeine Musik etwas Besonderes sein?
Und dann die Klanggewohmheiten: huete alle mit Kopfhörern oder diesen Bluetooth-Quäken.
Bei mir kriegen die Youngster regelmäßig Kugelaugen und Schiss inne Büx, wenn sie mal ganz normale Boxen leicht oberhalb Zimmerlautstärke zu hören kriegen.
Auch meine Altersgenoss*innen gehen heute eben nicht mehr so viel aus - weil sie "alt und müde sind" oder es nicht mehr bezahlen können (Mindest- und Niedriglohnsektor, Hartz4, noch Kinder in Ausbildung im noch nicht abbezahlten Haus, steigende Lebenshaltungskosten bei nicht oder nur schwach ansteigenden Einkommen etc.).
Also machen Clubs dicht, Tanzveranstaltungen werden nur noch mit Konservenmusik bespielt (damit's billig bleibt bzw. profitabler für die Veranstalter wird).
Jnd aucnndie Vermastalterseite, ich habe mir mal durchgerechnet.
Wer will denn heute noch einen Club betreiben?
Sich fünf oder sechs Tagen die Woche die Nacht um die Ohren schlagen, mit Besoffenen, Gema-Listings und unzuverlässigem Personal herumärgern, an immer strengeren Jugendschutz-, Lärm- und Brandvorschriften oder Nachbarn verzweifeln, versuchen, es einem immer schnöseliger und geiziger werdenden Publikum recht zu machen und das alles für ein besseres Friseur*innengehalt und wenn überhaupt Minimal-Altersversorgung?
Freiwillige vor - demnächst werden ja einige Clubs neu zu besetzen sein.
Was die Technik angeht, auch das Internet, wie geil ist das denn heutzutage?
PR oder Marketing für einen Club oder eine Band zu machen, ist doch dank Websites, Youtube, E-Mail, Social-Media ein Traum.
Und was ist vernünftiges Equipment heute praktisch, leicht, billig - total super.
Aber wenn die Leute am Pult (oder die an den Mikros und Instrumenten) damit nicht umgehen können, klingt's halt trotzdem scheisse. Normal.
Zudem können viele Geräte heute auch zuviel, da müsste mensch sich schon die Zeit nehmen und sich einfuchsen. Schwierig, wenn alle 6-12 Monate ein neues Gerät rauskommt, das dann auch gleich gekauft wird.
Wir hatten vor 35 Jahren ein 12in2-Studiomaster-Pult mit 2 Auxwegen, einen Dynacord-Stereo-Digihall mit xy Presets, einen DIY-2x8-Band-EQ als Feedback-Killer für die Monitore, zwei Endstufen (2x400, 2x 200 Watt), zwei Zeck 15/3er und vier Monitore (2 12erPlusHorn-Wedges, 2 DIY mit 2x12er und Horn). Dazu Mics, Stative, Kabel, Multicore.
Damit waren wir damals für den Amateurbereich exzellent ausgestattet.
Heute würde keine Schülerband das Zeug noch mit dem Arsch angucken.
Mit der Anlage konnten wir Hallen bis 2.500 Personen beschallen, da liefen die großen Monitore dann eben auch FoH und die Endstufen mussten richtig schuften.
Das war zwar ein echtes Geschleppe (drei große Kombis), hat aber Spaß gemacht und wie gesagt, es war ein dankbares Publikum dafür da.