Hallo Chroma, ich schätze Du hast gerade Übungsfrust?
Entschuldige wenn wir hier manchmal etwas herumalbern. Ich sehe das Ganze hier nicht unbedingt als Nachschlagewerk, dazu müsste man viel mehr aufräumen und zum Teil doppelt gestellte Themen ineinander führen, überarbeiten, kürzen und so weiter.
Ich leide genau wie Du manchmal darunter, wenn ich in anderen technischen Foren nicht innerhalb von 3 Minuten die Antwort auf meine Frage finde, aber ich denke hier ist es etwas anderes.
Du siehst ja schon anhand der Antworten, dass es verschiedenste Ansätze gibt, jeder sucht für sich ein individuelles Trainingsprogramm zusammen. Wenn ich behaupte, dass mir technische Übungen nicht helfen, weil ich sie sowieso permanent in Stücken finde, dann muss das für einen Spieler, der in Stücken mit anderen Sachen beschäftigt ist als darin technische Abläufe zu suchen nicht unbedingt das richtige sein.
Ich meine, es gibt genug rennomierte Lehrer in Russland oder Frankreich, Finnland und sonstwo, die excellente Techniker ausbilden. Sie alle beginnen ihre Stunden mit Tonleitern und Arpeggien.
Heinz Hox, der gerade im Nachbarfaden erwähnt wurde, hat einen Technik-Band herausgegeben, alle Jazzschulen haben vorn oder hinten Seitenweise Tonleitern drin, deren Bezeichnungen man lernen und in flexible Zusammenhänge mit den Tonarten bringen soll.
Das ist ganz gewiss nützlich, aber mir ist das zu trocken. Ich suche solche Stellen lieber in Stücken heraus. Da findest Du nämlich genau das selbe. Dann analysiere ich das fast automatisch.
Siehe z.B.
hier:
Takt 9-11 Bb moll harmonisch rückwärts von der Sexte (Gb oder F#), am Ende dann die letzten 4 Töne reines moll mit einer Achtel statt Sechzehntel. Wenn ich jetzt im Vorfeld Bb Dur Tonleiter geübt hätte, auf Standardbass und rechts hätte ich noch älter ausgesehen als ich sowieso schon aussehe.
Sattdessen kommt recht bald in der Vorletzten Zeile C Dur mit abschließendem Bb.
Verdammt, man kann das natürlich nur schnell spielen wenn die Abläufe sitzen. Aber es kam im Laufe des Lebens wirklich schon einige male vor, dass ich eine C Dur Leiter in Stücken fand und separat geübt hatte. Die Leiter links nicht, die war in dem Moment neu für mich.
Wenn man auf drei Reihen spielt, funktionieren die 4rer Einheiten nicht mehr, die man sich rechts vielleicht erarbeitet hat.
Man denkt bei der selben Leiter auf 3 Reihen eher in Schwerpunkten des 2. Fingers der immer mal innen oder außen ist.
Wo man sich die Anker setzt ist individuell und steht quasi zwischen den Zeilen.
Man kann jetzt böse sagen, Scarlatti hat 600 Etüden geschrieben.
Wenn man es so angeht stimmt das auch. Aber es ist auch schöne Musik, die mir bei gleicher Anforderung an die Technik einfach mehr Spaß machen als Skalen. Der Übergang ist fließend.
Jazzlicks funktioneren auch so. Man lernt sie wie Tonleitern (Vokalbeln) und baut sie dann ein. Im Zusammenhang kann es zu schöner Musik werden oder beim runterdudeln bleiben.
Wie sollst Du nun die Sicherheit erwerben?
Indem Du eben das Stück nicht immer nur voll emotional musikalisch spielst, sondern es als Etüde wahrnimmst und Stellen daraus in Schleifen spielst. Jeder Sprung in einem Stück kann Dich wie eine Übung beschäftigen. Nachdem Du Balgwege festgelegt - oder gerade nicht festgelegt hast - merkst Du, dass der selbe Sprung in einer anderen Balgstellung ganz anders funktioniert.
Oder die Stuhlhöhe oder vielleicht mal ein anderes Instrument oder eine dicke Jacke statt eines T Shirts anziehen...
Sowas findest Du in keinem Technikband. So etwas halte ich aber für viel praxisorientierter.
Man muss die Dinge nur ernst nehmen und als Übung behandeln. Dann erlangst Du Sicherheit und brauchst keine Technikübung, die nur so ungefähr das trainiert was Du brauchst – wenn überhaupt das behandelt wird, was Dir in Deinen aktuellen Stücken Schwierigkeiten bereitet.
Die Entwicklung eigener Übungen aus den Stücken heraus ist viel zielgerichteter und individueller.
Und es glaubt mir immer keiner, aber ich trotzdem bin der Meinung dass auch ein guter Lehrer manchmal weniger genau erkennen kann was Dir fehlt als Du selbst wenn Du sensibel bist.
Es ist wie beim Psychologen, er stochert und probiert mit verschiedensten Taktiken und irgendwann hat er vielleicht mal den richtigen Schlüssel zu Dir gefunden. Aber dazu gehören immer zwei, bzw eigentlich nur der Schüler. Manche Lehrer können überhaupt nicht spielen, schaffen es aber so dermaßen gut den Studenten zu motivieren, dass dieser alles alleine macht.
Wenn ich es immer nur an dem jeweiligen Stück übe, wäre es jedesmal etwas Neues was ich üben muss. Das dauert dann aber doch zu lange. Ich gebe zu, das Üben der Basics jeden Tag dauert auch lange, also summiert gesehen. Deshalb sollte es meiner Meinung nach auch jeden Tag nicht zu lange sein. Vielleicht 10 Minuten im "Warm up" für die Finger.
Das widerspricht sich aber.
Warm up ... Ja gut. Machs halt. Ich halte das nicht durch. Ich übe sowieso komisch.
Höchstens 10-20 Minuten an einer Sache, dann brauch ich dringend ne Pause. Und wenn es aus Versehen länger wird, kriege ich Krankheiten weil mein Üben so intensiv ist.
An der ganzen Sache merkt man auch, dass man in einem Coaching Verhältnis Vertrauen braucht. Schüler und Lehrer müssen gleichermaßen Fehler zulassen und offen mit "Problemen" umgehen bzw gemeinsame Strategien entwickeln.
Buch auf- Üb das ... kann funktionieren - aber meistens geht es um was anderes.