Dieses ganze Gitarrengeschrubbel (zB.in den Videos oben...)ist doch schon ziemlich langweilig und mittlerweile auch nicht mehr beeindruckend,egal wie schnell da einer über die Saiten flitzt.
Irgentwie immer das gleiche...
Das scheint mir ein generelles Problem von Gitarrenmusik zu sein: Weil fast alle zu denselben Extremen streben, passiert da nichts mehr. Heute geht fast alles zurück auf den Grunge und (Post-)Punk der frühen 90er. Baß spielt Grundtonachtel, Rhythmusgitarre spielt im Refrain im Prinzip dasselbe, zwecks Brett derart verzerrt, daß es entfernt wie ein Akkord klingt. Und wenn der Leadgitarrist im nichts zu tun hat, spielt er mit derselben Maximalzerre dasselbe, um das Brett noch zu intensivieren. Höchstens in den Strophen nimmt man sich zurück.
Es geht eigentlich nur noch um "möglichst laut, möglichst hart, aber möglichst simpel". Dabei ist es sogar noch unerheblich, ob es sich Metal nennt oder nicht.
* Zeitgeist: die E-Gitarre wurde gern zusammen mit einem "Aufbegehren" interpretiert. Hendrix - Vietnamkrieg, Stones - Rock n' Roll, Dylan, Punk, Nirvana...
Ich glaube, das ist auch eher die Wahrnehmung von heute. In den 70ern haben viele Rockmusiker ganz einfach gespielt, worauf sie Bock hatten, oder haben viele Rockkomponisten geschrieben, worauf sie Bock hatten, ohne gegen irgendwas rebellieren zu wollen. Da gab's die, die sich mit Powerchords anlehnen wollten an den ollen Chuck Berry (Status Quo ab Anfang der 70er, als sie nicht mehr die Psychedelic-Band The Status Quo waren). Oder die, die erst noch simplere Powerchords wollten als Chuck und dann mit den frühen 60ern kokettierten (The Ramones). Die, die gemacht haben, was sie immer gemacht haben (The Rolling Stones – und im Prinzip machen die das bis heute). Oder den Fall, daß man unbedingt Rockmusik auf Richard-Wagner-Niveau machen will (Jim Steinman).
Wenn Gitarrenmusik heute – will sagen, seit den späten 80ern, frühen 90ern, als Alternative Rock groß wurde, College Rock und Grunge erfunden wurden und Punk zurückkam – gegen irgendwas rebelliert, dann sind das die elektronischen Instrumente, die es ca. 1980 als erste schafften, die elektrische Gitarre zu entthronen, und die 80er Jahre beherrschten.
* Idole, Helden: Hochstillisiiert, weil sie musikalische Neuerungen oder Entwicklungen eingeleitet haben, völlig neue Arten des Gitarrespiels kreiert haben, gibt es zurzeit keine - zumindest hat man den Eindruck, dass die Medien immer mehr krampfhaft versuchen, hier einen Mythos am Leben zu erhalten - was aber immer weniger Leute interessiert, weil sie als neue Generation einfach davon zu weit weg sind.
Wie ich schon schrieb: Die Kreativität fehlt, die Kreativität, die in den 70ern noch zuhauf vorhanden war. Es gibt nur noch das maximal mögliche Brett.
Irgendwo hab ich mal gelesen, daß die letzte neue große Rockband die Foo Fighters sind. Und ich schätze, die sind auch nur deshalb so groß, weil dahinter der schon seit Anfang der 90er sehr große Name Dave Grohl steckt – eine Berühmtheit, aber noch kein Rockopa, der schon in den 70er oder gar 60er Jahren Rang und Namen hatte und es heute in der x-ten Supergroup mit seinesgleichen versucht.
* Mythen: ich kann es mir gut vorstellen, dass Firmen, die mal Legenden produziert haben, wie die Stratocaster oder Les Paul oder... Schwierigkeiten bekommen, wenn die Nachfrage sinkt
a) weil eben die Legenden uninteressant werden
b) weil andere Instrumente auf dem Markt sind, was früher nicht möglich war
c) weil der Markt sowieso geflutet ist
Na ja, die meisten Teenager, die Metalgitarristen werden, tun das nicht, weil sie einer Legende nacheifern wollen, sondern im Testosteronrausch. Und an "Legenden" kennen sie zu dem Zeitpunkt eh nur James und Kirk. Wenn's nach Legenden ginge, hätten wir wesentlich mehr Bassisten.
Eine Marktsättigung sehe ich bei Gitarren so schnell nicht kommen. Viele Gitarristen weigern sich ja, Gebrauchtinstrumente zu kaufen. Und wenn man sieht, wie mit Gitarren teilweise umgesprungen wird, ist das sogar nachvollziehbar. Die Gitarre ist nah am Verschleißartikel – höchstens dann nicht, wenn sie schweineteuer war.
* Faktor Mensch II: Früher konnte man fast spielen, wo man wollte; und wenn es eine Straßenecke war. Heute wird gleich erst mal gemaul, alles ist so teuer, zuiel Miete, zu hohe Nebenkosten, "bringt ihr keine 100 Leute mit, die saufen, damit der Umsatz stimmt, braucht ihr gar nicht erst zu spielen..."
Wenn es überhaupt noch Läden gibt. Überlebt haben bis heute allenfalls die, die sich irgendwie die – häufig behördlich auferlegten – horrenden Betriebskosten leisten können. Und die müssen auf die Ticketpreise umgelegt werden. Da ist es irgendwann schon verständlich, wenn Clubs Bands nur dann auftreten lassen, wenn die entweder ein volles Haus garantieren können (damit die Band keine Miesen verursacht) oder dem Club sämtliche Tickets vorher abkaufen und dann versuchen, die selber unters Volk zu bringen (damit die Miesen an der Band hängenbleiben).
Gerade Hamburg ist ein Paradebeispiel für Clubsterben. In Deutschlands zweitgrößter Stadt und der größten Stadt in der EU, die keine nationale Hauptstadt ist, klammert man sich heute an fast jeden noch existierenden Club und versucht, ihn irgendwie zu retten, und wenn es mit einem ganz neuen Standort sein muß. Ein Umzug hat aber den Nachteil, daß das hinterher nicht mehr derselbe Laden mit demselben Charme ist. Das Problem hat man ja schon bei einer Sanierung – daran ist ja damals das Onkel Pö zugrundegegangen. Und ein ganz neues Gebäude geht noch viel weniger. Es ist zu neu, zu perfekt, zu sauber. In bestimmten Musikszenen funktionieren aber nur Clubs wirklich gut, die etwas ranzig wirken, weit vom Perfekten weg sind und am besten noch in Gebäuden residieren, die ganz klar eigentlich für was ganz anderes gebaut worden sind (und das meint kein Fußball- oder Eishockeystadion).
* Musik- und Plattenindustrie, Vermarktung...
Bingo.
Die Major Labels
wollen, daß Gitarrenmusik stirbt. Die wollen nämlich keine Bands. Die wollen nur Einzelkünstler, weil die weniger kosten (ist ja nur einer, der die Hand aufhält, und nicht vier, fünf oder sechs Leute) und leichter unter Kontrolle zu bringen und zu halten sind.
Guckt euch mal heute in den Singlecharts, Albumcharts oder noch besser in den Airplay-Charts um. Was steht denn da so an Interpreten? Sänger. Rapper. DJs. Auch mal als einer featuring einen anderen.
Sänger und Rapper haben den Vorteil, daß sie immer ein Gesicht, eine Stimme und eine Attitüde haben. DJs wie David Guetta und Calvin Harris haben an Vorteilen, daß sie bei der kaufkräftigen Generation Instagram sehr populär sind und von vornherein mit kompletten Produktionen ankommen, so daß man da nicht die eigenen Studioleute dransetzen muß, damit die ein Instrumentalbacking schreiben und produzieren. Letzteres tun Bands auch, die sind aber teurer (weil man um einiges mehr Leute zu bezahlen hat, die sich als Stars betrachten oder welche sind und entsprechend Geld wollen) und schwerer zu bändigen (weil die sich gemeinsam leichter gegen ihre Bosse von der Plattenfirma verschwören können als ein Einzelkünstler).
Wenn mal irgendwo eine Band auftaucht, dann ist sie hochpopulär bzw. wird künstlich zu entsprechender Popularität gepusht (hierzulande um so mehr mit deutschen Texten, die man sonst fast nur von Schlagerfuzzis kriegt), und/oder sie ist bei einem Indie-Label und hatte einfach Glück, durch Mundpropaganda so populär geworden zu sein.
* Musikträger: Früher Platte, Tonband, wenige Mitschnittsendungen. Heute siehe Sättigung... mp3, usw...
Auch hier wieder die Generation Instagram. MP3-Downloads sind noch toter als CDs und Vinyl. Heute sind Streamingdienste wie Spotify hip. Was es da nicht gibt, rippt man sich von YouTube. Klangqualität ist mehr als nachrangig, sie ist scheißegal.
Aber Tasten drücken ist einfacher als Saiten drücken, Akkorde zusammenbauen leichter als Barrees lernen.
Das meiste an elektronischer Musik, was in den letzten 25–30 Jahren produziert wurde,
ist überhaupt nicht mehr händisch eingespielt.
Als jemand, der von handgemachter Musik mit "richtigen" Instrumenten kommt, stellt man sich das leicht so vor, daß da tatsächlich einer an einem Hardware-Synthesizer sitzt, per Hand in Echtzeit auf den schwarzen und weißen Tasten spielt und so die Parts direkt als Audiosignal aufs Tonband (bzw. auf die Festplatte) spielt. Tatsächlich machen das heute nur noch ganz alte Recken wie Vangelis und deren sehr wenige Nacheiferer wie Kebu. Wenn die irgendwo auftreten, dann spielen die auch live per Hand, was live per Hand für einen einzelnen Musiker spielbar ist.
Ansonsten wird heute praktisch nichts mehr per Hand gespielt. Was so durch die Charts und die Clubs läuft, wird am Rechner im Piano Roll Editor zusammengeklickt, also von vornherein von einer Maschine gespielt, der der Producer oder der DJ (wer heute elektronische Musik macht, faßt sich kaum noch als Musiker auf) entsprechend programmiert. Und wenn der irgendwo auftritt, dann weit mehr als DJ als als Musiker, und auch der DJ legt nicht von Vinyl auf, sondern vom USB-Stick. An Equipment hat man nur einen Laptop und ein paar USB-Controller dabei, gern DJ-Controller, die entfernt an Turntables erinnern. So manch einer fährt dann tatsächlich vorm ihn feiernden Publikum fix und fertige Mixe ab, auch von seinen eigenen Sachen, und reiht die aneinander. Dabei hopst er hinterm Laptop herum und heizt das Publikum an – denn die Alternative sähe so aus, als wenn er während des Gig seine E-Mails lesen würde. Wenn man Glück hat, sind es keine fertigen Mixe, sondern das Ganze teilt sich auf in Parts, die sich vor Ort kreativ zusammenmischen lassen. Aber glaubt mal nicht, daß diese Jungs während des ganzen Gigs auch nur eine einzige Note per Hand spielen würden.
In Deutschland kommt erschwerend hinzu, daß man generell ein Problem zu haben scheint mit melodischer, handgespielter elektronischer Musik. Für die jüngeren muß es elektronische Dance Musik sein, also reine Sequencermusik. Für die älteren kann "EM" (= Elektronische Musik) nur für die Berliner Schule à la Tangerine Dream stehen, also auch wieder Sequencermusik, total anders gemacht zwar (mit klassischen analogen Stepsequencern ohne jeglichen Speicher und nicht mit dem vorprogrammierten Sequencer in der DAW), aber trotzdem reine Sequencermusik. Schon über Kraftwerk rümpft man die Nase, so maschinell sie ab 1978 auch waren; die sind längst im UK und den USA populärer als hier, weil Bands da noch mehr wertgeschätzt werden.
Irgendwie Ironie des Schicksals, daß gerade Kraftwerk erst richtig populär wurden, nachdem sie ihren letzten und einzigen Gitarristen (Michael Rother) und ihren "richtigen" Schlagzeuger (Klaus Dinger) rausgeschmissen hatten.
Martman