Macht es doch nicht so kompliziert, es ist doch auch nicht so kompliziert.
Die Begriffe Konsonanz und Dissonanz sind in der Musik im Endeffekt doch nicht von der Klanglichkeit, der Klanggestalt zu trennen. Die Farbtöne im Jazz (z.B. maj7) sind integraler Bestandteil der Klanglichkeit des Jazz und werden dort weder als Dissonanz betrachtet noch als Dissonanz gehört. So ein Akkord wäre zu Bachs und Mozarts Zeiten als eigenständiger Akkord-Typ nicht denkbar gewesen, der "maj7"-Ton (große Septe) wurde aber selbstverständlich als eben dissonanter melodischer Durchgangston durchaus gerne verwendet, und nicht nur die große Septe. Wie schön dissonant schräg schon im Barock Klangballungen klingen konnten, kann man gut an vielen Schlussabschnitten von Orgelwerken (nicht nur von Bach) anhören, wo über einen gehaltenen Bass-Ton im Pedal (sog. "Orgelpunkt") gerne recht wüst kadenziert wurde und sich diese Harmonien dann deftig mit dem Pedal-Ton reiben (der eben zu den meisten dieser Harmonien nicht passte!).
Im hier zur Debatte stehenden Genre Death Metal sind für mich in den angeführten Beispielen die schärfsten Dissonanzen die Verzerrungen in den Klängen. Diese machen es auch manchmal schwer, konkrete Tonhöhen zu erkennen, vor allem bei der Stimme. Das wirkt dann mehr Geräuschhaft und Geräusche wirken stets nicht konsonant.
Vom Tonmaterial her und den "Melodie"-Bildungen her finde ich das wie ich schon sagte eher harmlos und konventionell.
Im Beispiel "Insane" aus Post #23 wird z.B. fast durchgängig das "D" im Bass angespielt bzw. heraus gehämmert. Der zweite Zentralton ist das "A", also die Oberquinte - nichts überraschendes. Dass diese Töne immer wieder chromatisch angesteuert werden, beim D mit dem Es, ist auch nichts ungewöhnliches, wirkt im Prinzip dominantisch, da das Es Grundton des Tritonus-Substitutionsakkord der Dominante ist (Dominante = A, Tritonus-Substitution = Es).
Auch im Solo am 1:16 dominiert das D immer wieder und die chromatischen Anspielungen der D-Skala (hier D-Moll/D-Blues, das Es bringt auch eine schöne phrygische Farbe mit rein) wie in der immer wieder kehrenden Wendung Des-C verschleiern die Tonalität auf D für mich nirgendwo. Es sind einfach melodische Anspielungen/Umspielungen der Skala.
"Insane" darf also mit Fug und Recht auf den Grundton D bezogen werden und bewegt sich in seinem Tonmaterial nicht wirklich aus diesem Zentrum heraus. Das D wird dem Hörer ja auch regelrecht praktisch ununterbrochen "eingehämmert", wie sollte dieser dann einen anderen Bezug hören können?
Man darf auch nicht unterschätzen, wie sich Hörgewohnheiten allein unbewusst einschleichen. Die Musik, die uns umgibt und die wir hören (gewollt und ungewollt) ist zu geschätzt 99% tonal gebunden. Auch wer keine musiktheoretischen Kenntnisse hat (vielleicht sogar gerade dieser), wird in seinen eigenen musikalischen Konzepten dieser starken unbewussten Prägungen folgen, vielleicht gerade dann, wenn er ´aus dem Bauch raus´ spielt. Warum auch nicht, wenn´s ihm und seinen Hörern zusagt - und darum geht es ihm doch.
Ob man nur mit dem Bauchgefühl aus bestehenden Konventionen, aus den stereotypen Formen ausbrechen und etwas neues kreieren kann? Wer weiß, möglich ist das sicher. Aber wer wirklich Regeln brechen will, der muss bzw. sollte diese Regeln kennen, sogar sehr gut kennen.
Hinzu kommt, dass jemand, der ein abendfüllendes Werk komponieren will, wie der von mir weiter oben zitierte B.A. Zimmermann mit seiner Oper "Die Soldaten", gar nicht um fundierte musiktheoretische Kenntnisse herum kommt. Sonst wird es ihm nicht gelingen, die Spannung über die lange Zeit zu entwickeln und zu halten.
Aber das ist ein anderes Thema und gehört nicht hierher.