Musik und Mathematik: Auch aus meiner Jugend erinnere ich den häufig wiederholten Spruch: Bach sei ein guter Mathematiker gewesen. Und: Wer ein guter Musiker sein will, muß auch ein guter Mathematiker sein. Verstanden hatte ich das nie, vor allem deshalb, weil ich im Rechnen immer schlecht war. Ich konnte mir noch nicht einmal das Einmaleins richtig merken. In der Schule wurde Kopfrechnen geübt: alle mußten Stehen, der Lehrer stellte Aufgaben, wer nicht mehr weiter wußte, mußte sich setzen. Ich wußte schon nach der 2. odr 3. Aufgabe nicht mehr weiter, habe mich aber nie gatraut, mich als erster zu setzen.
Also habe ich gewartet, bis andere auch nicht mehr weiter wußten und mich mit ihnen gleichzeitig gesetzt. Peinlch war es aber immer dann, wenn der Lehrer nach Zwischenergebnissen gefragt hat und mich drannahm.
Bis zum Abi hatte ich dann trotzdem quadratische Gleichung, Kurvendiskussion, Integral und so'n Kram einigermaßen auf dem Schirm, unter anderem auch deshalb, weil ich so manche Themen durch unfreiwillige Klassenwiederholungen
und Schulwechsel
bis zu dreimal wiederholt habe.
Ich war also immer ein ziemlich miserabler Mathematiker. Aber ich war auch immer ein ganz brauchbarer Musiker, und deshalb habe ich nie eingesehen, daß Musiker immer auch gute Mathematiker sein sollten. Mathematik war für mich etwas strenges, nach Gesetzen geregeltes, Musik war für mich Freihiet pur: Es gibt Regeln und Gesetze, aber die kann man anwenden, wenn man es für nötig hält, muß es aber nicht. Wenn man sich in der Mathematik nicht an Gesetze und Regeln hält, bekommt man falsche Ergebnisse, schlechte Noten und bleibt hängen, wenn man sich inder Musik nicht an die Regeln hält, entdeckt man neue Kontinente. Ein totaler Gegensatz.
Komischerweise begann ich relativ zeitgleich irgendwann mit dem Darts-Spiel und mich für Jazztheorie zu interessieren. Beim Darts-Spiel habe ich plötzliche begonnen, mit Zahlen anders umzugehen als in der Schule (für manch einen mag das eine Selbstverständlichkeit sein, für mich war das ein revolutionäres Erlebnis), ich habe nämlich, als ich die dreifache 18 getroffen habe, nicht dreimal zehn plus dreimal acht gerechnet (das war mir zu schwer
), sondern dreimal zwanzig minus sechs (das war leichter). Ich habe also begonnen, mit den Zahlen im Geiste zu spielen. Gleichzeitig hatte ich aber andauernd harmonische Spielchen im Kopf, z.B.: was passiert eigentlich, wenn die b9 der Dominante zum Grundton der Moll-Subdominante einer neuen Tonart wird. Auch Rhythmisch: Wenn ich die duolischen Viertel in einem Dreivieteltakt zu Vierteln eines neuen Swing 4/4-Takes mache, wie verhalten sich dann die neuen Swingachtel zum ursprünglichen Dreivierteltakt?
Und dieses
Spielen mit Zahlen im Geiste hat meiner Meinung nach mit dem
Spielen mit harmonischen oder rhythmischen Vorgängen in der Musik etwas zu tun. Die strenge Regelhaftigkeit der Mathematik finde ich dagegen in der Musik bis heute nicht. Beethoven wurde z.B. mal darauf hingewiesen, daß eine seiner Kompositionen Quintparallelen enthalte. Seine Antwort soll gewesen sein: Mein Herr,
ich habe diese Regeln nicht erfunden ...
Der Musiker muß z.B. denken können: 1+1=3. Warum? Mann + Frau => Mann + Frau + Kind, also drei. Oder 1, weil Mutter und Kind bei der Geburt gestorben sind? Oder 2, weil der Vater lieber abgehauen ist? Durchs Abi kommt man mit dieser Überlegung nicht, in der Musik hilft sie aber vielleicht: Eb-Dur + F-Dur = Bb-Dur. Oder doch eher D-Phrygisch?
Viele Grüße,
McCoy