Musik und Evolution ... ??!!

Naja ... Sprache hat irgendwie einen Nutzen (aus evolutionärer Sicht). Musik nicht - außer man begreift sie ausschließlich als fantasievolle Weiterentwicklung und "Zweckentfremdung" einer urzeitlichen reinen Kommunikationsform.

Es gibt auch heute noch Völker, für die Musik genau diesen Zweck hat. Ich würde eher unseren "kultivierten Umgang" mit Musik als Zweckentfremdung betrachten.

Aus einem Mittel zur Kommunikation hat die sog. zivilisierte Welt ein Mittel zur Selbstdarstellung gemacht. Die Industrialisierung der Musik ist damit der Gipfel der Zweckentfremdung.
Der Konsument "lädt" seine Musik. Das, was die Menschen ursprünglich vereint hat, wird heute benutzt um sich von anderen Gruppen abzugrenzen (z.B. HipHopper vs. Metal-Head).

Die These, dass Musik keinen weiteren Nutzen hat, kann ich also nicht unterschreiben.
 
Vielleicht kommt man dem Ganzen näher, wenn man näher Bezug zum Begriff Evolution nimmt.

Ein Grundzug der Evolution scheint eine zunehmende Differenzierung hin zu Vielfalt mit dem Einschluß der Entwicklung hin zur Kompelxität zu sein.

Das bedeutet aber auch, dass die Formen des Anfangs nicht verschwinden müssen - Bakterien und Einzeller gibt es gleichwohl weiter (und zwar mengenmäßig im Vergleich zu komplexeren Formen wie beispielsweise Säugetieren in wesentlich größerer Anzahl) - und sie haben auch weiterhin ihren Platz, ihre Lebensgrundlage und Daseinsform.

Was übertragen auf die Musik beispielsweise bedeuten würde, dass heute alle Formen der Musik auch weiterhin bestehen - mit all ihren jeweiligen Grundlagen (bloße Selbstäußerung, reiner Spaß am Spielen, Kommunikation, Motorik, Gefühlsäußerungen). Im Verlauf der Entwicklung entstehen komplexere Formen der Musik, die jedoch die anderen nicht verdrängen, sondern ergänzen.

Verdrängt oder verschwinden oder an Bedeutung verlieren werden Formen der Musik, deren Grundlagen nicht mehr in dieser Form erhalten werden und deren Bedürfnisse auf andere Art erfüllt werden bzw. werden können. So gab es ja eine Hochzeit der Hausmusik als eine bestimmte Form innerhalb einer Gesellschaft, Musizieren und Bildung und Kultur als Praxis in der Familie auszuüben.
Sie wird nicht gänzlich verschwunden sein, aber hat doch an Bedeutung verloren.

Evolution bedeutet auch, dass die Entfaltung mit den geistigen Fähigkeiten einherschreitet - also der Fähigkeit, mittels Geist, Bildung, Weitergabe und Aufführung komplexere Kunstwerke zu schaffen. Für mich bleibt aber weiterhin der Grundbezug zu den vielfältigen Funktionen der Musik erhalten, die eben Bedürfnisse seitens der Zuhörer und der Musikmachenden erfüllt.

Die Ausdifferenzierung von Gefühlen, von geistigen Fähigkeiten und von den gesellschaftlichen Bedingungen (Verfügbarkeit von Musikinstrumenten, Möglichkeit des Lernens, Möglichkeiten des Publizierens, Möglichkeiten daraus eine Profession zu machen) gehen dabei Hand in Hand - und ergänzen sich eher gegenseitig als dass das eine das andere verdrängt.

Nimmt man das Gefühl, die Emotion, das Bedürfnis als Grundlage, dann ermöglichen die entwickelten geistigen Fähigkeiten und gesellschaftlichen Bedingungen die Schaffung komplexerer Musik, ohne dass die Emotion verdrängt wird - im Gegenteil: sie hat ganz andere Möglichkeiten, sich zu äußern.

Und so wie in der Natur aufgrund der Evolution eine gleichzeitige Vielfalt aller Formen zu finden sind, die alle ihre Grundlage haben, so findet sich heute in der Musik auch eine Gleichzeitigkeit der Vielfalt, in der die Schaffung komplexerer Werke auch ihren Platz hat - und in dieser Form tatsächlich erst recht spät entstehen konnte - weil dazu eben eine gewisse Entwicklung der emotionalen, geistigen, gesellschaftlichen und individuellen Fähigkeiten und Bedingungen gegeben sein müssen.

Aber dahinter bleibt immer Grundlage, dass Musik bestimmte Bedürfnisse erfüllt - sonst wären komplexe Musikwerke einfach nur ein Sinnbild dafür, was der Mensch geistig zu erschaffen in der Lage ist - aber darüber hinaus würde sie nicht geschaffen und gehört.

Ein Bach-Werk ist nicht schön, weil es komplex ist. Sondern es ist schön, weil es in seiner Komplexität unsere Emotion rührt. Und das deshalb, weil diese Emotion schon beim Schaffen wesentlicher Bestandteil war.
 
Als "Anstifter" zu dieser Diskussion fühle ich mich fast verpflichtet, das alles jetzt irgendwie zu ordnen ... aber ich glaube, das kann ich nicht. Es sind da - für mich ganz persönlich - eine ganze Menge an Denkanstößen und neuen Perspektiven entstanden, wofür ich dankbar bin. Die sind jedoch so zahlreich und jeweils eine kleine eigene Welt für sich, daß ich auf die alle jetzt unmöglich eingehen kann. Das muß sich erst mal setzen.

Abgesehen davon bin ich auch keineswegs so ein "Kopfmensch", wie der Threadtitel vermuten ließe. Nur,... ab und zu wälze ich halt solche Gedanken, ... was mich jedoch keineswegs daran hindert, in der Zwischenzeit einfach Musik zu MACHEN, zu hören, zu lernen, Spaß und Freude an ihr zu finden, ... und dabei völlig gleichgültig dem gegenüber zu sein, wie ihr genauer Werdegang und der unserer diesbezüglicher Empfindungen denn nun wirklich war. :)

Jedenfalls Danke für Eure Beiträge bis dato,
Liebe Grüße, Thomas
 

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