Und wer meint, dass Jazztheorie nichts mit Mathematik zu tun hat, dem kann hier nicht mehr geholfen werden.
Als Jazzer und Naturwissenschaftler, meine ich, das beurteilen zu können. Und nein, es hat nichts miteinander zu tun. Nur weil ich Dinge mit Zahlen bezeichne und danach ordne, ist es noch keine Mathematik. Nur weil etwas systematisiert ist, hat es noch nichts mit Mathematik zu tun.
Ich glaube, die meisten hier haben nicht wirklich eine Vorstellung, was Mathematik eigentlich ist. Das, was ich als Physiker mache, hat auch nur am Rand mit Mathematik zu tun. Gut, ich rechne häufiger mal was aus und verwende dafür Rechenvorschriften der Mathematik. Mathematik ist aber ungleich der Anwendung von Rechenregeln. In der Mathematik geht es darum, ein geschlossenes, ausnahmslos korrektes System von Sätzen, Definitionen u.ä. aufzubauen. Das muss in keinem Fall irgendeinen Bezug zur Realität haben. Die Mathematik ist deshalb auch keine Naturwissenschaft sondern eine Abstraktions-, im weitesten Sinne auch eine Geisteswissenschaft. Das man die Sprache der Mathematik für andere Zwecke verwendet, heißt nicht, dass diese Dinge dann automatisch in die Mathematik integriert werden.
Niemand bestreitet, dass Komponisten mal mehr oder weniger nach vorgefertigten, abzählbaren Formen arbeiten und man das meiste irgendwie erklären und einordnen kann. Aber nur weil man an die Töne Zahlen dranschreibt und sie in eine Tonleiter ordnet kommt keine Mathematik ins Spiel. Das scheinen mir hier aber nur die wenigsten voneinander trennen zu können.
Gerade im Jazz - und wer das als Musiker nicht verstanden hat, sollte sich vielleicht nicht so aufplustern - ist das wesentliche Element nicht die Komposition, also das lange durchdachte Konzept, sondern die spontane Improvisation, die sich selten an strikte Regeln hält, sondern ganz bewusst auch absichtlich auf Konfrontationskurs zum simplen Wohlklang geht. Wenn mir jemand sagen will, dass etwas, was bewusst krasse Gegensätze schafft und miteinander vereint, mit einem mathematischen Modell gleichzusetzen ist, der scheint mir wenig Ahnung zu haben. Und so Sätze wie: "dann ist halt das Modell nicht gut genug" sind auch nicht zu gebrauchen. Was nicht geht, geht eben nicht. Ich zweifel ja auch nicht, die Thermodynamik sei unvollständig, weil sie kein perpetuum mobile erlaubt.