Uiuiui, das ist aber heftig viel zu lesen und zu "bearbeiten". Ich will mal im Kontrast zu Dir versuchen, einige wenige Zeilen zu jedem Abschnitt Deines Postings zu schreiben...
- Entstehungsgeschichte
Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob diese rückblickenden Betrachtungen den Leser irgendwie weiterbringen. Was bei mir hängen geblieben ist, ist die Tatsache, dass man heute gefährlich in einer Möbius Endlosschleife Musik produziert, bzw. in den Medien findet, die sehr wenig innovativ sind. Das ist so ein stromlinienförmiges Musikeinerlei, was stets gleich klingt. Das Radio ist voll davon. Die spielen halt nur Sachen, die die Hörer gern hören, statistisch gesichert - und damit verbleibt der Hörer und die Sendeanstalt in einer Blase, in einer Welt, die nichts Anderes zulässt, immer gefälliger und immer langweiliger wird. Tatsächlich kann einem Angst und Bange werden, wohin eine solche uninspirierte Medien- und Musiklandschaft führt. Musikredakteure und Produzenten, die hier ausbrechen, wären von Nöten - und damit unterscheidet sich unsere Zeit der 2020er von der Musik vor 50 Jahren. Die Analyse der "Marktfähigkeit" und Kapitalisierung der Musik greift aber zu kurz, wenn man sich lediglich über mutlose Redakteure und statistikfixierte Sendeanstalten mockiert. Tatsächlich beginnt der Einheitsbrei mit der Allgegenwärtigkeit vorproduzierter Sounds und Samples. Kaum jemand programmiert seine Synthesizer selbst, sondern nutzt die beigefügten Presets. Das ist halt bequemer. "Früher" musste man das selbst an der Hardware erledigen. Sind Gitarristen frei davon? Nein, ich glaube nicht. Sie wollen stets "amtlich" klingen, nutzen dafür ein ausgefeiltes Set an Pedalen oder solche Dinge wie den Kemper oder anderes Amp-Modelling. Es geht nicht mehr in erster Linie um den Song, sondern um den Sound. Das ist m.E. ein Kardinalfehler.
- Song-Talk
Wir sind ja schon mitten drin. Deine Aufnahme habe ich mir angehört und finde sie geschmackvoll, aber gleichzeitig auch wenig "interessant", entschuldige, wenn ich das so skizziere. Interessant ist meiner Empfindung nach etwas, was ich zweimal oder gar mehrfach anhören möchte, und obschon Dein Song mich nicht ermüdet hat, was angesichts von beinahe fünfeinhalb Minuten Spieldauer leicht hätte passieren können, motiviert mich keine der darin enthaltenen Passagen,
'Driving back home' erneut zu hören. Ich möchte an dieser Stelle mal im Kontrast dazu auf
'I want you - She`s so heavy' (Beatles/Abbey Road) verweisen. Das sind beinahe 8 Minuten Spielzeit und ich habe den Song bestimmt hunderte Male gehört. Aber ich will auch fair sein. Bestimmt willst Du nicht mit den Beatles konkurrieren und außerdem sind dort auch Vocals enthalten, selbst wenn sie sich inhaltlich immer wiederholen. Aber der Song lebt von Tempowechseln, Rhythmuswechseln, Themenwechseln, eingespielten Geräuschen und nutzt sogar die Monotonie als Stilmittel. Das ist für mich interessant. Und sicher war es damals immer noch ein Wagnis, mit einem solchen Konstrukt an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber die Beatles waren seinerzeit eh eine extrem kreative und verspielte eigenständige Nummer - und wer konnte sie jemals erfolgreich kopieren? Jeff Lynne vielleicht? Aber ich will nicht weiter spekulieren.
Übrigens finde ich es im Gegensatz zum Kommentar von Kollege
@adrachin durchaus legitim, auch Fade-Outs zu nutzen. Bei Dir passt das auch. Ich habe damit kein Problem. Mithin klingt
'Driving back home' für mich gut, jedoch fehlt für mich der "Aufhänger", weshalb ich mich auf längere Sicht an diesen Song erinnern soll. Aber ich denke, wir sind alle nicht frei davon, selbst bei technisch einwandfreien Produktionen diesen "Spark" nicht immer einpflanzen zu können. Mir geht es nicht anders und das ist aber auch der Antrieb, beim nächsten Song diesen "Spark" erneut einfangen zu wollen.
- Songentwicklung / -Arrangement / - Entwicklung
Manche Leute können ja tatsächlich Songs abschließen, wenn sie eine Woche daran gesessen haben, manch anderer schafft das bis zur eigenen Zufriedenheit sogar in wenigen Stunden. Du brauchst ca. 6 Wochen, aber ich wette, das ist kein fester Wert. Das kommt immer auf die Inspiration an, oder? Ich für meinen Teil beneide solche Leute, denn ich habe das Gefühl, meine Songs werden nie fertig. Manchmal bleiben sie monatelang liegen, dann habe ich eine neue Idee, die ich daran ausprobieren oder integrieren will oder auch ein (gefühlt) besseres Instrument einsetzen. Tatsächlich lerne ich immer noch an meinen Songs, obwohl ich beinahe seit Kindesbeinen an Songs schreibe - ich bin jetzt 64 Jahre alt. Leider wird die Entwicklungszeit mit zunehmender (persönlicher) Reife immer länger.
Songideen entstehen bei mir immer spontan. Früher nutzte ich die Gitarre, um damit herum zu probieren, heute sind das Keyboards und die Gitarre ist weit in den Hintergrund getreten. Da ich Titel immer wieder überarbeite, versehe ich die zunächst mit einem "Arbeitstitel (xyz)", der stets eine Momentaufnahme ist und füge dann Versionsnummern an. Das Wort "Arbeitstitel (xyz_v-nr)" erscheint immer, so lange ich noch keinen Text geschrieben habe oder die Thematik noch nicht klar ist. Wie gesagt, meine Ideen basieren zum Großteil auf Spontaneinfällen. Anstatt mich auf Akkordprogressionen zu konzentrieren, mache ich mir einfach nur Gedanken, ob ich einen Spannungsbogen realisieren kann. Wie, das ist mir egal. Es muss sich gut anfühlen/anhören und darf nicht langweilig sein.
Ich arbeite nicht linear. Das bedeutet, dass es Segmente im (neuen) "Arbeitstitel" gibt, die sehr löchrig klingen und andere Parts sind schon mit Vocals oder Gitarren versehen. Das ist Intuition. Die Drumspur ist allerdings im Groben schon früh unterlegt und entstammt der riesigen MIDI-Groove Library meines
Addictive Drummers von XLN-Audio, wovon ich die höchste Ausbaustufe (Complete Collection) nutze. Im Zuge des Arrangements werden die einzelnen MIDI-Sequenzen angepasst und lebensechte Übergänge und Variationen geschaffen. Von den verwendeten MIDI-Grooves für die Drums abgesehen loope ich sehr wenig bis nichts, weil ich glaube, dass dies der Dynamik und Entwicklung im Song schadet.
Eine Eigenheit findet sich bei mir jedoch seit geraumer Zeit immer wieder: In Songs mit Vocals nerve ich einen früheren Ex-Arbeitskollegen, der mir hinsichtlich authentischer Sprache (Native Speaker Amerikanisch) helfen kann.
- Akkordprogression / verwendete Skalen und modale Formen für das Solospiel
Oh je, das macht mir Angst.
Ich gehe da komplett anders ran, aber bitte nicht lachen... Ich singe meine Gitarrenparts auf eine Pilotspur.
Das geht schnell, ist intuitiv und darf ruhig unsauber sein. Mir kommt es nur auf den groben Fahrplan an, den ich dann auf einer später hörbaren Spur in eine Version für Gitarre umsetze, auf der dann gewisse spezifische Feinheiten realisiert werden können, die eben nur auf der Gitarre gehen und nicht mit meiner in dieser Hinsicht begrenzten Krächzstimme.
Hey, ich war vor Jahrzehnten auf dem Instrument nicht der Schlechteste, aber meine Ambitionen kreisen nicht immer um die Gitarre. Wieso auch? Soli kann man genauso gut für Orgel oder Keys konzipieren. Und das Schöne dabei: auch für Bläser kann ich mir vokal irgendwas ausdenken. Nur darf man solchermaßen entstandene Pilotspuren niemandem vorspielen, denn dann glauben diese Hörer, man hätte sie nicht mehr alle an der Latte.
Aber das Konzept funktioniert. Sogar sehr gut.
Weiterhin gibt es noch eine andere Arbeitsweise, wie ich an die Takes komme, wie ich sie mir vorstelle: Vor geraumer Zeit habe ich mir mal Gitarristen gemietet, die mir Tracks nach meinen Vorstellungen eingespielt und auf Stems zugestellt haben. Doch leider wurde daraus nichts, denn ich empfand solche Gitarrenarbeit unbefriedigend und uninspiriert. So etwas wie es fast jeder spielen kann, der tägliche Übung hat. Nee, das war nichts. Ich habe alle Spuren in den Müll geworfen. Ist vielleicht auch besser so. Funktioniert hat das mal mit einer Sängerin aus London, die ich für ein Duett brauchte. Aber das war eben auch keine Gitarre, sondern ein Vocal Track. Der konnte ich alles in allen Stimmen auf einem Set an Pilotspuren vorsingen und gab ihr auch die Freiheit, eigene Varianten auszuprobieren. Ich bekam eine Menge Spuren/Stems zurück und fast alles war nutzbar. Was nicht "perfekt" ausgeführt war, habe ich durch kreative Schnitte "perfekt gemacht". Aber ich denke, wir sind hier schon beim nächsten Thema, nämlich
- Recording-Gitarren / Signalkette und Amp-Settings
Ich möchte das Kapitel mit den Gitarren beginnen, wie Du es getan hast, obwohl man diesen Ansatz natürlich breiter aufstellen müsste.
Vor 40 Jahren habe ich mal live gespielt (Gitarre), dann während des Studiums habe ich mangels Bandkollegen angefangen, aufzunehmen.
Seinerzeit auf Tonband natürlich. Daraus entwickelte sich meine Vorliebe für Recording. Live oder Band reizt mich nicht mehr. Entsprechend stehen mir für ein ordentliches Recording einige Gitarren zur Verfügung, nein, besser Saiteninstrumente, denn gelegentlich kann man auch mal eine Mandoline oder eine Ukulele gebrauchen. Aber Gitarren habe ich mir immer im Hinblick auf den unterschiedlichen "Kernklang" angeschafft.
Eine Steel-String Akustik:
Epiphone 1964 Texan Ltd. Ed.
Eine recht seltene Solidbody mit noch selteneren PickUps:
modifizierte/gepimpte Cimar Les Paul
Einmal Strat-Sound:
Fender Classic Player 60s
Eine hölzern klingende Semiresonanz mit 60er/70er Flair:
Epiphone Casino & Bigsby
Damit bin ich für "typische" Gitarren bedient, verfüge aber noch über zwei
12-Strings:
- Solidbody Weller 12-String
- Semiresonanz Düsenberg Double Cat 12
Zwei Bässe kommen noch hinzu:
Akustik Höfner Jumbo 5-String
Ibanez ATK300 Solidbody 4-String
Wesentlich umfangreicher ist das Arsenal an Keyboards und Hardware, was der Interessierte/die Interessierte aber über die Informationen in meinem Profil einsehen kann. Ich frage mich aber an dieser Stelle auch, ob es Sinn macht, darüber zu dozieren, warum ich sowohl halbgewichtete Tasten als auch Hammermechaniken als Eingabemedium nutze. Das hat einfach mit dem Spielgefühl zu tun, ob ich Klaviersounds/E-Pianos nutzen will oder Synthesizersounds. Für erstere brauche ich die Hammermechaniken (Roland A-88), für den Rest reicht mein Novation 61 SL MkII - Controller.
Aber zurück zu den Gitarren. Die werden, von den akustischen Instrumenten mal abgesehen, alle über DI, bzw. einen PreAmp (
ART Digital MPA II) eingespielt und nachträglich mit den AmpSims oder Effekten verändert, die mir gefallen. Letztlich hängt das aber auch damit zusammen, dass ich es mir in meiner Dachwohnung nicht leisten kann, die halbe Stadt oder zumindest die Hausbewohner durch hohe Lautstärke am Verstärker zu verärgern. Dass es dennoch gut klingt, realisiere ich mittels der Software von Positive Grid (sowohl
Bias FX2 als auch
Bias Amp2) oder wahlweise auch anderen AmpSims, aber Bias FX2 nutze ich von den wenigen Malen am Häufigsten. Allerdings verwende ich zwei unterschiedliche Signalketten: einmal, um das Gitarrensignal trocken einzuspielen (und später mit besagten Tools zu verändern) und eine analoge Signalkette, die mir per Kopfhörer vorspiegelt, ich hätte bereits passende Gitarreneffekte aktiviert. So verwende ich auch einen Hardware
AmpSim sowie Hardware Kompressor/Limiter (Symetrix 525) und Hardware FX (ART Multiverb), die in meinen 19" Rollwagen eingebaut sind.
Falls nötig, verfüge ich noch über zwei (nur 2? kann man`s glauben?) kleine Hardware Effektpedalchen von Mooer (Yellow Comp und Hustle Drive) für mehr Sustain und "dedicated" Verzerrung.
- Recording /Mixing /Mastering
Vorneweg: Ich mastere nicht, das macht dieses Kapitel vielleicht ein bißchen kürzer. Ich mixe bislang nur. Ich nenne das
Rough Mixes. Aber in der Regel klingt das schon ganz brauchbar. Und ich träume immer davon, mal "fertig zu werden", so dass ich meinen Kram an ein qualifiziertes Mastering Studio abgeben kann.
Von meinen Tonbandgeräten habe ich mich vor etwa 10 Jahren verabschiedet, die stehen jetzt
in einer beleuchteten Schauvitrine. Ich nenne sie liebevoll "mein Museum". Aber für`s aktuelle Recording verwende ich
Reaper. Ich habe zuvor mit Samplitude, mit Cubase und mit dem Notator SL (woraus im Laufe der Zeit Logic wurde) gearbeitet. Notator SL noch in den Anfangstagen des Harddisc-Recording am Atari.
Sodann ging`s mit Samplitude weiter, und Cubase habe ich nach kurzer Zeit verworfen, bzw. wieder verkauft, weil man damit nicht intuitiv arbeiten konnte. Viel zu sperrig. Daher bin ich großer Fan von Reaper geworden. Aber jeder hat seine Vorlieben, ich will hier keinen Glaubenskrieg vom Zaune brechen.
Zum Recording gibt es unglaublich viel zu erzählen, bzw zu schreiben. Ich denke aber, keiner wird meinen jetzt schon ausgeuferten Sermon lesen wollen, wenn ich jetzt auch noch episch mit dem Thema Recording das Musiker-Board flute.
Ich halte mich also an die Kürze des Kollegen
@wolbai .
Obschon ich über mehrere Outboard-Racks mit Hardware verfüge, arbeite ich bislang nur Inboard. Aber ich habe durch meine - zugegebenermaßen - veraltete 10-Kanal Interface-Karte die Option diverse externe Hardware einzubinden, Vintage Instrumente, Keys und Expander, sowie Effekte im 19" Format. Da es aber überaus leicht ist, "in-the-box" zu produzieren, ist dies meine bevorzugte Arbeitsweise. Im Gegensatz zum Kollegen
@wolbai gibt es bei mir keine Bevorzugung von Tools. Die sind einfach ihrer Funktion nach sortiert und "katalogisiert", so dass ich immer das finde, was ich suche. Manch einer hat unheimlich viele Freebies an Bord oder billige Software. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Masse mir nicht hilft, sondern nur Qualität. Daher habe ich im Laufe der Zeit ein Vermögen für die verschiedensten Tools und VSTi ausgegeben, aber mich stets bemüht, die Zeiten von Sonderangeboten oder Deals abzuwarten, wo man dann oft mit 80% Rabatt zuschlagen darf. Nicht immer, aber manchmal.
Zu meinen Lieblings-VSTi zählen alle Produkte von
Pianoteq, die großartigen Models von
AAS und der unumgängliche
KONTAKT Sampler von Native Instruments, weil man nur hierüber Zutritt zur Arche Noah an Instrumenten von Drittanbietern eröffnet bekommt.
Lassen wir`s hiermit genug sein. Ist ja schon viel länger geworden als ich dachte. Viiieel länger!