Hi,
den Widerwillen, der hier gegen schriftliche Verträge geäußert wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Schriftliche Vereinbarungen sind kein Zeichen von Misstrauen, sondern schaffen Klarheit und vermeiden Streit. Schon bem Formulieren macht man sich dadurch viel mehr Gedanken über die eigenen Vorstellungen und Erwartungen, also redet man über diese Dinge auch mit dem anderen, was bestimmt kein Fehler ist. Und natürlich ist es schon etwas anderes, ob es sich um sehr simple Geschäfte handelt oder um ein Verhältnis, bei dem es zum einen um über 1.000 € im Jahr geht und es sich zum anderen aufdrängt, dass auch ein paar Einzelheiten zu klären sind, wie eben der Ausfall von Stunden. Schon klar, dieser Aspekt kann auch umschlagen, wenn einer 5 Seiten Kleingedrucktes produziert - aber eine klare und faire Abmachung zu den wesentlichen Fragen kann man fast zu jedem Thema auf einem Din A 4-Blatt unterbringen.
Vor allem aber verstehe ich den Lehrer nicht, dessen Verhalten ich als sehr unprofessionell empfinde. Wer so etwas als Beruf betreibt, sollte nicht nur beim Unterrichten einen Plan haben, sondern auch kaufmännisch seriös agieren. Da ist es doch nicht zu viel verlangt, wenigstens ein Formular zu erstellen, in dem man ein paar Sachen eintragen oder ankreuzen kann und in dem für den Schüler alles nachvollziehbar erklärt ist. Und jetzt läuft er Gefahr, einen Schüler zu verlieren, weil er das nicht getan hat.
Den Standpunkt, dass hier irgendetwas "selbstverständlich" sei, teile ich nicht.
Ganz sicher ist der Vergleich mit einem Arbeitnehmer abwegig, der ja auch bei Krankheit und Urlaub bezahlt wird. Der hat nämlich nur einen einzigen Auftraggeber, von dem er persönlich abhängig ist. Deshalb wurden zu Urlaub und Lohnfortzahlung ja auch Gesetze speziell für diese Gruppe geschaffen. Der Lehrer ist nicht von einem Einzelnen abhängig, sondern insgesamt von seinem Erfolg am Markt.
Soweit beim Stundenlohn schon der Vergleich zum Handwerker gezogen wurde, so ist der auch in anderer Hinsicht viel naheliegender, denn den bezahlt man ja auch nur für die geleisteten Stunden. Da würde ich mich schön bedanken, wenn ich den Typen, der meine Waschmaschine repariert hat, während seines Urlaubs weiterbezahlen müsste. Und das gilt selbst dann, wenn es um einen Hausbau geht, bei der der Handwerker womöglich über einen längeren Zeitraum immer wieder kommt.
Überhaupt wurde in der Diskussion alles munter durcheinandergeworfen - eine Musikschule ist eben auch wieder etwas anderes. Zwar ruft man auch hier eine Dienstleistung ab, aber man begibt sich in einen organisierten Bereich mit vielen Personen auf beiden Seiten, oft wird es sogar als "Mitgliedschaft" bezeichnet. Bei größeren Organisationseinheiten mit eigenen Gebäuden etc. gibt es eben erhebliche Fixkosten, und die sollen dadurch gedeckt werden, dass die Schüler regelmäßig das ganze Jahr über zahlen. Und da fällt die Katze wieder auf die alten Füße - selbst dort nimmt das nämlich niemand einfach als gegeben hin, sondern der Schüler bekommt immer einen Vertrag und evtl. noch AGB in die Hand gedrückt, und so weiß er das alles vorher.
Damit man mich nicht falsch versteht: es ist in meinen Augen durchaus legitim, wenn ein Gitarrenlehrer einen festen Monatsbetrag ausmacht, aber das muss dann auch klar geregelt sein. Stunden können aus verschiedenen Gründen ausfallen, und nicht jeder Grund wird dem Schüler gleich verständlich erscheinen. Da kann man ja durchaus reinschreiben, ob welche nachgeholt werden können. Es sollte auch geklärt sein, ob es eine Kündigungsfrist gibt usw., das ist alles eben nicht selbstverständlich.
Fazit: Vertrag kommt von "sich vertragen". Und umgekehrt.
Gruß, bagotrix