Sehr mutig wäre es gewesen, die HK um rund 0,05 k gegen eine Custom Shop um knapp 5 k zu vergleichen. Das hätte dem musikalischen Wahnsinn die Krone aufgesetzt!
Ich möchte jetzt nach Veründigung des Ergebnisses zur eigentlichen Fragestellung von The_Dark_Lord, seines Zeichens Threadersteller, zurückkommen:
Mit welcher Rechtfertigung kosten Gitarren von Fender/Gibson/... so viel mehr als auf den ersten Blick identische Modelle von Squier/Epiphone oder gar "China-Marken"?
Die Antworten wurden schon vielfach diskutiert, im Großen und Ganzen kommt man auf drei Antworten:
-Die Produktionskosten sind niedriger, deshalb niedrigerer Preis
-Teure Gitarren spielen sich besser
-Teure Gitarren klingen besser
Schauen wir uns die vorgeschlagenen Antworten im Detail mal an:
A) Teure Gitarren klingen besser
Nun ich denke, es hat sich gezeigt, dass man »billig« und »teuer« nicht hören kann. Ob der wahrgenommene Klang einem
subjektiv billig oder teuer vorkommt, ist reine Interpretation auf Basis des eigenen Geschmacks und der eigenen Vorlieben. Sehr gut haben mir die Zitate von jenen gefallen, die sich soweit hinausgelehnt haben, die Fender mit »billig« herauszuhören. Das ist
objektiv daneben gegangen.
B) Produktionskosten
Wenn jemand eine teure Gitarre kauft um damit einen Hersteller wirtschaftlich zu unterstützen, der beispielsweise nicht in Billiglohnländern oder mit heimischen Hölzern baut, dann ist das eine gute Einstellung. Solche edlen Motive findet man selten. Insbesondere in einer Gesellschaft, die einen dazu treibt, sich selbst gegen andere zu behaupten.
C) Teure Gitarren spielen sich besser
Ein wundervoll subjektives Argument, das als letztes bei Diskussionen überzubleiben scheint. Dieses Argument kann in einem Forum niemand widerlegen oder in Frage stellen. Aussagen über die Haptik entziehen sich jeder Objektivierung, wenn man sich nicht auf einen Blindtest im Spielen einläßt. Und das geht nun mal in einem Forum nicht.
Ist eine Custom Shop besser zu spielen als eine Signature, eine Signature besser zu spielen als eine MIA, eine MIA besser zu spielen als eine MIM, eine MIM besser zu spielen als eine Squier und eine Squier besser als eine Billiggitarre einer anderen Marke wie die HK? Ist der Unterschied zwischen einzelnen Stratmodellen in der Regel nicht viel geringer als wenn man zwischen einer Strat, einer Les Paul, einer ES 335, einer Konzertgitarre, einer Westerngitarre und dann noch auch zwischen unterschiedlichen Bässen wechselt? Muss man denjenigen, die mit Billigklampfen super zurecht kommen, nicht höchstes Lob und größe Anerkennung für ihre Leistung aussprechen, mit unspielbarem Krempel mit beneidenswerter Leichtigkeit coole Musik machen zu können?
Meiner Meinung nach kommt man mit den drei angebotenen Antworten von The_Dark_Lord, seines Zeichens Suchender nach einem Erklärungsmodell zur Rechtfertigung von Kaufentscheidungen, auf keinen grünen Zweig. Darum poste ich einen anderen Ansatz, der hoffentlich mehr Licht ins Dunkel bringt:
Das Einstellungsmodell
Unter Einstellung zu einem Hersteller oder einer Marke versteht man die gelernte und stabile Bereitschaft eines Gitarristen, sich gegenüber diesem Instrument konsistent positiv oder negativ zu verhalten. Die persönliche Einstellung drückt aber auch die Equipmentbewertung auf Grund von Produktwissen, also auf Grund sachhaltiger, objektiv nachprüfbarer Informationen - sog. Denotationen - aus. Das Einstellungsmodell ist also dann von Bedeutung, wenn der Gitarrist in der Lage ist, die einzelnen Gitarren-, Verstärker- und Effekt-Marken anhand objektiver Equipmenteigenschaften zu unterscheiden.
Dieses Experiment hat gezeigt, dass mindestens ein Drittel das Modell nicht anhand des Klanges erkennen können. Wieviele geraten haben und dabei Glück hatten, darüber wissen wir nichts. Dieses Experiment zeigt auch nicht, wieviel Prozent der Teilnehmer die beiden Modelle hinsichtlich der Haptik im Blindtest zu unterscheiden vermögen.
Das Imagemodell
Ein Gitarrist entscheidet beim Kauf nach dem Imagemodell, wenn er nicht fähig ist, seine Lieblingsmarke im Blindtest zu identifizieren. In diesem Fall reichen die objektiv nachprüfbaren Equipmenteigenschaften bzw. beschaffenheiten nicht aus, die einzelnen Gitarrenmarken voneinander zu unterscheiden. Die Entscheidung erfolgt daher anhand des Images, das sich der Gitarrist von dem Equipment macht. Statt Produktwissen wie beim Einstellungsmodell - beeinflusst die Markenbekanntheit und die subjektiv empfundene Coolness des Instruments das Image. Instrumentenhersteller bauen darum Custom Shop Modelle und Signature Modelle und statten nachahmenwerte Stars mit teuren Spezialanfertigungen aus, um über diese Testimonials an das Geld der jubelnden Fangemeinde zu gelangen. Gitarristen, die nach dem Imagemodell kaufen, sonnen sich in der Vorstellung, ihren Stars nun ein Stück ähnlicher und näher gerückt zu sein. Image ist im Vergleich zu einer produktwissenbasierenden Einstellung ein emotionales Vorstellungsbild, das auf Assoziationen und gefühlshaften Anmutungen - sog. Konnotationen - beruht.
Das Modell der kognitiven Dissonanz
Das Modell der kognitiven Dissonanz bringt eine Erklärung des Gitarristenverhaltens in der Nachkaufphase, also als stolzer Besitzer und Beitragsschreibender im Musiker-Board. Kognitive Dissonanz bezeichnet einen unangenehmen Spannungszustand, der aufgrund eines Widerspruchs zwischen kognitiven Elementen zustande kommt. Sehr häufig erlebt der Gitarrist bei seinen Kaufentscheidungen einen Konflikt. Da ist »billig« versus »teuer« nur eine Spielform davon. Man hat die Auswahl zwischen vielen Gitarren, vielen Verstärkermodellen, vielen Effekten und muss sich für eine der angebotenen Alternativen zur Bildung seines Sounds entscheiden. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die anderen Möglichkeiten, die zweifelsohne auch Vorteile bieten und ihre Daseineberechtigung haben, abgelehnt werden. Oder man läßt sich zu GAS zum Quadrat einheizen und wird zum rastlosen Fliegenden Holländer, der nie Sättigung und Zufriedenheit mit seinem Equipment erreicht.
Der Konflikt ist mit der Kaufentscheidung nicht ausgestanden. Das Wissen um die Vorteile der ausgeschlagenen Möglichkeiten steht im Widerspruch zur Kaufentscheidung besonders wenn man im Musiker-Board regelmäßig darauf hingewiesen wird. Oder die eigene Marke wieder mal in den Boden getreten wird. Besonders hart ist es, wenn die eigene Kaufentscheidung durch den Kakao gezogen wird. Wer glaubt, mit teurem Equipent besser spielen zu können als mit billigem, wir sehr oft mit der Realität konfrontiert, das das nicht so ist. Wer im Gegenzug neidig auf andere ist, die sich teures Equipment leisten können, wird viele Beiträge und Fotos hier im Board finden, die ihm Anlass geben, die eigene kognitive Dissonanz gefühlsuntermahlt zum Ausdruck zu bringen.
Die kognitive Dissonanz ist umso stärker, je wichtiger und je unsicherer die Entscheidung ist, d.h. je größer
- Ego-Involvement und
- Commitment
sind
und je geringer der
- Differenzierungsgrad der Einstellungen und Präferenzen vor dem Kauf war.
Plump gesagt kann man aufgeblasene Egos, die lautstark mit ihrem neuen Equipment auf den Putz hauen, ohne viel Ahnung zu haben, besonders leicht verunsichern, was dazu führt, dass die Equipment-Investitionen von diesen dann besonders leidenschaftlich und hartnäckig gerechtfertigt werden. Menschen mit großem Commitment zu ihrem Equipment kann man andererseits besonders leicht beleidigen und verletzen. Eine große Spielwiese der Eitelkeiten, die dank der MODs hier in mühevoller Kleinarbeit immer beaufsichtigt und betreut werden muss.
Mein Fazit
Wie auch immer jemand begründet, für eine Custom Shop das 100fache einer Billigmarke zu löhnen, es wird sich kein objektives Produkt-Kriterium finden lassen, das diesen Wahnsinn rechtfertigt. Wenn man nicht bereit ist, durch die extrem coole Image-Brille zu gucken, das diese Axt für denjenigen irgendwie voll geil sein muss. Man sollte sich entspannt die Freiheit nehmen, nicht alles objektiv erklären, nachempfinden oder gar vestehen zu müssen. Man sollte von der Freiheit gebrauch machen, Dinge nicht zu begreifen, für sich selbst nach eigenem Belieben zu entscheiden und sich nicht von anderen Meinungen oder gar frustigen Besserwissern das eigene Equipment schlecht reden lassen.
Danke an The_Dark_Lord für den Beitrag
und allen fürs Mitraten
bzw. objektiv erkennen.