Zwei Arten von Passagi bei Frauenstimmen?

  • Ersteller Strato Incendus
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@ broeschies: Jetzt ist halt die Frage, was ist Twang für dich? Eine komplette Einstellung samt entstehendem "Quäksound" oder ein isolierter physiologischer Vorgang?
Die wichtigen Vorgänge die Twang für mich beinhaltet sind wie schon gesagt eine Verengung des letzten Stück Ansatzrohres, die Adduktion der Stimmlippen und das leichte Steigen des Kehlkopfes. Der physiologische Vorgang ist natürlich ungleich komplexer. Da sind noch die Stellknorpel im Spiel, die Stellknorpelzwischenmuskulatur und und und... Das kann man ja beliebig weit aufdröseln. Aber die drei genannten Punkte haben für mich gesangliche Relevanz.

Die Besonderheit der AES-Verengung ist halt, dass sie charakteristisch für Twang ist, d.h. WENN der AES verengt ist, DANN ist auf jeden Fall Twang im Spiel. Im Gegensatz dazu kann z.B. ein erhöhter Kehlkopf auch aus anderen Gründen entstehen. Zudem kann dem steigenden Kehlkopf durch das aktive Absenken desselbigen entgegengewirkt werden, was bedeutet, dass ein insgesamt tiefer Kehlkopf (z.B. in der Klassik) kein Zeichen dafür ist, dass NICHT getwangt wird. Genau genommen würde die AES-Verengung also für die Definition von Twang ausreichen, was aber noch lange nicht heißt, das nicht noch andere gesanglich relevante Vorgänge damit einhergehen.

Zudem ist Twang für mich kein AN/AUS Zustand, sondern ein Kontinuum. Im oberen Bereich des Kontinuums entsteht der "Twang-Sound". Zudem steigt im oberen Bereich des Kontinuums der Kehlkopf so stark, dass es nicht mehr möglich ist, dem durch "Larynx Control", also dem aktiven Absenken des Kehlkopfes entgegenzuwirken. In diesem Fall verkleinert sich dann das Instrument.
 
Also demnach ist Twang irgendwie alles. Kein Wunder, dass du ihn ständig ins Spiel bringst. ;) Er ist dir zufolge eigentlich ein Zusammenspiel aus mehreren Vorgängen, aber die müssen nicht zwangsläufig alle auftreten, weil sie ja auch aktiv kompensiert werden können. Er hat einen charakteristischen Klang, aber dem kann man entgegenwirken. Er ist eigentlich über den ganzen Stimmumfang anwendbar, aber nicht überall hörbar.


Ich bleibe dabei: entweder es ist ein klangliches Phänomen oder ein spezifischer physiologischer Vorgang. Aber zu sagen, es ist eine Kombination aus physiologischen Vorgängen, deren Einzelteile aber unterdrückt werden können, weswegen es mal nach Twang klingt und mal nicht aber dennoch immer Twang ist, ist mir zu zusammengepuzzlet / hingebogen. :nix:
 
Also demnach ist Twang irgendwie alles. Kein Wunder, dass du ihn ständig ins Spiel bringst. ;) Er ist dir zufolge eigentlich ein Zusammenspiel aus mehreren Vorgängen, aber die müssen nicht zwangsläufig alle auftreten, weil sie ja auch aktiv kompensiert werden können. Er hat einen charakteristischen Klang, aber dem kann man entgegenwirken. Er ist eigentlich über den ganzen Stimmumfang anwendbar, aber nicht überall hörbar.


Ah, jetzt versteh ich: "Twang" ist ein Synonym für "Gesang".
Na dann....
 
Also demnach ist Twang irgendwie alles. Kein Wunder, dass du ihn ständig ins Spiel bringst. ;) Er ist dir zufolge eigentlich ein Zusammenspiel aus mehreren Vorgängen, aber die müssen nicht zwangsläufig alle auftreten, weil sie ja auch aktiv kompensiert werden können. Er hat einen charakteristischen Klang, aber dem kann man entgegenwirken. Er ist eigentlich über den ganzen Stimmumfang anwendbar, aber nicht überall hörbar.


Ich bleibe dabei: entweder es ist ein klangliches Phänomen oder ein spezifischer physiologischer Vorgang. Aber zu sagen, es ist eine Kombination aus physiologischen Vorgängen, deren Einzelteile aber unterdrückt werden können, weswegen es mal nach Twang klingt und mal nicht aber dennoch immer Twang ist, ist mir zu zusammengepuzzlet / hingebogen. :nix:

Das Problem ist halt: So etwas wie isolierte, spezifische physiologische Vorgänge gibt es nicht, weil einfach zu viele Dinge physiologisch in Wechselwirkung stehen. Wenn man jetzt z.B. Twang einfach nur gleichsetzen würde mit der AES-Verengung, würde das bedeuten, dass es z.B. problemlos möglich sein müsste, den Kehlkopf als Mann auch in den höchsten Lagen der Randstimme noch klassisch zu senken ohne dabei ins hauchige Falsett abzurutschen. Was wäre z.B. deine Erklärung dafür, dass Männer zwar in der Lage sind mittels Twang auch in der hohen Randstimme nicht hauchig zu werden, aber trotzdem den Kehlkopf nicht mehr klassisch absenken können?

Physiologische Vorgänge sind nun mal komplex und man kann sie, wenn man will, bis ins kleinste Detail aufdröseln und wäre wahrscheinlich immer noch nicht am Ende. Etwas mit einem Schlagwort wie "Twang" zu bezeichnen beinhaltet deshalb immer eine gewisse Generalisierung oder Vereinfachung, die bei der Beschränkung auf die in einem bestimmten Kontext als wichtig erachteten Elemente beginnt und bei einer Beschränkung auf die rein äußerliche Erscheinung endet.

Bei Estill wird dabei ein aus meiner Sicht sehr pragmatischer Weg gegangen, indem man sich beschränkt auf den Teil physiologisch komplexer Aktionen, der in irgendeiner Weise diskret wahrnehmbar ist und über den dadurch möglicherweise eine aktive Kontrolle erlernt werden kann. Daraus entstehen dann bei Estill die "figures".

Wenn diese "figures" wirklich isolierten physiologischen Einzelaktionen entsprechen würden, wäre es möglich diese in beliebiger Zusammensetzung zu kombinieren. Wie aber in obigem Beispiel erwähnt, sind z.B. die figures "AES-Control" und "Larynx-Control" nicht in beliebigem Maße kombinierbar, weil eine Wechselwirkung zwischen ihnen besteht.
 
Das ist mir vollkommen klar, das ist auch meine Kritik am Estillkonzept, dass es so tut, als sei Singen ein "Baukasten" aus Figures.

Aber das macht es dennoch nicht weniger "hingebogen" zu sagen: "das und das ist immer Twang, aber manchmal kann man den Kehlkopf dabei senken und manchmal nicht". Alles so argumentiert, dass es halt irgendwie noch passt und für jede Ausnahme wird halt noch ne Erklärung dazugefügt. Estill ist wenigstens insofern in sich konsistent, als dass sie sagen: es gibt die und die Einzelvorgänge und es gibt bestimmte Kombinationen dieser Einzelvorgänge, die dann in einem bestimmten Klang resultieren. Aber mit einem Konstrukt, das irgendwie dazwischen liegt, kann ich nichts anfangen, weil das immer irgendwie angepasst werden muss.


Und immer und immer wieder: es gibt eben auch eine terminologische Entstehungsgeschichte, die man nicht einfach ignorieren kann. Zuallererst war "Twang" ein Klang. Punkt. Dann erst wurde eine physiologische Erklärung drüber gestülpt.

Das Wort wird ja auch für Instrumente benutzt. Allein wenn man das in Betracht zieht, sollte man sich fragen, wie sinnvoll eine anatomische Erklärung für etwas ist, das auch eine Gitarrenseite kann.
 
Irgendwie frag ich mich, wie man überhaupt so genau (angeblich) von diesen detailierten physiologischen Vorgängen wissen kann? Meines Wissens gibt es da keine großangelegten Studien, die mit SängerInnen durchgeführt worden wären, oder liege ich da falsch? Wie soll man außerdem herausbekommen, was genau welche Muskeln beim Twang (oder überhaupt beim Singen) machen? Kann es nicht vielleicht auch sein, daß das alles reine Theorie ist? So wie die Theorie, der Mond könne entstanden sein, weil die Erde mit einem anderen Planeten einen Zusammenstoß hatte. Kann sein kann sein auch nicht. (Darüber kam gestern grad ne Doku).

Und zweitens: Was bringt das ganze Gedöns uns SängerInnen bzw. den GesangsschülerInnen? Letztendlich muss sich jemand, der es erlernen will ja doch am Klang orientieren, sowie daran, wie sich die Produktion dieses Klanges für ihn oder sie anfühlt. Hinzu kommt, daß man manches eben nicht umsetzen kann, wenn dafür die Voraussetzungen fehlen und es kein Fundament gibt auf dem man aufbauen könnte.

Auf der anderen Seite gibt es Talente, die singen einfach, hören sich ihre Vorbilder an, imitieren, bringen Eigenes ein und machen sich nie einen Kopf über Theorie. Bell hat es ja auch schon angesprochen. Und ich schätze mal, viele von uns haben genau so angefangen mit dem Singen. Als ich zu meiner ersten Gesangslehrerin gegangen bin hatte ich schon Band-, und Ensembleerfahrungen. Und von "Twang" hab ich bis vor wenigen Jahren noch nie was gehört. Wie kann es sein, daß ich trotzdem singen konnte?
 
Wie kann es sein, daß ich trotzdem singen konnte?

Weil du es einfach getan hast. Weil es dir ein Bedürfnis war. Weil du musikalisch warst. Weil du viel Musik gehört hast. Weil du anderen Sängern zugehört hast. Weil du auch eine eigene Klangvorstellung hattest.

So habe ich auch angefangen. Ich sang schon längst in Bands und war auch schon oft aufgetreten, als ich mich entschloß, die Stimme ausbilden zu lassen. Ich wollte mehr Höhe, ich wollte nicht mehr heiser sein. Zum Glück habe ich mir Estill & Co. nicht antun müssen, das hätte mir die Freude am Singen gründlich verleidet.
Nichts gegen Forschung ! Und nichts gegen Fortbildung. Aber ich finde schon die Terminologie so aufgeblasen und wichtigtuerisch, daß ich meine Skepsis einfach nicht loswerde.
 
Weil du es einfach getan hast. Weil es dir ein Bedürfnis war. Weil du musikalisch warst. Weil du viel Musik gehört hast. Weil du anderen Sängern zugehört hast. Weil du auch eine eigene Klangvorstellung hattest.

Ja, das stimmt. Es war mir ein Grundbedürfnis und ich hatte das Glück auch Talent zu haben und Bestätigung zu bekommen. Natürlich gibt es auch viele Menschen, die singen wollen, denen das Talent dazu jedoch fehlt. Man kann es auch lernen, jedoch bezweifle ich sehr stark, daß die ganze Theorie solchen Menschen tatsächlich nützt. Nur für LehrerInnen ist es interessant.



Zum Glück habe ich mir Estill & Co. nicht antun müssen, das hätte mir die Freude am Singen gründlich verleidet.
Nichts gegen Forschung ! Und nichts gegen Fortbildung. Aber ich finde schon die Terminologie so aufgeblasen und wichtigtuerisch, daß ich meine Skepsis einfach nicht loswerde.

Das geht mir genau so. Wie ich schon öfter sagte, bin ich im Nachhinein froh darüber, daß ich mich aus mir selber heraus als Sängerin entwickeln konnte. Als ich noch nicht belten konnte ist zum Glück niemand gekommen, der wohlmeinend gesagt hätte: Mach doch mal mehr "Twang", dann klingt es poppiger.... Das hätte mich ganz schön rausgebracht. Ich habe immer so gesungen, wie ich es konnte. Und ja auch früh begonnen, eigene Songs zu schreiben und zu singen. Auch das befreit von (eventuell falschen) Vorgaben und Klangidealen, die für die eigene Stimme (noch) ungeeignet sind. Mein zunehmendes technisches Können habe ich dann nach und nach eingefügt, so wie es halt verfügbar und umsetzbar wurde.

Ich denke, es ist sehr wichtig, Talente nicht zu stören. Wenn eine Schülerin Talent hat und sich vorstellen kann, wie sie an einer bestimmten Stelle klingen möchte, dies aber nicht umgesetzt bekommt helfe ich ihr dabei, diesen Klang zu finden. Ob das dann Twang heisst oder Belt oder wie auch immer ist dabei doch total egal. Es muss für diese Schülerin umsetzbar sein und nichts weiter.

Leute mit mäßigerem Talent müssen natürlich grundlegender anfangen. Aber in vielen Fällen müssen dann auch Grenzen der Machbarkeit akzeptiert werden. Herauskommen soll MUSIK, Ausdruck und Authentizität. Das alles bemisst sich ausschließlich individuell an den Möglichkeiten einer bestimmten Sängerin oder eines Sängers. Nur dann kann es begeistern. Da geht es dann auch nicht um irgendwelche technischen Raffinessen, die am Ende derjenigen Stimme gar nicht stehen und ihr nicht helfen, musikalisch zu singen.
 
Natürlich ist es für die Praxis überhaupt nicht wichtig, diese ganzen physiologischen Grundlagen zu kennen, und natürlich sind die auch noch nicht bis zum letzten Detail erforscht. Es gibt immer nur so etwas wie den "Stand der Wissenschaft", das ist in anderen Bereichen ja nicht anders. Dazu gehört halt auch, dass sich Definitionen von Fachbegriffen über die Zeit ändern können oder, dass neue Fachbegriffe entstehen.

Im konkreten Fall ist es sogar überhaupt nicht wichtig, ob Strato den Begriff Twang jetzt physiologisch oder lautmalerisch versteht, denn auch durch Imitation der typischen Twang-Geräusche kann man das erlernen, was ich eigentlich vorschlagen will, nämlich die Adduktion der Stimmlippen. Wenn man vom Nachahmen der Twang-Geräusche dann wieder zum "normalen" Singen übergeht, hat sich der Mechanismus evtl. ins Muskelgedächtnis eingeprägt. Das entspricht dann rein dem Prinzip: Zuhören und Nachahmen, was natürlich ein absolut wirksames und nützliches Mittel beim Singen lernen ist.

Genauso geht es natürlich mit Bildern. Es gibt z.B. das Bild vom "Trinken der Stimme", das ebenfalls eine Konstriktion der AE-Falte bewirken kann, weil die AE-Falte normalerweise beim Schlucken schließt. Wenn man beim Singen also an Schlucken denkt, kann es sein, dass man ein Zusammenziehen der AE-Falte bewirkt.

Im klassischen Gesangsunterricht wird soweit ich weiß meistens die NG-Stellung verwendet und der "neccessary Twang" heißt dort einfach nur "NG-Klingeln". Über die NG-Position lässt sich der Twang zudem hevorragend mit dem Abschlanken kombinieren.

Der Vorteil an einer Sichtweise, wie sie bei Estill proklamiert wird, ist nun, dass die Prinzipien des Abschlankens und der AES-Konstriktion getrennt betrachtet werden. Über die NG-Stellung lernt man Abschlanken und AES-Konstriktion in einer bestimmten Kombination. Man besitzt dann zunächst gar nicht das Bewusstsein, dass es sich überhaupt um zwei verschiedene Mechanismen handelt, die auch getrennt voneinander verwendet werden können.

Natürlich kann einem das reichen und man tut dann halt noch ein bisschen Intuition oder Veranlagung dazu und findet daraus seinen individuellen Stil. Es gibt aber eben auch Leute wie mich, die die Dinge im Detail verstehen wollen und wenn möglich die gesamte Bandbreite stimmlicher Ausdrucksmöglichkeit erlernen wollen. Eine bewusste Beherrschung der AES-Konstriktion in ihrer kompletten Bandbreite von ganz zu bis ganz offen ermöglicht ein sehr großes Spektrum stimmlicher Ausdrucksmöglichkeit. Das geht von der quäkigen Sprache eines Donald Duck, über den typischen Gesangsstil von Leuten wie Louis Armstrong oder Tom Waits bis hin zum Simulieren einer alternden Stimme á la Grandpa Simpson. Alle diese Effekte werden zum größten Teil durch die AE-Konstriktion bewirkt und gerade diese vielfältigen "schauspielerischen" Einsatzmöglichkeiten sind es, warum AE-Konstriktion gerade im Musical so große Bewandtnis hat.

Möglicherweise hätte ich es durch anhören und ausprobieren geschafft, einen oder zwei dieser stimmlichen Effekte nachzumachen. Da sie aber klanglich sehr verschieden sind, wäre ich nie darauf gekommen, dass ihnen der gleiche Mechanismus in unterschiedlichen Abstufungen zugrunde liegt.

Letztendlich ist es natürlich immer individuell und deshalb begrüße ich es eigentlich, dass es hier im Forum immer verschiedene Meinungen gibt und sich der jeweilige Fragesteller das aussuchen kann, das im am besten weiterhilft. Da, wo es um Individuen geht, gibt es letztendlich kein richtig oder falsch im allgemeinen Sinne.

Für mich ist es halt so, dass ich die gesamte Bandbreite dessen austesten will, was für mich persönlich technisch machbar ist. Natürlich kann man den Standpunkt vertreten, dass man möglichst viel von dem Verwenden sollte, was einem "in der Natur" liegt, weil das eine gewisse Authentizität mit sich bringt. Dass ist natürlich ein absolut verständlicher Standpunkt, aber eben nicht der einzige. Musik ist halt Kunst und Kunst muss nicht immer authentisch sein, sondern kann auch überzeichnet, theathralisch oder eben "künstlich" sein.
 
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Shana, dafür wirst du mich jetzt hauen, aber ich glaube, das Problem (wenn wir es denn so nennen wollen) ist zum Teil durch den modernen Musical-Boom entstanden. Es wird Stimmen sehr viel abverlangt - das ist das eine. Dann kommt aber noch ein bestimmtes Klangideal hinzu, das diese Stimmen haben sollen. Ich habe ja schon öfter bemängelt, daß die meisten Musicalsänger für mich sehr einheitlich klingen, so als gingen sie alle zum selben Lehrer oder entstammten der selben Schule.
Bei einer doch so anspruchsvollen Musik geht es natürlich nicht mehr ohne Ausbildung. Und die Musicalschulen und -studiengänge sind noch relativ neu, da braucht es natürlich eine eigene Terminologie und Nomenklatur. Und die soll auch was hermachen, denn die Ausbildungseinrichtungen und Kurse sind schweineteuer.
Irgendwie bin ich froh, daß meine roots im Rock und Jazz liegen...
 
Die Studien gibt's aber schon, Shana. Und auch nicht nur eine. Hast Du ein Journal of Voice Abo? Ist die Hauptquelle für alles, was zur Zeit Bereich Vocal Research so abgeht (NB: Ich sage nicht, Du musst eins haben, Du fragtest halt nur nach Studien). Die Abstracts zu allen Artikeln findet man auch online, wenn man sich nur einen Überblick verschaffen will. Zu Twang z.B. gibt es videolaryngoskopische Studien, kombiniert mit akustischer Analyse - man kann schon sehen, was da physiologisch abgeht. Manche Studien sind grösser angelegt, manche nur Single Subject Study. Letztere sind halt immer mit etwas mehr Vorsicht zu geniessen und müssen in den Gesamtkontext dessen, was wir schon wissen, eingeordnet werden.

Ich stimme Dir allerdings zu, dass man sich am Klang und am Körpergefühl orientieren muss (wobei auch das nicht bei jedem Schüler gleichermassen vorhanden ist). Lesen alleine bringt's m.E. nicht (ich persönlich finde allerdings auch, dass jede/r, der in ein Forum geht, so weit zu denken in der Lage sein sollte zu wissen, dass nicht alles, was man im Internet findet, ungefragt zu übernehmen ist. Die Verantwortung trägt schon jeder selbst). Die Diskussion gab's hier ja aber auch schon zur Genüge: Das geschriebene Wort kennt weder Akustik noch Kinästhetik, da wäre es manchmal schon schön, wenn man sich auf eine gemeinsame, unmissverständliche Terminologie einigen würde. Oder man muss sich eben jedesmal wieder die Mühe machen, aufzudröseln, was man meint ;)

Was das insbesondere den Lehrern bringt? Ich kann da nur für mich persönlich antworten:

Es hilft mir, verschiedene Lösungsansätze für stimmliche Anliegen meiner Schüler zu haben, weil ich mittlerweile physiologische Vorgänge mit akustischen Phänomenen verbinden kann und deswegen weiss, wie ich den Schüler in die richtige körperliche Einstellung kriege (und nicht erst nach Wochen des Rumprobierens). Das konnte ich z.B. früher nur für Klänge, die ich auch selbst als Sängerin aktiv anwendete, und auch dann wusste ich manchmal nicht, wie ich es denn jemandem erklären soll, der nicht intuitiv lernt (wie ich selbst). Das ist heute nicht mehr so, und dafür bin ich persönlich allen Stimmforschern dankbar (und meine Schüler sicher auch - die brauchen aber von dem ganzen Hintergrund nicht zwangsläufig zu wissen).

Ich persönlich würde nie sagen, dass das der einzige Weg ist - viele Wege führen nach Rom, und letzten Endes ist es nur das Resultat, was zählt.

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P.S. broeschies sagt da was ganz Wichtiges:
Es gibt eben auch Leute, die lernen am besten, wenn sie die Hintergründe verstehen. Das muss man genauso wenig belächeln oder "komisch" finden, wie wenn jemand "nur" intuitiv lernt. Beides ist okay, oder?
 
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Die Studien gibt's aber schon, Shana. Und auch nicht nur eine. Hast Du ein Journal of Voice Abo? Ist die Hauptquelle für alles, was zur Zeit Bereich Vocal Research so abgeht (NB: Ich sage nicht, Du musst eins haben, Du fragtest halt nur nach Studien). Die Abstracts zu allen Artikeln findet man auch online, wenn man sich nur einen Überblick verschaffen will. Zu Twang z.B. gibt es videolaryngoskopische Studien, kombiniert mit akustischer Analyse - man kann schon sehen, was da physiologisch abgeht. Manche Studien sind grösser angelegt, manche nur Single Subject Study. Letztere sind halt immer mit etwas mehr Vorsicht zu geniessen und müssen in den Gesamtkontext dessen, was wir schon wissen, eingeordnet werden.

Ah, das ist interessant. Wusste ich nicht und ich kenne auch die Zeitschrift nicht. Ist wahrscheinlich in englischer Sprache. In deutsch kenne ich die Zeitschrift des BDG "Vox humana", die aber doch mehr gesangspädagogisch und weniger wissenschaftlich ausgelegt ist.
Die Internetlinks würden mich interessieren, kannst du mir davon mal was schicken? Geht ja auch per pn, falls das hier zu weit führt. Ich frage mich nämlich tatsächlich, wie das gehen soll, etwas muskuläres während des Singens zu beobachten?

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P.S. broeschies sagt da was ganz Wichtiges:
Es gibt eben auch Leute, die lernen am besten, wenn sie die Hintergründe verstehen. Das muss man genauso wenig belächeln oder "komisch" finden, wie wenn jemand "nur" intuitiv lernt. Beides ist okay, oder?

Selbstverständlich ist das auch ein Weg. Und auch ich habe ja Gesangs-Physiologie studiert und eine Prüfung darin abgelegt und kann selbstverständlich auch entsprechendes Hintergrundwissen geben. Allerdings ist es mir noch nie in über 10 Jahren untergekommen, daß mich jemand ernsthaft gefragt hätte, wie genau die Mechnismen für Belt/Twang oder wasweißich funktionieren und schon gar nicht, daß dieser jemand der Ansicht gewesen wäre, er könne ses sonst nicht lernen.
 
Das blöde ist halt, dass man die gesamten Artikel beim Journal of Voice nur gegen Gebühr bekommt (die Elsevier-typisch extrem hoch ist). Frei zugänglich sind immer nur die Abstracts, wie z.B. hier:
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0892199789800578

Ist wahrscheinlich eine der Studien, die auch Singingtutor meint. Hier sind es halt 5 Sänger, die laryngoskopisch untersucht wurden. Das Ergebnis der Studie ist grob zusammengefasst, dass die AES-Konstriktion bei allen Sängern zu sehen war, wenn sie Operngesang, starken Twang oder Belting durchgeführt haben. In der nachfolgenden akustischen Analyse wurde dann festgestellt, dass auch nur dann der Sängerformant ausgeprägt war, wenn die AES-Konstriktion vorhanden war.
 
Dass es diese laryngoskopischen Videostudien gibt, hat Foxx mir schon beim vorletzten Vocalstreff erzählt. Ich wusste von deren Existenz. Generell begrüße ich, wie gesagt, daß da so gewissenhaft geforscht wird.
 
Shana, dafür wirst du mich jetzt hauen, aber ich glaube, das Problem (wenn wir es denn so nennen wollen) ist zum Teil durch den modernen Musical-Boom entstanden. Es wird Stimmen sehr viel abverlangt - das ist das eine. Dann kommt aber noch ein bestimmtes Klangideal hinzu, das diese Stimmen haben sollen. Ich habe ja schon öfter bemängelt, daß die meisten Musicalsänger für mich sehr einheitlich klingen, so als gingen sie alle zum selben Lehrer oder entstammten der selben Schule.

Für mich klingen nicht alle gleich, auch wenn es natürlich Klangideale gibt, keine Frage. Daß für dich alle gleich klingen hat sehr wahrscheinlich eher damit zu tun, daß du dich nicht so intensiv damit beschäftigst. ;-) Für mich klingen auch klassische Soprane tendentiell "gleich" obwohl ich weiß, daß es Differenzierungen gibt.



Bei einer doch so anspruchsvollen Musik geht es natürlich nicht mehr ohne Ausbildung. Und die Musicalschulen und -studiengänge sind noch relativ neu, da braucht es natürlich eine eigene Terminologie und Nomenklatur. Und die soll auch was hermachen, denn die Ausbildungseinrichtungen und Kurse sind schweineteuer.

Da kann was dran sein. Vieles scheint mehr wert zu sein, wenn die Verpackung viel hermacht. Das ist so ein psychologisches Ding. Manche Leute scheinen zu denken, daß etwas umso wertvoller ist je komplizierter es daherkommt.

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Es hilft mir, verschiedene Lösungsansätze für stimmliche Anliegen meiner Schüler zu haben, weil ich mittlerweile physiologische Vorgänge mit akustischen Phänomenen verbinden kann und deswegen weiss, wie ich den Schüler in die richtige körperliche Einstellung kriege (und nicht erst nach Wochen des Rumprobierens). Das konnte ich z.B. früher nur für Klänge, die ich auch selbst als Sängerin aktiv anwendete, und auch dann wusste ich manchmal nicht, wie ich es denn jemandem erklären soll, der nicht intuitiv lernt (wie ich selbst). Das ist heute nicht mehr so, und dafür bin ich persönlich allen Stimmforschern dankbar (und meine Schüler sicher auch - die brauchen aber von dem ganzen Hintergrund nicht zwangsläufig zu wissen).

Das ist richtig. Und eine Lehrerin muss selbstverständlich mehr können als intuitives Vermitteln. Das alleine würde nicht reichen, denn man hat viele SchülerInne, die ganz anders veranlagt sind als man selber.
 
Stimmt schon, die Einzelartikel sind recht teuer. Wenn einen das wirklich interessiert, ist es mittelfristig sicherlich kostenguenstiger, sich ein JoV Abo zuzulegen, als jeden Artikel einzeln runterzuladen.

Fuer einen generellen Ueberblick und das grobe Gesamtergebnis tut es in vielen Faellen auch das Abstract. Ich habe z.B. ein Online-Abo, lese aber oft auch erstmal nur die Abstracts und dann nur die Artikel, die fuer mich auch Anwendung haben (da ist ja auch viel aus dem Bereich Medizin, Pathologie etc dabei). Oft gibt es auch vereinzelte Artikel zum Gratisdownload. Natuerlich nicht immer die, die man am liebsten haette ;) Generell lohnt es sich auch, hin und wieder einfach mal PDF anzuklicken - da wird auch mal unterschiedliches Material frei zugaenglich gemacht.

Hier ist der Link zur Online-Praesenz (hat eine recht anstaendige Suchmaschine, wenn man weiss, nach welchen Keywords man sucht):

http://www.jvoice.org/
 
Für mich klingen nicht alle gleich, auch wenn es natürlich Klangideale gibt, keine Frage. Daß für dich alle gleich klingen hat sehr wahrscheinlich eher damit zu tun, daß du dich nicht so intensiv damit beschäftigst. ;-) Für mich klingen auch klassische Soprane tendentiell "gleich" obwohl ich weiß, daß es Differenzierungen gibt.

Ja, das mag natürlich sein. Ich habe mich tatsächlich nicht so intensiv damit beschäftigt wie du, irgendwie wird das nie mein Genre werden... ab und an muß ich halt einen Musicalsong singen, dann höre ich mir erstmal ein paar Versionen auf youtube an, und dabei fiel mir eben öfter dieser "Gleichklang" auf.
Aber irgendwie hat schon jede Epoche ihr Klangideal... die alten Broadway-Sänger/innen klingen ganz anders als die heutigen, findest du nicht ?
 
Das liegt auch daran, wie heute komponiert wird, finde ich. Wenn man sich mal die Lage von 1940er oder 50er "Broadway Belter" Stuecken anguckt, liegen die meist viel tiefer (da ist vielleicht mal ein c2 dabei). Damals gab's noch eine echte Unterscheidung zwischen Legit und Belt - da warst Du eben eins oder das andere.
Heute wird von allen Musical-Saengern erwartet, dass sie beides koennen, und gebeltet wird locker bis f2 oder sogar hoeher (wenn Du kein sicheres e2 belten kannst, kannst Du als Musicalsaenger heute eigentlich einpacken). Und da liegt m.E. der Hase im Pfeffer: Theoretisch lernen kann man das schon, aber man wird halt immer sowas wie eine persoenliche Vorliebe haben (da sind wir dann wieder bei den attractor states), oder was, was einem einfach leichter faellt. Da man aber im Musical heute gegen natuerliche Veranlagungen gehen muss, wenn man nicht auf der Strasse stehen will, kommt dann oft irgendwas dabei raus, was so in der Mitte liegt - wir haben da den etwas abwertenden Begriff "Mixy Chick" fuer - und ja, da ist schon ein gewisser Trend zu erkennen, finde ich. Die Stimmen hoeren sich hin und wieder schon ein bisschen austauschbar an.

Das aendert schizophrenerweise aber nichts daran, dass die, die dann wirklich erfolgreich sind, meist diejenigen sind, sie irgendwie aus der Reihe tanzen - oft sogar welche mit kleinen stimmlichen "Schoenheitsfehlern". Und das ist m.E. auch gut so ;)
 
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Aber irgendwie hat schon jede Epoche ihr Klangideal... die alten Broadway-Sänger/innen klingen ganz anders als die heutigen, findest du nicht ?

Das stimmt natürlich. Aber das gibt es doch in allen Genres oder ist im Jazz alles beliebig?
 
Nein, auch im Jazz gibt es meiner Erfahrung nach gewisse Vorlieben. Meist werden da mehr so "down-to-earth" Stimmen gefordert, mit möglichst natürlichem, sprechstimmennahem Klang.
 

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