@ThaInsane88
Vielen Dank für deine Analyse.
Die Grundidee bei dem Song ist als wenn jemand schwer bepackt durch tiefen Schnee stapft.
Deshalb keine Ghostnotes, sondern eine Art links, rechts, links, rechts, wie beim Gehen.
Die Texturen kommen nur von den Becken.
Ich verstehe deinen Ansatz. Du hast eine ganz klare Vorstellung davon, wie die Instrumente die Idee in deinem Kopf welchen Part wie zum Ausdruck bringen. Das erinnert stark an die Grundidee von "Peter und der Wolf" wo ja einzelne Instrumente eine gewisse Person in der Geschichte widerspiegeln soll. Bei der "Moldau" haben auch die einzelnen Abschnitte des Flusses ihre eigenen Hauptinstrumente. Deinen Ansatz gibt es also bereits spätestens seit der Klassik.
Ich verstehe also auch, dass du dir Gedanken gemacht hast, was in deinem Stück wie getragen wird.
Jetzt meine Meinung dazu:
Im Ergebnis vorab sage ich schon einmal, dass du die 5 Schlagzeuger tatsächlich verschlissen hast. Das liegt aber nicht daran, dass die Schlagzeuger Eigensinnig waren, sondern du ein ganz anderes Verständnis von Musik hast und es schlicht nicht gepasst hat. Du bist auf 5 Musiker gestoßen, die deine Vision nicht teilen. Da hattest du beim Rest der Besatzung mehr Glück. Möglich, dass du noch einen passenden Schlagzeuger findest. Wir reden hier aber nicht von Eigensinnigkeit sondern von musikalischen Differenzen.
Du musst hier leider auch verstehen, dass dein Ansatz der Musik über die Maßen speziell ist.
Ich hatte bei deinem Song nämlich absolut kein Bild von deiner Grundidee vor Augen. Ich habe dabei allerdings auch überhaupt nicht auf die Lyrics geachtet weil ich aufs Musikalische konzentriert war. Mit anderen Worten, der Song hat mir absolut nicht das transportiert, was du dir vorstellst.
Aber dein Vorschlag, das Ride an verschiedenen Stellen anzuschlagen finde ich gut.
Das hier ist der, so wie ich das jetzt herausgelesen habe, einzige Vorschlag, den du in meinem Gedankenspiel annehmen würdest. Wohlgemerkt, mit verschiedenen Flächen auf den Becken zu spielen haben war auch für deine Idole standard.
Bei den Breaks verwende ich gerne triolische Flams oder 1/16 Läufe über die 4 Toms.
Bin halt ein Tom Liebhaber. Deshalb habe ich auch 4 davon.
Und spiele gerne swooshige Sachen auf den Crashs. Hihat spiele ich nur, wenn es sein muss.
Das vielleicht mal als Erklärung, weshalb mein Trommelspiel etwas anders angelegt ist, als ein Drummer es spielen würde. Als Sänger und Gitarrist wünsche ich mir die Betonungen eben oft etwas anders und wenn ich selbst trommel, dann kann ich das recht gut aufeinander abstimmen.
Es geht ja auch darum, nicht wie 1000 andere Bands zu klingen, sondern einen eigenständigen Sound und Arrangement zu haben, und da versuche ich die Standardkonzepte etwas zu umgehen.
Ich hole mir auch gerne Inspiration bei bekannten Drummern, Roger Taylor, Phil Collins, Ringo Starr, Daniel Adair, Scott Donaldson und viele mehr.
Meine Beckenarbeit ist stark an Roger Taylors Spiel angelehnt.
Das lasse ich dann mal zusammengefasst stehen.
Es ist so, dass ich aus der Gesamtheit hier herauslese, dass alles stark auf deine eigenen Präferenzen abgestimmt ist. Du wünschst dir die Betonung der Drums anders aber ich merke anhand des Beispielestücks leider gar nicht, wo die Betonung liegen soll. Es gibt nämlich nach meiner Meinung kaum einen Drumpart, der die restlichen Instrumente unterstreicht. Die Drums stehen hier nach meinem musikalischen Verständnis relativ alleine dar. Gitarre und Bass harmonieren und machen Musik. Das Schlagzeug hingegen wirkt auf mich eher wie drübergelegt. Musik und Rhytmus kleben nicht zusammen.
Dabei kommt dann der Punkt, an dem du sagst, du willst einen eigenständigen Sound im Arrangement haben. Das ist lobenswert. Aber der eigene Sound steht und fällt nicht damit, zwanghaft etwas anders machen zu wollen. Da gehen unsere Meinungen sehr offensichtlich stark auseinander. Was auch fein ist. Durch sowas kommt ja erst musikalische Vielfalt zustande.
Du nutzt hier vor allen Dingen deine eigenen Präferenzen ungeachtet ihrer musikalischen Wirkung. Das sind dann die Parts, die ich als "Holpersteine" betrachte. Für dich machen sie an diese Stelle Sinn und du magst sie. Bei mir ist es eben anders, weil hier meiner Meinung nach viel Potential flöten geht und der Song dadurch an manchen Stellen chaotisch wird (Nochmal: Es handelt sich allein um meine Meinung).
Du erklärst mir hier allerdings gerade einen Knackpunkt, der für die härtesten Differenzen mit anderen Musikern sorgt: Du baust diene persönlichen Präferenzen ein und erwartest, dass sich der potentielle Taktgeber daran hält. Meiner Meinung nach geht das ganze anhand meines Beispiels für die ersten 2 Minuten so weit, dass quasi gar kein Platz für den eigenen Schlagzeugstil ist. Für dich mögen die von dir eingebauten Parts Sinn machen. Aber sie weichen zu 90 % hart von dem ab, was Schlagzeuger mit ihrem eigenen Stil normalerweise vollführen. Das hört man imho auch im Ergebnis bei dem Beispielsong. Viele Breaks sind unheimlich holprig und klingen ganz anders als das restliche Spiel. Da hört man dann die qualitativen Schwankungen. Dadurch wirkt der Song leider in meinen Augen wie eine Demo.
Ich will das nicht Bashen. Viel mehr erst mal Kudos, dass du ein vollständiges Album produziert hast und mit Ausdauer und einem Ziel in den Augen etwas vollständig fertig gebracht hast. Darauf kann kaum jemand zurückblicken. Dass es jemandem dann nicht gefällt, ist wiederum Pech, kannst du aber nicht weiter beeinflussen, wenn das Produkt erst mal fertig ist.
Insgesamt komme ich einmal zu folgendem Fazit:
Die von dir geschriebenen Songs fassen dein Verständnis der Musik zusammen. Die einzelnen Parts drehen sich vollständig darum, was du persönlich präferierst. Du hast eine Idee mit einem Bild vor Augen und schreibst die Songs, wie sie für dich Sinn ergeben.
Sobald Menschen mit einem anderen Verständnis von Songdienlichkeit kommen, kommt es zu Differenzen. Um auf mein Beispiel zurückzukommen: Ich finde, dass viele der von dir beschriebenen und genau so gewollten Parts überhaupt nicht Songdienlich sind und bin der Meinung, dass sie dem Song sein Potential nehmen. Müssen die potentiellen Mitmusiker an den Rappelkiste dann auch Parts adaptieren, die mit ihrer Jahrelang antrainierten Technik und Spielweise nicht übereinstimmen, kommt es nun mal zu Frust und das Diskutieren beginnt. Ich wäre in recht kurzer Zeit wahrscheinlich der Verschlissene Schlagzeuger Nr. 6. Allerdings nicht weil ich aus Eigensinnigkeit handeln würde, sondern weil ich dein Verständnis von Musik absolut nicht teile. Ich selber spiele Schlagzeug bzw. mache Musik, weil ich ein Publikum unterhalten möchte. Im Publikum sitzen bei einem 500 Personen Publikum 501 Persönlichkeiten, von denen höchstens 20 Leute der ach so eigenständige Stil der Band wichtig ist. Die meisten wollen eine gute Zeit haben. Daher auch die Popularität von Mainstream.
Das ist bei den Musikern in einer Kapelle nicht anders. Deine festen Bandmates haben zusammen mit dir eine gute Zeit und sind happy, nichit selber komponieren zu müssen. Da jetzt den richtigen Schlagzeuger zu finden ist allerdings eine Suche nach dem Heu im Nadelhaufen - bewusst soherum gerschrieben, weil: Es wird steinig und frustrierend. Das hängt aber nicht damit zusammen, dass Schlagzeuger eigensinnig sind und diese Aussage ist - meiner Meinung nach - tatsächlich sehr unfair. Ich fände es daher auch schön, wenn du von deinem ursprünglichen Statement mit der Zeit abweichen könntest. Es ist nämlich, wenn man von außen auf die Situation schaut, tatsächlich so, dass du selbst in der Stoner Nische in einer eigenen Nische hockst. Das macht die Suche nach einem passenden Mitmusiker umso schwerer. Du willst dich in erster Linie selbst verwirklichen und hast dein eigenes Bild von Musik und von Songdienlichkeit. Da treffen im Regelfall Welten aufeinander. Du bist dadurch gezwungen, die Band um dich herum aufzubauen. Und das ist in deinem speziellen Fall eine sehr undankbare Suche und deinen Frust kann ich auch nachvollziehen. Es kommen halt unheimlich viele Sonderfälle zusammen.
Abschließend möchte ich noch etwas loswerden, was auch meine eigene musikalische Reise betrifft:
Glenn Frciker, auf Youtube unter dem Kanal SpectreSoundStudios bekannt (ganz kontroverses Beispiel, weil der Typ sehr polarisiert), hat es in einem Seiner Videos mal recht gut auf den Punkt gebracht zum Thema eigener Gitarrensound: "Komm herunter von deinem Thron, Prinzessin, keiner Kennt dich, keinen interessiert dein ach so besonderer eigener Sound". Die Kraftausdrücke habe ich mal höflich ignoriert.
In der Vergangenheit ist mir mehr und mehr dann der Aha-Effekt gekommen, dass es eigentlich auch genau so ist. Je mehr man sich auf die Individualität seiner Soundfindung konzentriert, umso weniger steht die eigentliche Musik im Vordergrund. Das ist eine unheimlich schmale Gratwanderung zwischen "wirklich besonders" und "Sondermüll". Und mit den Songs meiner Band ist mir dieser Effekt irgendwann gekommen, sodass ich angefangen habe, mein eigenes Spiel zu simplifizieren. Ich spiele seit mehr als 25 Jahren Schlagzeug. Es hat fast 15 Jahre für den Aha-Effekt gebraucht.
Wenn du mein Schlagzeug siehst - 5 Toms, zwei Bassdrums, 10 Becken, darunter zwei Hi-Hats - wird man schnell feststellen, wo der Ursprungsgedanke war. Ich mochte Tomläufe, ich mochte verschiedenste Beckensounds. Ich war damals sehr stark von Mike Portnoy beeinflusst und mein gesamter Schlagzeugstil hat sehr viele Einflüsse daraus gezogen, die ich bis heute für mich adaptiert habe. Ich weiche von meinem Grundaufbau vom Set allerdings nicht mehr ab. Das hängt aber damit zusammen, dass aus ästhetischen Gründen einen einigermaßen symmetrischen Aufbau präferiere (ein wenig Eitelkeit sei mir gestattet), zum anderen aber, weil ich Dinge besser erreichen kann, indem ich nicht meinen ganzen Körper permanent drehen muss. Mein Toms sind ein 3 up, 2 down Aufbau, bei dem die beiden Floortoms aber links und rechts von mir stehen.
Es kommt allerdings inzwischen gar nicht mehr vor, dass ich in einem einzigen Song mein gesamtes Setup nutze. Simon Philips ist hinter seinem Schlagzeug ja auch mehr Markgraf als Hauseigentümer, nutzt aber ebenfalls seltenst das gesamte Setup in einem eigenen Song.