Liebe Freunde,
ich komme hiermit mal noch zu meinem Abschlussgedanken. Aus der Distanz kann ich das jetzt alles ein bisschen besser in Worte fassen.
Zunächst mal gilt mein Dank dem Musiker-Board, vielen Dank für die Tolle Reise. Weiterhin vielen Dank an Thorsten Büttner von Gibson Deutschland - die Reise war perfekt organisiert, wir haben in 5 Tagen so viel neues erfahren, neben der Gibson Factory auch kulturell viel miterleben dürfen und konnten uns auch wenig ein Bild vom Leben der Südstaatler machen, wenn auch nur sehr grob. Das hat alles sehr gut zusammen gepasst, man hat sich perfekt um uns gekümmert, wir wurden nicht alleine gelassen und fühlten uns jederzeit willkommen.
Sehr wertschätzen konnte ich außerdem die vielen Gespräche mit Torsten Woelle, da wir mit ihm auch einen Ansprechpartner dabei hatten, der die Dinge nicht beschönigt. Er hat mir manche "Illusionen" bezüglich Gibson genommen und sie durch viel Wahrheit und Realität ersetzt - das war wichtig! Es gab keine Situation, in der er um den heißen Brei herumgeredet hätte, wir wurden vorbildlichst informiert.
Fachlich zum Thema wurde im prinzipiell von uns schon alles gesagt. Dennoch möchte ich nochmal einige Punkte hervorheben, die mir persönlich wichtig sind. Zum einen die Attitüde der Mitarbeiter: Ich habe noch nie eine Firma gesehen, in der jede einzelne Mitarbeiter so sehr Stolz auf seine eigene Arbeit und das Produkt ist, das er gerade fertigt. Wir fragten jedes mal vorsichtig, ob es erlaubt wäre, ihren Arbeitsschritt zu fotographieren. Die Antwort war meistens nicht nur "sure", viel mehr zeigten uns die Mitarbeiter unaufgefordert und mit viel Stolz und Überzeugung, wie gut oder wie perfekt sie diesen Arbeitsschritt erledigt hätten. Diese Leute stehen zu 110% hinter den Dingen, die sie tun, und sie alle sind sich der Verantwortung bewusst, die sie gemeinsam tragen. Das hat mich gelinde gesagt einfach umgehauen. Fast jeder dieser Arbeiter ist selber Musiker, und hat alleine deshalb schon eine ganz andere "Bindung" zu einem Musikinstrument wie beispielsweise ein Arbeiter, der damit auch privat nichts anzufangen weiß. So etwas spiegelt sich dann auch im Endprodukt wieder, da bin ich mir sicher.
Eine andere positive Erfahrung für mich war die Einstellung der "Chefs", mit denen wir zugange waren. Tom Fowle & Mike Voltz sind absolute "Player", keine "Collectors". Natürlich kam die Griffbrettdiskussion des öfteren auf, aber die Leute, die wir gefragt haben, waren meistens der selben Meinung wie ich: Baked Maple, Richlite, Rosewood, whatsoever. So lange es gut klingt, solange es noch immer nach Les Paul klingt, hat jede Gitarre noch das "Gibson" auf dem Headstock verdient. Dies ist mein Apell an die Puristen: Probiert es aus. Spielt es an. Hört auf den Ton. Es klingt fantastisch. Lasst euch nicht von den Stammtischparolen leiten, die man hier und da aufschnappt. Gerade dieses Baked Maple ist so derartig resonant, das dürfte vielen Spielern absolut gefallen. Diese Verdrossenheit bezüglich neuer Dinge überrascht mich immer wieder aufs neue. Jedenfalls waren Mike, Tom und ich da einer Meinung. Warum nicht mal was anderes? Historisch korrekte Instrumente gibts ja im Nashville CS.. Aber ich finde es absolut toll, was Gibson USA zaubert.
Schön war es außerdem, den Prototypen für die Collectors Choice #4 zu sehen.. Jaja, Bernard und ich wissen, welche es wird..
Ach Gott, es gab so viele schöne Momente. Der Gibson Bus, in dem wir chauffiert wurden, die Sun Studios in Memphis, die abendlichen Betätigungen in der Beale Street und Downtown Nashville, die vielen neue Kontakte, die man knüpfen konnte: Gerade dieser James Kim von Epiphone ist ein herrlicher Zeitgenosse!
Mit Kevin Bebout von Kramer hätte ich auch ohne Probleme noch den ein - oder anderen Abend verbringen können. Ich blicke also mit einem weinenden und einem lachenden Auge zurück: Ich wäre so gerne noch ein paar Tage dort geblieben, allerdings war die Erfahrung an sich einfach wahnsinnig gut, und ich bin froh, dabei gewesen zu sein. (Und froh noch zu leben, nach diesem Transatlantik-Wahnsinn..
)
Lasst mich also zu meinem abschließenden Credo kommen. Die Amerikaner essen heiß und fettig, das heißt aber nicht, dass ein Filet Mignon dort drüben nicht auch sehr mager und delikat sein kann. Macht keinen Sinn? Doch doch! Man kann Gibson nicht durch ein paar Internetgerüchte und Stories, die aus 3. Hand kommen, in eine Schublade packen und zumachen. Gibson ist ein Weltkonzern, er fertigt Gitarren en masse, und natürlich gibt es immer wieder Instrumente, die unter der erwarteten Qualität liegen - das kommt vor allem auch davon, dass Gibson auch in der USA Serienproduktion noch viel Wert auf Handarbeit legt. (Aber ist es nicht genau dass, was so viele fordern? Dem besseren Instrument zuliebe auf mehr Handarbeit vertrauen?) Gibson ist aber auch ein Konzern, der mit Herzblut geführt wird, von Gitarristen und Musikern! Diesen Menschen liegt etwas am Wohl ihrer Kunden, und nicht zuletzt an der Qualität ihrer Instrumente! Diese Firma wird, so finde ich, mit den richtigen Werten geführt. Wer sieht die Analogie zum Filetsteak? Natürlich ist nicht alles perfekt, wie könnte es auch. Aber Bernard und ich sind, durch die Erfahrungen die wir machen konnten, weit davon entfernt zu sagen, da drüben "ist auch nicht mehr alles, wie es mal war". Hört man ja all zu oft. Gott, die haben sogar die alten, total ineffizienten und leckenden Maschinen von Kalamazoo noch da... die stehen auf das alte Zeugs!
Nochmal: Wir loben diese Factory nicht in den Himmel. Aber zwischen der Wahrheit, die wir sehen durften, und dem, was hier draußen im WWW palabert wird, liegen Galaxien. Mein Eindruck ist nach dieser Fahrt ein zutiefst positiver. Deshalb mein Plädoyer: Lasst euch bitte nicht auf Websites von den angeblichen "Experten", die es überall gibt, eine Meinung aufdrücken. Wir haben gesehen, wie diese Firma produktionstechnisch funktioniert, und lasst mich sagen: Das läuft wirklich alles mehr als in Ordnung, dort.
Over and out,
Joey