Ich besitze schon seit einigen Jahren eine Gibson Gitarre und hab seither oft gehört wie schlecht die doch geworden seien.
Dazu ein bisschen aus der Historie. In der Mitte der 70er Jahre war es einfach so, dass eine Fender Stratocaster etwa 2 komplette Monatsgehälter eines Mittelschichtangestellten aufgefressen hätte und eine Gibson Les Paul noch weit darüber. Wir als Band mutmaßten, dass diese Instrumente gut sein müssten, da wir aber idR Schüler & Studenten waren, ging das absolut nicht und wir waren froh, als aus Japan lauter identisch aussehende Instrumente kamen, die weniger als die Hälfte kosteten. Wir spielten Ibanez- und Aria-Clones* und investierten lieber in Amps und Effektgeräte...
Eines Tages kam einer der beiden Gitarristen meiner Band mit einem neuen Gitarrenkoffer in den Proberaum. Darin war eine funkelnagelneue
echte Gibson Les Paul. Er steckte das Kabel rein, und das Ding klang göttlich. Es dauerte ein paar Wochen und der 2. Gitarrist hatte auch eine - und ebenfalls einen Haufen Schulden auf der Bank.
Zu dem 2. habe ich heute keinen Kontakt mehr, aber der 1. hat seine Les Paul immer noch und sie klingt immer noch schweinegeil. Obwohl sie keine schöne Decke hat und obwohl er sich heute locker eine neue aus den Custom Shop leisten könnte, liebt er sein altes Stück immer noch und bleibt ihr treu (was man in Bezug auf Frauen weniger von ihm sagen kann
)
Zu Beginn der 80er Jahre entwickelte die mittlerweile groß gewordene Firma Ibanez eigene Modelle. Das war die Musician-Serie:
Die war optisch und konstruktiv an die damals sehr begehrten aber sündteuren Alembic Bässe angelehnt. Neck-through-body, transparenter PU-Lack, und zumindest die Topinstrumente mit aktiver Elektronik. Die Preise waren hingegen recht milde.
Das brachte die durch die Clones der 70er ohnehin gebeutelten US-Hersteller in schwere Bedrängnis. Deutsche (Framus, Höfner) und englische (Vox) Hersteller hatten längst aufgegeben.
Gibson konterte damals mit "The Paul", "The SG" und Firebrand. Das waren sehr einfach gehaltene Gitarre - ähnlich den heutigen Worn Studios, bei denen aus Kostengründen auf jeglichen Schickschnack verzichtet wurde um preislich mit der japanischen Konkurrenz mithalten zu können.
The Paul:
Firebrand:
Dann erschien das damals alles dominierende Fachmagazin - wo im gleichen Heft beide Gitarren getestet wurden. Ibanez Musician und Gibson "The Paul". Damals war es üblich den getesteten Instrumenten Schulnoten von 1 bis 6 zu geben.
Die Ibanez Musician bekam die nie dagewesene und auch später nie wieder erteilte Traumnote von 0,8 - also besser als 1, um auszudrücken, wie exorbitant dieses Instrument über allem schwebte. Der Tester überschlug sich vor Begeisterung... und die Gibson "The Paul" bekam vom ihm eine glatte 5.
Wir hatten damals schon einen Musikladen und hatten "The Paul" da und auch mehrere Modelle der Musician. Wie wohl ich sagen muss, dass die Musician genau den Geist der Zeit traf, hätte ich damals trotz Schulnote 5, klar der "The Paul" den Vorzug gegeben. Vielleicht lag das daran, dass auch meine Schulnoten immer eher bei 5 als bei 0,8 lagen. Heute weiß ich, dass Gibson - stur, wie sie nun mal sind - auch bei "The Paul" und Firebrand nicht von ihrem Konzept abgewichen sind, was Holz, Lack, Leim, Holz-Trocknung etc betrifft. Der vergleichsweise günstige Preis wurde durch weglassen von aufwändigen Inlays, Bindings etc erreicht. "The Paul"s sind selten, weil sie sich ob solcher Testnoten natürlich schlecht verkauften. Trotzdem findet man sie zuweilen auf dem Gebrauchtmarkt zu ziemlich hohen Preisen.
Was ich mit dieser kleinen historischen Abhandlung sagen will ist, dass Gibson stur eine Linie verfolgt. Das spiegelt sich auch heute wieder in den günstigen Worn Studios, die ich optisch für weit gelungener halte, als "The Paul". Und was ich noch sagen will ist, dass mein Vertrauen in Fachzeitschriften damals einen Knacks bekommen hat.
Gibson hat afaik nie großartig in Werbung investiert. Während bestimmte Marken die Fachblätter mit Anzeigen vollpflasterten, musste der Gibson-Kunde vom Hörensagen überzeugt werden. Und dieses Hörensagen umgab Gibson immer mit einem Nebel oder Dunst. Es gab immer Gerüchte, Spekulationen und Verdächtigungen. Und natürlich die Unterstellung, dass ein Gibson-Gitarrist bescheuert sein müsse, wenn er eine "The Paul" mit einer Schulnote 5 kaufte, statt einer Musician, die nachweislich schwarz auf weiß die Traumnote 0,8 attestiert bekam. Gibson Fans war das immer ziemlich sch***egal. Sie wussten, was sie hatten, auch ohne Farbanzeigen und glänzender Testberichte.
Trotzdem bin ich froh, dass Gibson 2012 plötzlich die Strategie geändert zu haben scheint - und das ausgerechnet bei uns hier im Musiker-Board. Wir bekommen Gitarren für Gewinnspiele und man lädt User-Reporter zu einer Werksbesichtigung ein und man bucht Banner, von denen wir leben. Das freut uns natürlich, soll uns aber keineswegs parteiisch machen. Wir fliegen auch sehr gerne MB-User nach Indonesien, wo afaik Ibanez gebaut wird... wenn wir eingeladen werden.
Wir haben dank Hoss' schöner Bilderserien gesehen, wie Gibsons hergestellt werden. Ich finde, eine Gitarre ist kein Laptop... ich mag, wenn da viel mit Handarbeit drin steckt und weiß, dass das teurer ist, wiewohl ich meinen Laptop dann doch lieber von Bestückungsautomaten zusammensetzen lasse
*
Das mit den Clones sollte ich etwas präzisieren: Der Ibanez-Katalog zB enthielt Mitte der 70er Jahre ausschließlich Kopien der bekannten Marken, Gibson, Fender, Rickenbaker - die vom Schriftzug mal abgesehen - ziemlich "echt" aussahen. Konstruktiv, was verwendete Hölzer, Pickups, Leime, Lacke usw betraf, nahm man es aber nicht so genau, wie mit der Optik. Die Instrumente fanden reißenden Absatz und die Firmen, die die Originale herstellten, haben sich bemüht, sich gegen die japanische Attacke zur Wehr zu setzen.
Erst später kamen dann eigene Modelle und mit der Einführung der RG Serie der wirklich große Wurf...