@PVaults:
Hast du vielleicht Tipps für eine eher "kadenzielle Herangehensweise" an die Improvisation?
Klar.
Ein ganz praktisches Beispiel haben wir hier:
Wen das Lied nur diese Akkorde hat, dann gibt es die folgenden Möglichkeiten der Zuordnung von Akkordskalen:
| Dm | C | Dm | C |
| dorisch | ionisch | dorisch | ionisch |
| äolisch | mixolydisch | äolisch | mixolydisch |
| äolisch | mixolydisch | dorisch | ionisch |
| dorisch | ionisch | äolisch | mixolydisch |
Ich sehe das ja bekanntermaßen so:
IVj7 - Ij7 - V7 - IIm7 - VIm7 - IIIm7 - VIIm7/b5
Wobei C Systemton, also die I ist, somit Dm die II (und Tonika!).
Also kann ich folgendermaßen kadenzieren, ohne daß ich mir um "falsche" Töne Gedanken machen muß:
IIm7 - V7| Ij7 |
oder
IIm7 | V7 - Ij7| (klingt "dorischer")
VIm7 - IIm7| V7 - Ij7| wobei auch hier z.B. die V7 ausgelassen werden kann. Die VIm7 würde ich so spielen, daß nicht der "dorische" Charakter verschwindet. GGf. kann man die VIm7 auch durch ihre Dominantvariante VI7.
Nur ein paar Beispiele hieraus. Man beachte die Betonung - Hans_3 hat hier ein wichtiges Thema mit dem Schwerpunkt angesprochen.
Alles liegt im Quintfall. Nun kann man aber auch die einzelnen Stufen ersetzen, so z.B. die I durch die III, die V7 durch ihre Tritonusdominante oder durch eine VIIb7-Substitutdominante, desgleichen mit der VI7 - wobei hier dann ganz klar der "dorische" Charakter flöten geht - doch der ist eh´ wurscht, da wir hier schon Diskussionen über die Modi hatten und ich bisher kein einziges Stück gehört habe (und auch kein einziges Stück kenne), das wirklich dorisch ist - wenn wir mal einige Choräle weglassen...
Ach ja, die IIm7 kann man natürlich auch durch eine IVj7 ersezten, kalter Kaffee, das mit den Parallelen. Wenn´s ein wenig bluesiger sein darf, kann´s auch mal die IV7 sein, ja das geht auch manchmal...
Nun kann man meist bei solchen Stücken anfangen, die Akkorde umzubauen - z.B. die IIm7 kann man als IImj7 (Moll mit großer Septime) umbauen, geht meist, weil ja deren große Sexte für den "dorischen" Charakter verantwortlich ist und oft nicht bei dieser Akkordfolge Dm - C der Ton C über dem Moll-Akkord vorkommt...
Noch ein Beispiel für eine Kadenzerweiterung, auch hier ist die III die des Systemtons:
|IIIm7/b5-VI7-IIm7| - für unser Beispiel also Em7/b5-A7alt-Dm7
Wobei natürlich die Kadenzakkorde ausschmückend gesetzt werden müssen, um auch hier nicht den "dorischen" Charakter zu zerstören. Die Kadenz wirkt aber mal schön erfrischend, weil hier der Systemton über Em7/b5 mal kurz auf F gesetzt wird und erst über die Dominante A7alt zurückgestellt wird.
Ach, da gibt´s dann noch so viele Erweiterungsvarianten wie die Mediantik-Techniken... - wird zuviel, aber ich denke, du bekommst einen Denkansatz.
Alles ganz praktische Sachen, keine lästige Theorie, kein stumpfes mechanistisches Geschiebe, keine Esotherik a la "Nur wenn du das Weihwasser trinkst, wird dich die Erleuchtung finden...", keine dummen Sprüche wie "Das ist halt einfach Talent, wenn du´nicht hast, bist du halt zu blöd..."
Dieses System funktioniert auch während einer Improvisation. Vielleicht mag es nicht für geistreichste Innovationsakkorde die allzu geeignete Grundlage bieten, aber sie funktioniert, und zwar gnadenlos. Natürlich kommt es - wie immer - auf den Musiker an, dies richtig einzusetzen und auch spieltechnisch umzusetzen. Rumgurken geht da nicht, das muß man schon richtig geübt haben. Wenn man aber so vorgeht, ist das alles kein Problem mit dem Erlernen. Trotzdem wird ein stumpfes Einsetzen der Techniken sicher nicht zum gewünschten Ergebnis führen, ein gewisses Maß an Kreativität und spielerischem Können gehört - Gott sei Dank - dazu.
Auch bei "klassisch" orientierter Musik kann man fast alles damit erklären, weil sich viele Stimmführungen über obiges System erklären lassen. Oft ergibt sich eine sehr schöne Stimmführung von ganz alleine, wenn man etwas Übung hat. Für Pop und Jazz funktioniert das sowieso. Selbst an Hagenwils Scherzkompositionen würde ich mich damit heranwagen, auch wenn er einen mystischen Akkord einsetzt (jaja, Einer hat´s gemerkt, wenn ich das mit diesen Dosenspeakern richtig gehört habe, drum gab´s auch eine 1, nicht wahr...
) - Es darf gelacht werdenl!)
Bei allem gilt - wie immer: Der Melodieton muß solche Kadenzen zulassen...
Der Begriff "Klang" gefällt mir in der Beziehung irgendwie besser als der Begriff "siebentöniger Akkord". Nur mit deinem "besonders positionierten Ton" kann ich nichts anfangen. Ich vermute, daß du den Grundton des parallelen Dur meinst.
Der besonders positionierte Ton ist der Ton, der den Akkord begründet, also bei Dm dere Ton D, bei G7 der Ton G, nichts Besonderes oder Neues. Der Systemton ist wieder was anderes, nämlich der Ton, der das Tonsystem steuert. Und der muß auch nicht mit dem Tonikaton zusammenhängen, in obigem Beispiel wäre das Dm als dorische Tonika.
Siebentöniger Akkord - erst wird der Akkord aufgestellt, dann daraus die Skala agbeleitet bzw. zusammengesetzt. Das Gegenteil zum Skalenorientierten System, wo erst die Skala steht und dann die Akkorde gebaut werden.
Dem Rest deines Postings gebe ich dir - wie immer
- insoweit recht, wie ich es in meiner Antwort hier schon ausgeführt habe.
Nachtrag:
http://www.file-upload.net/download-1133140/PVaults-Tonsystem.pdf.html