Der heute übliche Ausdruck ist "gleichstufige Stimmung", weil "wohltemperiert" nun einmal mit Bachs Zyklus und den Stimmungen jener Zeit verbunden ist.
'Na ja, aber zugegebenermaßen wird ein Klavier auch heute
nicht gleichstufig gestimmt, zumindest klingt ein Klavier, das streng "nach Stimmgerät" gestimmt ist, furchtbar.
Das liegt an der Inharmonizität der Saiten und dem Zusammenklang der diversen beteiligten Obertöne, so dass Klaviere entweder tradtionell nach Gehör oder mit aufwendigen modernen Stimmprogrammen gestimmt werden. Also doch eher gewissermaßen "temperiert".
Könnt Ihr mir vielleicht sagen, ob es denn Unterschiede in der Frequenz von z.B. C# und Db?
Zugegebenermaßen ist es nicht einfach, konkrete Frequenzen anzugeben, weil je nach harmonischem Umfeld vieles leicht angepasst werden muss. Und mir fällt momentan kein naheliegender Zusammenhang ein, in dem ein Db und C# gemeinsam vorkäme.
Ich halte diese "Regeln", die z. B. Geiger lernen, eher für vereinfachte Faustformeln, die am eigentlichen Problem vorbeigehen und den "schwarzen Tasten" eine Sonderrolle andichtet, die so nicht gegeben ist.
Als Gitarrist weißt Du ja am besten, dass alle Töne gleichberechtigt sind - man hangelt sich in Halbtonschritten von Bund zu Bund.
Ein konkretes Beispiel mit leicht abweichenden Frequenzen bei reiner Intonation
Um vom Kammerton a' = 440 Hz ausgehen zu können, wähle ich der Einfachheit halber willkürlich A-Dur als Tonart.
Als Ausgangsbasis für Frequenzbestimmungen von Tönen gilt die Vorgabe, dass bei den drei Hauptakkorden Tonika A-Dur, Subdominante D-Dur und Dominante E-Dur jeweils perfekt reine Quinten und Terzen auftreten sollen.
Mal sehen, ob alles schön aufgeht und zusammenpasst.
Das a' sei also nach Kammerton 440 Hz gestimmt (alle Hertz-Angaben hier auf zwei Nachkommastellen genau).
Tonika A-Dur
a' = 440,00 Hz
Die rein gestimmte große Terz hat dazu ein Frequenzverhältnis von 5:4 und die reine Quinte ein Frequenzverhältnis von 3:2
cis'' = 550,00 Hz (das liegt fast 14 Cent unter den gleichschwebenden 554,37 Hz)
e'' = 660,00 Hz (das ist 2 Cent höher als die gleichschwebenden 659,26 Hz)
Dominante E-Dur
e'' haben wir ja schon. Von dort aus eine große Terz (5:4) dazu
gis'' = 825,00 Hz (das liegt 12 Cent unter den gleichschwebenden 830,61 Hz)
Die reine Quinte darüber (wieder 3:2) von 990 Hz nehmen wir eine Oktave tiefer (macht ja nichts), also mit 495,00 Hz
h' = 495,00 Hz (4 Cent über den gleichschwebenden 493,88 Hz)
Subdominante D-Dur
d'' und liegt eine reine Quarte (4:3) über a' und hat somit
d'' = 586,67 Hz (2 Cent unter den gleichschwebenden 587,33 Hz)
und die rein intonierte große Terz darüber (5:4) ist dann
fis'' = 733,33 Hz (16 Cent tiefer als die gleichschwebenden 739,99 Hz)
Die reine Quinte (3:2) zum Grundton d'' muss dann 880,00 Hz haben, eine Oktave tiefer nur die Hälfte davon - das passt also und wir kommen wieder zum bekannten a' zurück.
a' = 440,00 Hz (hier ausnahmsweise mal keine Abweichung zur gleichschwebenden Stimmung)
Jetzt kommt das "Problem"!
Schon der einfache reguläre Stufenakkord der II. Stufe (H-Moll) klingt mit den bisher bestimmten wunderschön rein intonierenden Tönen überhaupt nicht mehr:
Auch hier wünschen wir uns rein intoniernde Quinten und Terzen.
d'' und fis'' kennen wir ja schon von der Subdominante D-Dur, aber das h' eine reine Quinte unter dem fis'' bzw. eine kleine Terz unter dem d'' muss dann
h' = 488,89 Hz sein! (fast 9 Cent unter den gleichschwebenden 493,88 Hz)
das liegt immerhin um gut einen Fünftelton unter den eben bestimmten 495,00 Hz (-21,5 Cent, das berühmte
syntonische Komma!)
Um "rein" zu klingen, muss das h' (ein und derselbe Ton!) je nach Fall mal mit 495,00 Hz, mal mit 488,89 Hz klingen.
Und das innerhalb einer Tonart bei simplen Stufenakkorden,!
Zur besseren Übersicht die genannten Akkorde in Notenschrift incl. der zugehörigen Frequenzen:
Das heißt: man braucht nicht mal die "Halbtöne" fis/ges, cis/des usw. zu bemühen, denn schon beispielsweise ein schnöder Einzelton wie H hat keine eindeutige Frequenz! Alles hängt vom augenblicklichen harmonischen Umfeld ab.
Jetzt reicht es aber mit der Rechnerei - ich denke, an diesem Beispiel kann man schön sehen, wie im harmonischen Netz jeder Ton mit jedem zusammenhängt und sich gegenseitig beeinflusst.
Genau aus diesem Grund muss man, wenn man rein intonieren will, beim Tonartwechsel von A-Dur nach D-Dur nicht nur das Gis zum G machen, sondern auch das H um ein syntonisches Komma tiefer machen.
Entsprechend muss beim Tonartwechsel von C-Dur nach F-Dur nicht nur das H zum B erniedrigt werden, sondern auch das D um ein syntonisches Komma erniedrigt werden usw.
In der umgekehrten Richtung des quintenzirkels (etwa von A-Dur nach D-Dur) ist das ähnlich, das möchte ich aber hier jetzt nicht vorrechnen.
Viele Grüße
Torsten