Warum ist ein Dis höher als ein Es?

  • Ersteller opa_albin
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Bei unterschiedlichen Stimmungen auf der Gitarre verändert sich das "Intervallverhalten" ja auch etwas.

Ein Gitarrist, mit dem ich mal zusammen musizierte, berichtete mal davon:
"...
Die Bünde historischer Lauten waren nicht wie an modernen Instrumenten fest im Holz verankerte Metallstäbe, sondern es waren – wie der Name sagt – um das Griffbrett herum gebundene Saiten-Stücke. Diese waren verschiebbar und konnten daher nach Bedarf justiert werden. Deswegen ist die Lautenstimmung prinzipiell etwas variabel. Dasselbe gilt für Gamben und andere Instrumente mit ähnlich gebautem Griffbrett.
...
https://de.wikipedia.org/wiki/Lautenstimmung

Als Saxophonist muss ich auch die Tonhöhe anpassen.
Das Instrument ist nicht perfekt und je nach musiklaischen Kontext ist Fis nicht gleich Fis.

Hier ein Beispiel, in dem das a' auf dem Papier gleich aussieht (natürlich!), aber im ersten Takt 440 Hz und im zweiten 445.5 Hz hat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Syntonisches_Komma#Beispiel

Oder hier:
"...
Wird dies nicht beachtet, tappt man in die Kommafalle, wie im folgenden Hörbeispiel gezeigt wird. Nach viermaliger Wiederholung erklingt der Tonsatz fast einen halben Ton tiefer.Das viermalige Wiederholen der Kommafalle ergibt ein Detonieren um fast einen Halbton
..."
https://de.wikipedia.org/wiki/Eulersches_Tonnetz#Beispiel_3:_Die_„Kommafalle“

Grüße
Omega Minus
 
War es nicht früher in der Kammermusik üblich, dass auf eine andere Grundtonfrequenz gestimmt wurde?
Bei Tasteninstrumenten war es eben so, dass es im Laufe der Zeit allerlei "Kompromiss-Stimmungen" gab, aber meines Wissens immer auf C-Dur bezogen.
Bei modernen Digitalpianos beispielsweise, wo man verschiedene Stimmungen einstellen kann, muss man deshalb auch immer den Grundton mit angeben.

Je weiter man sich von den noch gut funktionierenden Tonarten entfernte, desto krimineller wurde es.
Das war die eigentliche Sensation/Revolution bei Bachs "Wohltemperiertem Klavier" - da waren alle Tonarten im Prinzip "gleich gut" bzw. "gleich schlecht" spielbar.

Bei Klavier oder Gitarre kommt noch die Inharmonizität der Saiten hinzu (beim Klavier stärker als bei der Gitarre, weil die Saiten dicker, steifer und stärker gespannt sind).
Da "beißt" sich nämlich noch die gleichstufige Stimmung mit den Obertönen der Saiten, die durch physikalische Eigenschaften der Saiten auch nicht exakt dem mathematischen Modell entsprechen.
Deshalb stimmt man ein Klavier auch nicht gleichschwebend nach Stimmgerät, sondern traditionell nach Gehör so, dass die entstehenden Schwebungen insgesamt im Zusammenspiel möglichst wenig stören.
Und bei Gitarren hat man genau wegen der Inharmonizität der Saiten die verstellbaren Saitenreiter, um sie halbwegs oktavrein/bundrein zu bekommen.

Im Gegensatz zum Klavier kann man bei der Gitarre allerdings wenigstens Töne durch die Griffweise noch etwas nach oben korrigieren.

Gestimmt wurde nach Kammerton, der niemals genau festgelegt war und, als er es war (440 Hz) sich Orchester aufgrund eines "brillanteren" Klanges trotzdem immer höher geschraubt haben.
Eigentlich katastrophal für Blasinstrumente, weil dann die Bohrungen nicht mehr stimmten und angepasst werden mussten (Flöten sind da ja ein besonderes Sorgenkind).

Zu Querflöten gibt es auch gerade einen diesbezüglichen Thread: Die von Böhm überlieferten Lochdurchmesser und -abstände stimmten nicht mehr richtig, also durch Verkürzung die Grundfrequenz immer weiter angehoben wurde, man aber zunächst noch traditionell weitergebaut wurde, so dass die Instrumente in sich nicht mehr stimmten. Bis Cooper (und andere) kam und das korrigiert/verbessert hat.

Viele Grüße
Torsten
 
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Verbleibendes "Problem" ist, dass man keine festen Bezugspunkte hat und es gibt auch keinen Grund, warum allgemein manche Töne "wichtiger" als andere sein sollten.

Bei Streichern kann man vielleicht die (auf reine Quinten gestimmten) leeren Saiten als fest und gegeben annehmen.

Das ist genau auch die Antwort auf die Frage:

Was gefällt Dir daran nicht?

Mir stört hier zb. dass die Töne hin und her "eiern"

Was nützen reine Akkorde, wenn die Melodie (oder horizontale Linie) bescheiden klingt.
Auch da muss es wieder einen Kompromiss geben.

@RayBeeger Die Grundtonfrequenz hat damit nichts zu tun. Es ist ein relatives Phänomen, egal wie hoch der Kammerton ist.

Entschudige. Die Kollegen haben es schon genauer erklärt.
 
Mir stört hier zb. dass die Töne hin und her "eiern"

Genau. Das Prinzip der "minimalen Abweichung" ist zwar eine ebenso interessante wie naheliegende Idee, die aber in der Praxis durch den Verlust eines halbwegs stabilen Bezugssystems ruiniert wird. --> über das Ziel hinausgeschossen.

Bei Streichern gibt es (notgedrungen) die Leersaiten, deren Stimmung als gegeben hingenommen werden muss - da hat man immerhin Aufhängepunkte/Orientierungspunkte/Fixpunkte.

Mich stört an den üblicherweise kolportierten Halbwahrheiten, "Halbtöne" immer (!) so oder so zu greifen, dass grundsätzlich die Töne mit Versetzungszeichen eine Sonderrolle spielen, die sie eigentlich nicht haben.

Beispiel auf der Geige: Doppelgriff c''-e'', wobei e'' der leeren höchsten Saite entspricht.
Dann muss das c'' (völlig versetzungszeichenlos) höher gegriffen werden (als gleichschwebend), um eine reine große Terz zu erhalten (gleichschwebend wäre das c'' im Verhältnis zum gegebenen e'' zu tief.).

Sooooo exakt können bundlose Instrumente ohnehin nicht gespielt werden.
Und das ist auch gut so, denn sonst ergäbe sich nicht der unvergleichliche und gar nicht mehr kratzige Sound einer symphonischen Besetzung mit zig Geigen, die durch die unvermeidlichen leichten Schwebungen einen wunderbaren natürlichen Chorus-Effekt erzeugt. :D

Viele Grüße
Torsten
 
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Was aber auch phänomenal ist, denn man hört da immer irgendwie ein ziemlich genaues Zentrum im "Gewaber". Selbst wenn es nicht gut gespielt ist.
 
Wow… da fährt man ein Weekend weg und trifft danach auf diesen Diskurs :))
Lieben Dank für die vielen Inputs, da werde ich mich gerne eingraben!
 
man hört da immer irgendwie ein ziemlich genaues Zentrum im "Gewaber". Selbst wenn es nicht gut gespielt ist.
Ich denke, das "Zentrum", um das herum sich alles orientiert, muss schon einigermaßen stimmen.
Ich kann mich an alte Aufnahmen von Sinfonien erinnern, da klingt das teilweise sehr schräg und für unsere heutigen Ohren nicht akzeptabel.

Aber das wäre die nächste interessante Frage, wie sich der Klang von 10 Streichern mit Vibrato mischt und was es da für Feinheiten gibt ...

Bei Streichern gibt es (notgedrungen) die Leersaiten, deren Stimmung als gegeben hingenommen werden muss - da hat man immerhin Aufhängepunkte/Orientierungspunkte/Fixpunkte.
Aber auch nur, wenn man reine Quinten stimmt ... ;)
 
Bei Streichern gibt es (notgedrungen) die Leersaiten, deren Stimmung als gegeben hingenommen werden muss - da hat man immerhin Aufhängepunkte/Orientierungspunkte/Fixpunkte.

Aber auch nur, wenn man reine Quinten stimmt ... ;)

Warum?
Mir ging es darum, dass die Frequenz der Leersaiten naturgemäß nicht durch leichte Variation der Fingerposition auf dem Griffbrett anepasst werden kann.
Deshalb stellen sie unveränderliche "Fixpunkte" dar - unabhängig davon, ob sie in reinen Quinten gestimmt sind oder nicht.

Ein Bläser hingegen kann jeden Ton allein durch den Ansatz leicht nach oben drücken oder nach unten abfallen lassen.

Viele Grüße
Torsten
 
Vielleicht noch als Anmerkung zum einfacheren Suchen nach weiterführenden Infos: die weiter vorne erwähnten 12 reinen Quinten ergeben oktaviert einen Ton, der sich minimal vom Ausgangston unterscheidet; das heißt auch pythagoreisches Komma, mit dem Begriff findet man viel Material und auch Demos zum Nachvollziehen. Das syntonische Komma (oben erwähnt) ist die Differenz von vier reinen Quinten zu einer reinen Terz.
 
Bei der Erfindung der musikalischen Intervalle hatte Gott irgendwie einen schlechten Tag - was? :giggle:
 
Die Töne und ihre Verhältnisse zueinander sind pure Physik und stehen für sich. Es sind die von Menschen gemachten Systeme zur Beschreibung ihrer Verhältnisse zueinander die ihre Vor- und Nachteile haben. Gott ist da also kein Vorwurf zu machen. ;)
 
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Gott ist da also kein Vorwurf zu machen. ;)
Notfalls hat man genau für solcherlei Zwecke den Teufel erfunden.

Die Töne und ihre Verhältnisse zueinander sind pure Physik und stehen für sich.
Die Frage ist, ob Götter überhaupt Einflussmöglichkeiten auf die Naturgesetze haben.
Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass trotz aller sonstigen Unterschiede bei allen bisher bekannten Göttern zu allen Zeiten stets die gleichen unabänderlichen Naturgesetze galten.
 
Ich meine die eine Göttin, die die Natur und deren Gesetze gemacht hat.
Hätte sie sich ein bisschen Mühe gegeben, hätten die mathematischen reinen Frequenzen zu unseren praktisch benutzten Intervallen gepasst ohne ständig darum herumzerren zu müssen.
Ist denn das zuviel verlangt?
 
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Ist denn das zuviel verlangt?
Nicht zuviel, aber leider zu spät - Einspruchsfrist abgelaufen! :rofl:

Ich meine die eine Göttin, die die Natur und deren Gesetze gemacht hat.
Die hat vielleicht "irgendwas mit Medien" studiert.

Naturgesetze bestehen von Natur aus und haben meiner Überzeugung nach nichts mit Göttern zu tun, die ohnehin stets nur lokal und zeitlich begrenzte Bedeutung hatten.
Das bestätigt sogar die Bibel: Beispielsweise die ersten Menschen Adam und Eva waren keinesfalls generell die ersten Menschen, sondern nur die ersten Menschen des auserwählten Volkes im Jahwe-Zuständigkeitsbereich. Die beiden Söhne der ersten Menschen zogen nämlich laut Bibel in ein anderes Land und nahmen sich dort eine Frau (!).
Und die Aussage "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" sagt keinesfalls (eher im Gegenteil!), dass es keine anderen Götter gibt, sondern regelt nur Herrschaftsverhältnisse.

Sorry für Off-Topic, aber ich fand's lustig und wahrscheinlich wird es sowieso gelöscht.

Viele Grüße
Torsten
 
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Ich kann mich an alte Aufnahmen von Sinfonien erinnern, da klingt das teilweise sehr schräg und für unsere heutigen Ohren nicht akzeptabel.
Das ist eher der Aufnahmetechnik zu verdanken, mit viel ungleichmäßig rotierender Mechanik... (als "Opa" könntest du dich noch an die Diskussion über "Gleichlaufschwankungen" bei Tapedecks erinnern...) Intonieren konnten die Musiker auch vor 100 Jahren. Und auch vor der Erfindung der Tonwalze konnten die das schon.

P.S.: Wobei auch die Instrumententechnik Fortschritte gemacht hat; es wurde viel Engineering in gute Intonation gesteckt. Gleichmäßige gearbeitete Nylonsaiten auf der Gitarre beispielsweise gibt es erst seit der Nachkriegszeit (da waren die Darmsaiten schlechter), auch adaptierte Stegeinlagen sind erst ein paar Jahrzehnten üblich. Auch bei anderen Instrumenten hat es hier erhebliche Fortschritte "im Kleinen" gegeben.
 
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Die wohl temperierte Stimmung ist wohl eines der größten Errungenschaft der modernen Musik und ermöglicht es, Musikstücke ganz einfach in andere Tonarten zu transponieren. Man denke nur an die Wolfsquinte . . .
 
Das ist eher der Aufnahmetechnik zu verdanken, mit viel ungleichmäßig rotierender Mechanik.
Ein unsauberer klingender Akkord hat meiner Meinung nach damit nichts zu tun ... Oder wie meinst Du das?
 
Es sind bei alten Aufnahmen häufig sehr verschiedene Arten von Störungen zu hören: Verzerrungen in bestimmten Frequenzbereichen, Unregelmäßigkeiten im Walzen-/Bandlauf (was dazu führen kann, dass ein zum Akkord hinzukommender Ton anders wahrgenommen wird) - und natürlich können auch Unsauberkeiten dabei sein, man hat ja früher nicht geschnitten bzw. schneiden können. Live "versendet" sich das. Auf der Konserve nicht. Müsste man am konkreten Beispiel prüfen. (Und, nein, früher war nicht alles besser und früher konnten nicht alle Musiker besser intonieren...)
 
Ergänzend zu Post #17

5.jpg
 
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Bei Streichern gibt es (notgedrungen) die Leersaiten, deren Stimmung als gegeben hingenommen werden muss - da hat man immerhin Aufhängepunkte/Orientierungspunkte/Fixpunkte.
Die Leersaiten müssen aber nicht notgedrungen gespielt werden, außer der tiefsten, da gibt es dann keine Alternativen. Ich meine mich aus meinem einjährigen Geigengruppenunterricht zu erinnern, dass statt der Leersaiten bevorzugt die Quart der tieferen Saiten gespielt wird.
 
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