Wer jetzt kommt mit 'Markt', Konkurrenz und sowas, soll mal überlegen, ob er auch bereit wäre, für den Lohn eines Polen oder Rumänen zu arbeiten. Aber nein, das ist ja dann wieder was gaaanz anderes.
Wer „Ja“ zur freien Marktwirtschaft sagt, sollte auch den Versuch zu Feilschen billigen
Interessante Debatte. Und es ist schön zu lesen, dass sich manche Fairness nach allen Seiten wünschen. Das tue ich auch, meine aber, dass unsere Ökonomie nicht danach ausgerichtet ist. Das hat eine politische Dimension, weshalb ich zögerte, den folgenden Text überhaupt in einem Musikerforum zu posten, finde aber, dass es überall gesagt werden sollte. Wenn es nicht passt, soll er halt gelöscht werden.
Vorab meine Meinung: Man kann ja mal fragen, ob der Verkäufer mit dem Preis etwas runter gehen kann. Denn es herrscht doch Vertragsfreiheit. Der Verkäufer kann ja ablehnen. Und es gibt nicht nur „unverschämte“ Käufer... Auch geht der Verkäufer im Einzelfall vielleicht sogar gerne etwas runter, weil er den Ladenhüter nur noch loswerden will. Das findet man doch nur durch Fragen heraus. Womöglich können Kunden aber auch nerven, das wäre dann etwas anderes.
Leben und leben lassen ist leider nicht der „Systembefehl“. Vereinfacht gesagt wissen wir doch ungefähr:
Wenn ein Unternehmen mit dem Preis soweit runter muss, dass Mitarbeiter entlassen oder die Löhne abgesenkt werden müssen, dann geschieht das zumindest auch deshalb, weil es in einem Wettbewerb steht, der zum „Wirtschaften“ zwingt. Die Kosten sind klein zu halten, wobei die Leistung gut und der Preis wettbewerbsfähig niedrig bleiben müssen. Das ist der Zwang der freien Marktwirtschaft. Kann es dann verwerflich sein, wenn Mitarbeiter wegen Kunden, welche um die Preise „feilschen“, ihren Job verlieren, wo doch die Wirtschaftsordnung so ausgelegt ist, dass vom Markt geräumt werden soll, wer im Wettbewerb nicht bestehen kann? Nur die produktivsten Unternehmen sollen bestehen können und alle „Schwächeren“ eingehen. Die Kunden ihrerseits unterliegen den gleichen Zwängen bei ihren Erwerbsbemühungen. Manche mehr, manche weniger…
Ein Geschäftsführer eines großen Discounters fand mal, dass er seinen Job nur dann gut gemacht hat, wenn die kleinen Tante Emma Läden, die er auf seinem Weg zur Arbeit sah, dicht machen müssen, weil alle bei ihm kaufen. Er wollte dabei die Vorteile der Größe ausnutzen. Ist das unmoralisch oder systemkonform? Oder unmoralisch systemkonform weil das System unmoralisch ist? Oder moralisch geboten, weil hinter der Ordnung eine Moral steht? Führt moralisches Denken überhaupt weiter?
„Survival of the Fittest“ in der freien Marktwirtschaft soll den Erhalt einer effizienten Volkswirtschaft, die zur Verwertung von möglichen Produktivitätsfortschritten zwingt, sichern. Der Versuch, sich als Käufer besonders nachsichtig zu zeigen, wird daher wohl auch ein irrationaler Kampf gegen Windmühlen sein?
Offenbar greifen alte Mechanismen wie z.B. der Wunsch nach Kundenbindung etc. heute nicht mehr so wie früher. Überspitzt formuliert: Daß alle „vernünftigen“ Marktakteure, Käufer wie Verkäufer heutzutage so wenig wie möglich aufwenden und so viel wie möglich dafür bekommen wollen, entspricht der Logik unserer Wirtschaftsordnung.
Das Gleiche beobachten wir auch innerhalb der EU, wo Exportweltmeister Deutschland anderen Mitgliedstaaten Lohnsenkungen etc. aufzwingt. Eine „Medizin“, unter der ganze Volkswirtschaften und viele Menschen leiden. Anderswo sollen die Debatten deshalb auch anders geführt werden, als in Deutschland. Aber auch hier scheint die zunehmende soziale Spaltung durch den (zwanghaft) „freien“ Binnenmarkt EU in den Diskurs gelangt zu sein. Aber das wäre dann wohl zu viel Politik an dieser Stelle.