Hallo zusammen,
ich möchte gern mal in diesen Thread nachlegen, da ich die Ungeduld von marsss einerseits und das händeringende Empfehlen von livehaftigem Gesangsunterricht der hier versammelten Experten andererseits total nachvollziehen kann.
Ich selbst habe seit 2 Jahren Unterricht bei einem richtig guten Gessangslehrer für Contemporary Singing der sich einerseits mit Speech Level Singing (die Kehlkopffunktionen betreffend) und andererseits mit der Belcanto-Atemtechnik ("Apoggio", "Stütze" ) gut auskennt. Dennoch habe ich im Grunde erst jetzt nach 2 Jahren (!) Coaching geschnallt/körperlich erfahren, was dieses "gestützte" Singen wirklich ist. Warum das so ist? Vermutlich trifft das folgende auch auf mich zu ....
Zitat Tonja: viele Leute in der heutigen Zeit (aus sitzenden Berufen) sind dermassen unkörperlich, lasch, steif oder auch verkrampft, dass man ihnen vor dem Singen tatsächlich zuerst einmal bewusst machen muss, dass sie einen Körper haben, den sie beim Singen in seiner Gesamtheit benutzen sollen
ABER AUCH: Ich habe im Vorfeld soviel Unsinn und Halbwahrheiten im Internet über die ominöse Stütze gelesen, dass ich am Ende überhaupt keinen Plan mehr hatte.
Fühlen und Hören durch einen echten Coach ist vermutlich durch nichts zu ersetzen. Aber zweifellos ist es auch nicht verkehrt verstandesmäßig zu wissen, was man da tut und warum. Von allen im Internet kuirsierenden Definitionen und Beschreibungen kann ich nach allem was ich erfahren und erfühlt habe am ehesten noch die von Prof Dr. Volker Gall zusammengetragene unterschreiben, die man hier finden kann:
http://www.prof-gall.de/printable/03265899c11169310/03265899c21017721/index.html
Dabei ist der Mann gar kein Gesangslehrer sondern Facharzt für Phoniatrie (i.R.) , also sowas wie ein HNO-Stimmdoktor.
Er macht deutlich, dass es quasi unmöglich ist, den Sinn des unteren "appogio in petto" (worauf sich der deutsche Begriff "Atemstütze" in der Didaktik fast immer beschränkt) isoliert zu verstehen.
Die Funktion macht immer erst Sinn im Zusammenspiel mit einem guten Stimmsitz als Gegenspieler oder "Widerlager", dem oberen "appoggio in testa".
Erst wenn die richtigen Einstellungen vor allem des weichen Gaumen, des Zungenrücken und der Twangmuskulatur des Kehlkopfes, für den gerade gesungenen Ton gefunden sind, so dass er richtig im Kopf "sitzt", entsteht durch die dort gespeicherte Resonanz-Energie ein Trägheitsmoment gegen dass man von unten "anstützen" kann. Hat man diesen Sitz nicht, ist man immer versucht, durch eine Verengung des Halses gegenzuhalten um Lautstärke zu erreichen, was eine Sackgasse, aber leider allzuschnell an- und schwer wieder abgewöhnt ist.
Auch deshalb ist es wichtig bevor man mit der Stützerei im Selbststudium beginnt, dass ein Lehrer zunächst den korrekten Stimmsitz vermittelt.
Und leider leider ist auch das meiner Erfahrung nach erst der zweite Schritt beim Zusammensetzen des Puzzles: Denn ohne gut trainierte Randstimmfunktion auf den Stimmbändern sucht man (und vor allem Mann;-) auch diesen Stimmsitz vergeblich. Es ist einfach erstmal zu wenig "Futter" für die Kopfresonanzen vorhanden, sodass da gar nix ist, was der weiche Gaumen etc. irgendwo hin lenken kann. Allerdings ist das wohl eher ein Problem der männlichen Stimme. Bei Frauen ist aufgrund der höheren Anlage meist von Haus aus genug "Futter" da , sodass man gleich mit dem Stimmsitz beginnen kann.
In der Praxis wird ein Lehrer sicherlich versuchen alle drei Teile des Puzzles "Randstimme", "Stimmsitz" und untere "Atemstütze" im Wechsel trainieren zu lassen, auf dass sie sich später zu einer größeren Einheit in einem dynamischen Balanceakt zusammenschließen. Das ist dann immer ein echtes Aha-Erlebnis für jeden der kein "Natursänger" ist, also von klein auf die drei Teile ausgewogen zu benutzen und zu beherrschen gelernt hat.
Ich hätte ja noch einiges mehr an Details auf der Pfanne an persönlichen Erkenntnissen, die ich in den letzten Jahren als aktiver TOP40-Sänger und Gesangsschüler über die Stütze für mich herausgefunden habe. Mich würde aber vorher interessieren was die hier im Forum seit Jahren aktiven Gesangslehrer zu dem bisher gesagten meinen...