Ich sehe keinen Grund, warum jemand, der sich für ein Hobby entscheidet und dieses lernen will, demotiviert werden muss, indem man ihm sagt: also erstmal musst du aber etwas machen, was nicht viel mit dem zu tun hat, was dich motiviert hat...
Ich möchte meine Position einfach mal anhand einer Analogie veranschaulichen.
Nehmen wir an, ich bin ein Freund der Asiatischen Küche geworden und finde Gefallen daran, diese Gerichte selbst zu kochen. Ich suche mir einen passenden Kochkurs. Ich schildere meinen Wunsch, asiatisch kochen zu wollen, und höre vom Veranstalter: alles klar, kommen sie vorbei.
Vor Ort geht es dann aber los mit Eisbein und Sauerkraut als erstes Gericht. Auf meine Frage, ob wir hier nicht lernen, asiatische Gerichte zu kochen, höre ich dann: naja, das machen wir schon noch, aber die Grundlagen üben wir am besten erst einmal an traditionellen deutschen Gerichten. Mit der Zeit kann sich dann verständlicherweise ein gewisser Frust breit machen und vielleicht die Euphorie in eine Abneigung gegen das Kochen an sich umschlagen.
Es gibt ja auch kaum einen guten Grund, warum man die Basics nicht in dem favoritiserten Kontext lernen können soll. Natürlich kann man auch hier sagen: du behauptest später, dass du kochen kannst, und dann weißt du noch nicht einmal, wie man ein Kotlett paniert? Das ist doch peinlich! Nein, sehe ich nicht so. Gerade für die Motivation eines Anfängers ist es doch wichtig, dass er neben den Beschwerlichkeiten gerade zu Anfang auch kleine Erfolge sieht und einfache Dinge kann, die ihn begeistern. Es gibt so viele anfangs motivierte Instrumenten-Schüler, die genau durch das Ausbleiben solcher positiven Momente mit der Zeit keine Lust mehr auf das Instrument haben, weil ihnen jemand immer wieder sagt: zuerst musst du diese ganzen Sachen lernen, bevor wir das machen können, weshalb du eigentlich gekommen bist.
Was spricht denn dagegen, mit einem coolen Black-Sabbath-Song anzufangen? Da gibt es Riffs, die ein Anfänger, der Heavy Metal spielen möchte, gut lernen kann. Und dann kann man dem Schüler schon zeigen: schau mal, für einen sauberen Anschlag musst du ein paar Übungen machen, und ich erkläre dir mal, wie die Akkorde aufgebaut werden, wie aus einem Power-Chord ein Dreiklang wird... Welche Tonleiter bei einem langsamen Solo benutzt wird... Es ist doch eher normal, dass man ein neues Hobby anfängt, um dann möglichst schnell auch was zu können, was einem Spaß macht. Es ist doch eher der natürliche Weg, mit einfachen Dingen anzufangen und das Interesse, über den Tellerrand hinauszublicken, entsteht auf dem weiteren Weg. Wenn man z. B. irgendwann Musik spielen will, bei der die (in diesem Fall Metal-)Band eben nicht einfach Pentatonik benutzt, sondern irgendwelche orientalisch oder "schräg" klingende Skalen benutzt. Dann schlägt man den Bogen in andere Gefilde wie Jazz. Damit fängt man doch nicht an, wenn jemand Metal lernen will! Es sei denn, man will ihn ganz schnell demotivieren oder dazu bringen, sich einen anderen Lehrer zu suchen. Wie schon gesagt: viele Lehrer sagen dem Schüler aber nicht: "Das kann ich dir nicht bieten, das ist nicht mein Fachgebiet." Da wird dann so lange wie möglich darauf hingewiesen, dass die Grundlagen nun mal im Blues und Jazz zu finden sind und deshalb müssen wir da durch. Das ergibt keinen Sinn.
Zum Schluss noch eine ganz offensichtliche Sache: wenn ich etwas lernen möchte, dann gehe ich doch auf jemanden zu, bei dem ich sehen kann, dass er das, was ich lernen will, gut kann, oder?
Ich gehe doch nicht zu einem Blues-Gitarristen, wenn ich Metal lernen will. Mindestens möchte ich sehen und hören, dass mein Lehrer die Sachen kennt und spielen kann, die ich lernen will. Falls nicht, erwarte ich dann ernsthaft, dass er mir das beibringen kann? Man muss doch als Lehrer auch das Genre kennen und beherrschen, um es weiter geben zu können.
Also: lass dir von deinem Lehrer doch mal etwas darbieten, was du gerne spielen können würdest. Wenn er das gar nicht drauf hat, dann gibt es sicher bessere Lehrer für dich.
Zur Analogie von oben: niemand von uns würde über Monate hinweg Lust haben, Eisbein mit Sauerkraut, Maultaschen, Schweinebraten und Eintopf zu kochen, wenn er eigentlich vor hatte, das Kochen mit dem Wok zu lernen und wie man andere asiatische Leckereien zubereitet. Vielleicht ist der Leiter seines Kochkurses gar nicht vertraut mit den Besonderheiten der Asiatischen Küche? Er kennt vielleicht weder die besonderen Gewürze, noch die Zubereitungsmethoden. Also was soll das? Klar, er kann einem beibringen, wie man grundsätzlich mit den Messern umgeht und einiges mehr, aber warum soll das nicht gleich im Kontext geschehen, für den man sich interessiert?