Hallo Martman,
Du als Threadsteller tust mir fast ein wenig leid momentan, weil sich das hier ja völlig von Deinem Ursprungsthema weg entwickelt hat.
Is nich tragisch. Im Prinzip hat sich die Diskussion ja doch sehr interessant entwickelt und einige "Abgründe" der Covermukke aufgedeckt.
Untercovert ist für mich natürlich all dass, was ich toll finde und so gut wie nie höre: Kansas, Journey, Toto (ausser Hold the line), Survivor (ausser Eye of the Tiger), Giant, Southern Sons, Vertical Horizon, Dizzy Miss Lizzy, It Bites, und, und, und... Die Leute würden denken, das wäre alles von uns, weil's so gut wie keiner kennt.
Toto außer Hold The Line? Wie ist das mit Africa? Gottlob ist das ja keine Stimmungsmusik. (Ich frag deshalb, weil wir das spielen.) Oder Stop Loving You?
Aber die Gemüter werden offenbar von anderen Fragen bewegt:
Welches Selbstverständnis haben wir als Cover-Musiker?
Also, ich spiel Covermusik, weil ich so Musik spielen kann, die mir gefällt, ohne sie erst komponieren, texten und arrangieren zu müssen - und in der Hoffnung, daß jemand, der mir zuhört, die Musik auch mag, ohne sie erst kennenlernen zu müssen. Ich meine, wieviele "Originalkünstler" gibt's da draußen, die ihre Songs auch nicht selbst schreiben, oder zumindest oft genug nicht? Die einzigen Unterschiede zur Coverversion sind, daß diese nicht vom Interpreten geschriebenen Songs nicht vorher von jemand anders aufgeführt wurden, und daß sie in den meisten Fällen (aber auch nicht immer) für diesen Interpreten geschrieben wurden.
Muss man sich als Cover-Musiker schämen?
Da gibt's viele Abstufungen. Wer ein Pink-Floyd-Konzert bis ins letzte Detail repliziert, verdient natürlich Respekt. Umgekehrt kommt man sich als Covermukker in einer Gruppe von Indie-Alternative-Singer/Songwritern mit hochanspruchsvollen Texten schon komisch vor. Aber: Joe Cocker und Manfred Mann zum Beispiel hatten etliche Hits mit Coverversionen. Und in den 60ern haben sich die Soul-Künstler lustig gegenseitig kreuz und quer gecovert.
Gibt es einen künstlerischen Anspruch oder ist man nur Dienstleister (Mucker-Nutte)?
Wir können es uns erlauben zu spielen, was und wie wir wollen. Wer uns nicht buchen will, weil wir nicht wie jede x-beliebige Partykapelle spielen, soll es sein lassen.
Kann man selbst beeinflussen -Programm, Konzept, Qualität, optisches, Klamotten- dass man gebucht wird?
Mit Chance. Zumindest hat man Einfluß. Siehe oben. Außer natürlich, man spielt bei so einem Krauterveranstalter mit ollem B*hr*ng*r-Pult und 15 Jahre alten selbstgezimmerten ex-Disco-Boxen (Qualität).
Kann man so beeinflussen für welcher Publikum / welchen Veranstalter man spielt?
Ich denke schon. Man wird mit einem gewissen Selbstanspruch und entsprechender Musik/Show sicherlich nicht gebucht für eine Meute, die nur darauf wartet, "HÖLLE! HÖLLE! HÖLLE!" oder "DU ALTE SAU!" zu brüllen - zu Schlagern, die schon gut zwei Jahrzehnte alt sind. Auf eine gewisse Weise finden meistens Band und Publikum passenderweise zusammen, es herrscht ja nicht gerade so ein Bandnotstand, daß man als Veranstalter zwangsweise was Unpassendes buchen muß.
Macht man es aus Spaß oder muß man davon die Miete zahlen?
Kann es nicht trotzdem Spaß machen?
Wir machen es aus Spaß, und wenn es uns die eine oder andere Raummiete einbringt, ist das natürlich ein netter Bonus. Und ich zweifel ja auch nicht an, daß es auch mal vorkommt, daß z. B. die Band SOTW voll geil findet, die Sängern zufällig ein Etheridge- oder Juli-Fan ist oder der Sänger sich mit DJ Ötzi identifiziert. Nur halte ich persönlich es für unwahrscheinlich, daß das in allen Bands dieser Art der Fall ist.
Muß man immer alles bedienen können (abliefern)?
Kommt drauf an. Als Hobbyist nicht unbedingt, aber wenn man von der Musik lebt und auch noch viel Konkurrenz hat, versucht man natürlich, jeden, aber auch jeden Gig zu kriegen, den es irgendwo zu kriegen gibt. Und dann muß man alles abliefern können. Wenn man es allerdings nicht nötig hat, kann man sich mehr spezialisieren. Gute Veranstalter buchen einen dann auch für ein passendes Publikum, vielleicht weniger oft, aber häufiger angenehm.
Wie verändert sich die Einstellung zur Covermusik, wenn man nicht nur 2 Gigs im Monat sondern 15 Gigs im Monat spielt?
In der Situation bin ich nicht; eigentlich bin ich in keiner der beiden Situationen. Aber sagen wir's mal so: Irgendwann kommt man da an, wo man nicht mehr für Spritgeld spielt. Das heißt, die Gigs fangen an, wirklich Geld abzuwerfen. Dann ist die Probenraummiete drin, dann ist der Ausbau des Equipments drin, dann ist auch mal Gage für die Musiker drin. So, je häufiger man giggt, desto mehr nimmt man damit auch ein. Und wenn man oft gebucht wird, kann man auch "ein bißchen" mehr verlangen, und in die Taschen der Mukker wird noch mehr Geld gespült. Da kriegt man schon mal Dollar- oder Eurozeichen in den Augen und will natürlich mehr Geld einnehmen. Einige kündigen vielleicht sogar ihre frustrierenden Jobs und machen die Mukke zum Haupterwerb, und die sind dann sogar darauf angewiesen, oft und gut "abzuliefern". Spätestens dann gibt's kein Zurück mehr, man kann sich nicht mehr nach eigenen Vorlieben richten, sondern muß sich der Masse anpassen, egal wie schrottig deren Musikgeschmack sein mag. Dann heißt es Augen zu und durch. Das Ergebnis kann man in FIMG nachlesen (ungeachtet der Tatsache, daß Tiffanys keine 15 Gigs im Vierteljahr zusammenbekommen zu haben scheinen).
Meine Bandkollegen haben übrigens erklärt, daß sie gar nicht so oft giggen wollen. 5-10 Gigs pro Jahr vielleicht. Und wir machen auch nicht alles; seit der Umformung der Band 2006 oder 2007 (da war ich noch nicht dabei) hatten wir erst einen Gig und mindestens einen weiteren abgesagt, obwohl wir alle gekonnt hätten.
Und große Tributebands haben allein wegen des Aufwands keine 15 Gigs im Monat. "Normale" Tributebands, wie man sie hierzulande findet, giggen vielleicht etwas öfter. Aber die ganz Großen, die um die Welt touren, z. B. The Musical Box oder The Australian Pink Floyd Show, die sind dazu überhaupt nicht in der Lage. Ganz zu schweigen davon, daß es schwierig wird, so viele Locations zu finden, und daß solche Bands etwas so Besonderes sind, daß sie nicht dreimal hintereinander in dieselbe Location gebucht werden bzw. sich buchen lassen.
ich bin absolut derselben Auffassung wie Du. Genau deshalb haben wir auch unsere "Special Hit" Abteilung.
Das hat bisher aber lediglich beim Publikum in Form von Lob und Begeisterung Wirkung gezeigt. Wir müssten aber viel öfter vor vielen Leuten spielen, um Veranstalter von uns überzeugen zu können und einfach bekannter zu werden. Die interressiert unser "Alleinstellungsmerkmal" nämlich nicht die Bohne (ebenso ein Supersound, und dass wir alles live machen ist den meisten egal). Die wollen einen zugkräftigen Namen!!!
Das ist natürlich ein komplett neuer Aspekt bei der Betrachtung "übercoverter" Songs: Die Veranstalter verlangen, daß man dieses "Zeugs" spielt. Sie lassen einen nicht von diesem Coverband-Mainstream abweichen.
5-6 schon lange (ca. 20-30 Jahre) etablierte Bands mit "Namen" beherrschen hier die Szene. Ich wage zu behaupten, dass diese Bands ohne Angst haben zu müssen, nicht mehr gebucht zu werden, alle mal vom "immer Gespielten" abweichen könnten. Machen sie aber nicht!!
Warum?
Ich denke es ist genau der Grund, warum auch Coca Cola nicht mal was wagt und etwas ändert: Never change a running system!
Siehe oben. Die "dürfen" vielleicht auch nichts anderes spielen. Ich kann mir kaum vorstellen, daß die etablierten Bands das Repertoire vorbestimmen und die Veranstalter von allen Newcomern erwarten, genau das auch zu spielen.
Bis zu einem gewissen Grad spielt auch die Austauschbarkeit der Musiker eine Rolle:
Wenn bei uns eine/r ausfällt ist fast immer Sense mit Gig. Nummern von Journey, Saga, Don Henley, Nik Kershaw etc. haben nicht viele auf dem Zettel.
Ist bei uns genauso. Zumal wir uns nicht immer 100% an die Originalarrangements halten, sondern auch mal was umarrangieren - manche Songs wachsen auf fast die doppelte Originallänge an. Da wir außerdem ein eher ungewöhnliches (wenngleich erfolgversprechendes) Repertoire haben, dauert es Monate, bis sich bei uns ein neuer Musiker eingespielt hat. Und nicht 20 Minuten. Bei einem Repertoire von gerade mal knapp 30 Songs, dies sei nebenbei bemerkt.
Umgekehrt:
Ich kann wiederum nicht in Bands mitspielen, die auf kompromisslose Stimmungskanone machen:
Hatte da gerade eine Anfrage von so einer Band. Mal eben einspringen, ohne Probe. Da kannte ich nicht mal die Hälfte des 150 Nummern-Programms (Rotes Pferd, Finger im Po usw.). Spielen konnte ich grade mal 20 Nummern. Wenn man aber sowas drauf hat, kann man eben auch schnell mal hier und dort einspringen und so noch mal 'n Euro extra machen. Wenn man davon lebt, u.U. bedenkenswert....
Das ist die nächste Sache. Nicht nur die Bands werden austauschbar, sondern auch die Musiker. Damit werden Bands "unausfallbar", weil sie sich notfalls Backupmusiker von anderen Bands ausleihen können, die zu der Zeit vielleicht keinen Gig haben. Die Musiker, die von der Mukke leben, werden's ihnen danken.
Trotzdem denke ich, dass man auch einfach durch Beharrlichkeit und langes "auf der Szene bleiben" einiges bewirken kann.
Ja, zum Beispiel, daß die Songs, die man selbst als Spezialität spielt, beim Publikum gut ankommen, daß die Veranstalter und die großen Bands das merken, und daß spätestens zwei Jahre später alle™ diese Songs spielen.
Auf die Idee, dass man beim spielen von "Summer Of 69" und "Smoke On The Water" auch Spass haben kann ist noch keiner gekommen?
Ist ja nicht auszuschließen. Mutet aber ungewöhnlich an, daß so dermaßen viele Bands auf so dermaßen viele Songs gleichermaßen Bock haben.
Martman