Ich hab da noch eine kleine Geschichte für Euch...
Ich denke, es war 1976. Da habe ich in der Stadt ein Plakat gesehen, da stand was drauf von "Multimedia Rockshow". Nun wurde der Begriff Multimedia zu der Zeit eher selten benutzt und ich konnte eigentlich nur deshalb etwas damit anfangen, weil ich gerade die Kunstschule beendet hatte. Ich fand das also interessant, kannte die Band "The Tubes" aber nicht (wie ich dachte!) und habe mir trotzdem eine Karte gekauft.
Die Veranstaltung sollte wieder in der altehrwürdigen Hamburger Musikhalle stattfinden. Ich erwartete also einen feinsinnigen Kunstgenuß speziell für Intellektuelle (die wir ja damals so nebenher auch alle waren).
Ich traf recht früh an der Musikhalle ein und musste mit den anderen draußen auf den Einlass warten. Da passierten nun schon gleich mal zwei wichtige Dinge. Als erstes wurde mir von einem Typ eine Single in die Hand gedrückt, eine Promotion-Version von "White punks on dope". Toll, dachte ich, der Abend fängt gut an. Wie gesagt, ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wer "The Tubes" waren. Ich freute mich noch über dieses unerwartet Geschenk, als die zweite wichtige Sache passierte. Ich wurde von einem Hippie-Mädchen, kaum jünger als ich, angesprochen, die mir sogleich erklärte das sie zu den Sannyasins, dieser Bhagwan Sekte, gehöre und Geld verdienen müsse. Deshalb bot sie mir an, jetzt hier und gleich mit mir zu schlafen, wenn ich ihr dafür ein paar Mark für ihren Guru gebe.
Da war ich aber baff!
Ich muss ehrlich zugeben, ich habe das Angebot ernsthaft in Erwägung gezogen, auch wenn mir die Sache nicht ganz geheuer war.
Aber dann öffneten sich die Türen der Musikhalle, und ich schlug ihr vor, das Angebot doch auf die Zeit nach dem Konzert zu verlegen. Das wollte sie aber nicht, so ging ich also in die Musikhalle.
Was sich mir hier nun bot, war faszinierend, schockierend und verstörend zugleich. Eine völlig neue Form von Konzert, oder doch eher Theater?
Auf der Bühne standen neben den Instrumenten und der PA insgesamt 4 große Fernseher (ja Fernseher, keine Monitore) und als die Show losging wurde darauf immer wieder Clips und Sequenzen passend zu den Songs eingespielt. Neben der Band gab es eine Unmenge an Tänzerinnen und Requisiten, die während der Show auf der Bühne auftauchten. Unter anderem eine riesige Zigarette und ein Motorrad. Der Sänger Fee Waybill trat fast zu jedem Lied in einer anderen, aberwitzigen Verkleidung auf! Der Höhepunkt war, als er zum Song White punks on dope in einem knappen Silber-Höschen, aus dem immer wieder ein mächtiger Dildo rutsche, und einer riesigen Gitarre um den Hals, auf mörderhohen Plateausohlenstiefeln von einem Turm aus Lautsprecherboxen begraben wurde.
Die Musik war der Hammer! Laut und Druckvoll, Energie ohne Ende und irgendwie pompös!
Ich konnte mein Glück nicht fassen, das ich in dieses Konzert geraten war!
Seit jenem Tag bin ich ein The Tubes-Fan. Allerdings haben sie, was die Show betrifft, nie wieder dieses Niveau erreicht. Wahrscheinlich war es auch einfach nicht zu toppen.
Wer von den Konzerten dieser Tour einen Eindruck haben möchte, dem empfehle ich das Album Tubes Live (siehe Bild).
Wieder mal war die Welt für mich eine andere nach diesem Musikerlebnis.
PS: Nach dem Konzert habe ich dann natürlich gleich alle verfügbaren Platten von The Tubes gekauft. Dadurch konnte ich dann auch endlich ein altes Rätsel lösen. Ich hatte auf einer Kassette einen Song aus dem Radio aufgenommen der mir ungeheuer gut gefiel, aber ich wusste nicht von wem er war und konnte es auch nicht raus finden! Die Auflösung war: Mongo Bondage, von: The Tubes.
Und für alle die es noch nicht wussten: White punks on dope ist natürlich die Vorlage für TV Glotzer der Nina Hagen Band.