Manche Musiker wie ich wollen bewußt den Transistorsound, gerade weil er manchmal nicht nach Röhre klingt. Ich mag viele Transistoramps wegen ihres verzerrten Sounds, weil der sich im Mix anders durchsetzt und auch einen neuen ungewohnten Sound bietet.
Da bin ich zu 100% bei Dir! Ich erwähnte ja gerade oben noch, dass einige meiner Lieblings-Metal-Rhytmus/Riff-Sounds von Gitarristen stammen, die dafür - ganz sicher nicht unbewusst oder zufällig - auf Transistor-Amps setzten.
Und diese Sounds sind exakt so auch mit keinem Röhren-Amp zu erzeugen. So, wie auch kein Röhren-Amp den Clean-Sound des JC 120 exakt hinbekommt. Und unter Jazzern setzen die Polytones jahrzehntelang den Maßstab für "den" Jazz-Sound.
... wo die Diskussion halt für meinen Geschmack immer schwächelt (bzw. eskaliert ...) ist, wenn behauptet wird, dass Transistor-Amps selbstverständlich
wie Röhren-Amps klingen.
Und genau darum geht es mir: Sie klingen nicht per se besser oder schlechter. Sie klingen
anders. Das ist eine objektive Feststellung. Und ob man dieses Klangergebnis jetzt besser oder schlechter findet ist gleichermaßen legitim, das hängt vom subjektiven Empfinden ab. Und das wiederum ist natürlich geprägt von Fragen wie: Welche Sounds haben mich geprägt, will ich denen möglichst nahe kommen oder etwas möglichst anderes/neues kreieren, in welchem Genre bewege ich mich, nutze ich den Amp zu Hause, für Recording, im Proberaum usw.
Bei den günstigen Röhrencombos sind V22, Origin 5 und Tube 15 immer noch hinter den etwas teureren Katanas zu finden.
Was ja auch absolut Sinn macht. Das Pfund, mit dem vergleichsweise günstige Combos in Transistor- oder auch Modelling-Technologie (Katana nennst Du gerade) wuchern, ist Ausstattung und Vielseitigkeit.
Wir wissen doch auch aus Umfragen hier im Board, dass nur ein Bruchteil der E-Gitarristen durchgängig in einer Band spielen, die allermeisten spielen für sich zu Hause, E-Gitarre ist oft ein Hobby von mehreren. Bei so einer Priorisierung und Bedarf macht natürlich ein gut ausgestatteter Transistor-Modelling-Combo total Sinn. Erst recht für den Einsteiger/Aufsteiger, der weniger an eigenem Material und Stil arbeitet, sondern sich eher Klassiker draufschaffen möchte und entsprechend vielseitige Sounds benötigt.
Für den Zweck genügte mir, wie ich schon an anderer Stelle öfter "outete" - sogar genau genommen schon mein Yamaha THR 10. Wobei auch da schon mein Laney Lionheart mit analogen Pedalen davor klanglich eine ganz andere Liga darstellt. Hätte ich aber die Wahl zwischen einem China-Röhren-Einkanaler für 299,- oder dem THR, würde ich immer den THR nehmen.
So, und mit einem Katana 50 oder 100 kann ein Einsteiger eben auch schon erste Gehversuche mit der Band wagen, was mit den von Dir genannten Origin 5 oder Tube 15 eher nicht funktionieren wird (sobald sich ein Drummer im Raum befindet und man keinen Experimental-Krach machen möchte ...).
Ein fortgeschrittener Gitarrist wiederum, der eher einen traditonellen Sound sucht und Vielseitigkeit vor allem mit Spieltechnik, Nutzung der PU-Positionen und Volumen-Regler anstrebt, wird beim Üben zu Hause aber mit einem Origin 5 vielleicht glücklicher als mit einem Katana, von dessen Möglichkeiten er 90% gar nicht nutzt.
Wie gesagt: Die Frage ist immer, was ich will. Es führen aber halt nicht alle Wege zum selben Ziel. Mir fallen spontan auch keine anderen Themen ein, wo das so wäre. Mein 25-kg- Enduro-E-Bike kann ganz andere Dinge als mein 7-Kilo-Rennrad. Und umgekehrt. Aber vermutlich gibt es auch bei dem Thema Leute, für die beides doch einfach Fahrräder sind ...
Da unterstellst du "dem Markt" allerdings, dass "er" vollkommen objektiv in seinen Kaufentscheidungen ist. *Hüstel!* - klar, das Wort "Mojo" ist in Gitarristenkreisen ja vollkommen unbekannt und "Vintage" hat noch nie jemandem Gänsehaut gemacht ...
Zu dem Thema habe ich ja eigentlich gerade schon etwas in einem andere Kontext gesagt... Wenn das für jemanden keinen Unterschied macht, dann ist doch gut. Und im Zweifel auch billiger. Ich lasse z.B. jedes noch so teure Sushi selbst für eine durchschnittliche Pizza Margherita stehen, was mich in den Augen meiner Frau auch zu einem "Geschmacksbanausen" macht. Ich schmecke auch nicht, ob ein Wein 5,- oder 50,- gekostet hat.
Ich belächle dementsprechend keinen Fan irgendeines (vermeintlich "billigen") Equipments, ich verwehre mich aber gegen die Aufforderung, dass das auch für mich verdammt noch mal alles identisch zu klingen hat.
Übrigens: Ich habe über Jahre an Besuchern im Blindtest ausprobiert, wie sie Plattenspieler-Technik von 1990 im Vergleich zu einem aktuellen Netzwerkspieler mit unkomprimierten (="verlustfreien") AIFF-Dateien empfinden. Der eine hört keinen Unterschied, viele fangen aber bei der Analog-Variante plötzlich an, mit den Füßen zu wippen, bis es sie kaum noch im Sessel hält. Grundsätzlich jeder aber ist erstaunt, dass ordentliche Analogtechnik schon vor 30, 40 Jahren mindestens genauso gut klang, wie aktuellste Digitaltechnik. Was eben auch viel über die Frage "neu = grundsätzlich besser!?" aussagt. Aber auch hier: Wo der eine keinen Unterschied hört, ist der Unterschied für den anderen da - und entscheidet sogar darüber, ob ihn die Musik berührt oder an ihm vorbei plätschert.
Ich stimme Dir aber natürlich insofern zu, dass in unsere Wahrnehmung und Bewertung von Equipment weit mehr einfließt, als nur das Hörempfinden!