Was ich lustig finde, ist dass die einstigen Innovationsträger Marshall und Mesa heute ihre eigenen Modeller (JVM, MKV usw) mit fast den gleichen Worten bewerben, wie einst Line6 den ersten POD - "Jahrzehnte der Rockgeschichte in nur einem Gerät" usw.
Die Konzeption des MarkV finde ich zumindest ziemlich bezeichnend für die Branche.
Der Übergang kann und wird sich auch nicht von heute auf morgen vollziehen. Das braucht eine Weile und ich denke auch, dass die beiden Techniken länger nebeneinander existieren werden. Der Wechsel vollzieht sich schleichend und auch nicht vom Billigsegment her. Benutzer von kiloeuros teuren Röhrenamps werden sich schon aus Prinzip nicht mit dem billigen digitalen Trampelkisten abgeben - egal wie es klingt. Das ist unter ihrer Würde. Modelling muss mit Qualität einher gehen, wie zum Beispiel bei den Spezialmodellern von Line6, MM4, DL4 usw. Nicht ganz billig aber gut und einfach zu bedienen. Daher gern gesehen auf den Pedalboards.
Vieles macht daher auch das Marketing aus. So wurde der Axe-Fx vom Europa-Vertrieb leider als glorifizierter POD hingestellt und mit zweifelhaften Aktionen und den selben hohlen Phrasen wie damals der POD beworben. Man versucht wieder mal all die Gitarristen zu ködern, die kein Geld für einen "richtigen" Amp haben. Das ist leider völlig konträr zu der Erfolgsgeschichte in den USA und dem guten Ruf des Geräts dort.
In den Staaten kam der Erfolg des Axe-Fx von oben - also von den Highend-Freaks, die schon alles hatten, inklusive den teuren Boutique-Amps und -effekten. Diese Leute hatten sich anfangs das Gerät als weiteres hochklassiges Effektgerät für ihre Racks zugelegt, als Effekt- und Recordinglösung für die Egnaters, Triaxis' und CAEs. Nach einer gewissen Zeit haben viele der Nutzer dann aber ihre Preamps, Effekte und Amps ohne Not eingemottet oder sogar verkauft - nicht weil sie Geld oder Platz brauchten sondern weil die Geräte einfach überflüssig geworden waren. Wie bei mir.
So hat sich das dann nach und nach durch Mund-zu-Mund Propaganda verbreitet. Nicht durch die Marketingmacht eines riesigen Konzerns wie Line6 oder Roland sondern allein durch Support und Qualität, als Empfehlung von Musiker zu Musiker, völlig ohne Werbung oder Endorser. So musste zum Beispiel damals ein Pat Metheny genauso auf die Warteliste wie jeder andere Käufer auch (Ich glaube, den zweiten als Backup für seine Tour hat er dann aber schneller bekommen.
.) Werbung für den Axe-Fx in amerikanischen Zeitschriften gibt es wohl auch erst seit kurzem. Etwas subtiler als die Werbung in Europa aber leider wieder so schwafelig und hochgestochen so dass bei vielen ein "nicht schon wieder so ein POD"-Gefühl aufkommt. Wie man an dieser Diskussion hier sieht, sind diese Sprüche auf Dauer leider ziemlich unglaubwürdig - egal wie gut die Qualität wirklich ist.
Um zurück zum Thema zu kommen. Man muss sich doch nur mal umschauen. Vieles findet schon jetzt um uns Gitarristen herum im virtuellen statt wo jahrzehntelang analog der Standard war. So habe ich schon ewig keine echte Hammond mit Leslie mehr auf der Bühne gesehen. Besonders die physische Erfahrung dieser Kombination machte ja einen großen Teil der Faszination dieses Instruments aus aber trotzdem scheint es auch so zu funktionieren und sogar Spaß zu machen. Auch ein handlicheres Instrument wie ein Fender Rhodes findet man immer seltener und selbst echte Pianos sind im Rock/Pop mittlerweile ziemlich rar geworden.
Dazu ersetzt InEar-Monitoring immer mehr die herkömmlichen Monitor-Batterien auf der Bühne und selbst die prolligen Marshall-Wände sieht man immer seltener. Der FOH-Sound wird immer besser und auf der Bühne ist es immer ruhiger. Das ist schon lange der Trend und die Technik folgt.