Darunter gab es die Wandergitarren, mit grausamen Klang und weit unter unserer Würde. Dass manche dieser billigen Wandergitarren heute für viel Geld gehandelt werden, wegen ihres angeblich "bluesigen" Sounds, halte ich für einen Irrtum, der einfach nur auf die miserable Aufnahmetechnik der Vorkriegszeit zurückzuführen ist, die den Sound der Gitarren brutal abschnitt.
Mit den "guten" Gitarren von früher sind Wandergitarren sicherlich nicht gemeint, das ist klar.
Trotzdem stört mich das Bashing von Wandergitarren sehr, das hier im Forum immer mal wieder betrieben wird.
Natürlich waren das sehr einfache Instrumente, aber durch ihre Bauweise (geringe Mensur, kleiner, flacher Korpus, Halsansatz am 12. Bund, Fädel-Steg, Leiter-Verbalkung...) hatten sie einen speziellen, eigenen Klangcharakter. Wandergitarren sind ausgestorben, weil dieses Klangbild und die Optik nicht mehr gefragt war und weil alle lieber eine Westerngitarre haben wollten, wie die Folk-Stars damals.
Trotzdem muss man den Klang ja nicht abwerten.
Ich habe selbst so ein altes Familienerbstück "Handgemacht in Mittenwald". Als Jugendlicher fand ich die Gitarre (damals mit Bergfee-Saiten) einfach nur grottig, aber im Laufe der Zeit habe ich sie (natürlich nicht als Hauptgitarre) doch zu schätzen gelernt. Bespannt mit einem gealterten Satz Argentine Blue, liefern die tiefen Saiten einen holzigen Ton ab, den ich so mit keiner anderen Gitarre erhalte. Die hohen Saiten kippen beim Vibrato leicht in die Obertöne, was auch seinen Reiz hat (solange es sich nicht um die Hauptgitarre handelt, die man sicher gerne neutraler hätte).
Inzwischen ist dieses Instrument leider sehr abgerockt und ich bedauere sehr, dass es kein Hersteller mehr wagt, überhaupt noch etwas vergleichbares - eine echte Wandergitarre - gefertigt nach heutigen Standards - anzubieten.
Ich finde, hier wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet - kleine Westerngitarren sind einfach nicht dasselbe!
Dasselbe gilt auch für die aus der Mode gekommenen und dann ganz ausgestorbenen "Schlaggitarren".
Wo bleibt die Vielfalt, wenn alle nur noch Westerngitarren mit Pin-Bridge und X-Bracing anbieten?
Zurück zum Thema des Threads:
Von der Fertigung her sind Gitarren heute sicherlich besser geworden.
Neue Gitarren, zumindest der Unter-/Mittelklasse, sind aber schlechter zu reparieren als alte, weil oft keine reversiblen Verbindungen (mit wieder ablösbarem Hautleim) mehr genutzt werden und weil keine gut auszubessernden Lacke (wie Schellack oder Nitrolack) mehr aufgetragen werden.
Optisch wirken diese Instrumente auf mich oft zu perfekt - nicht mit einer Aura von wertiger Handwerkskunst, sondern durch die PU-Lackierung eher mit der Perfektion von Plastik. Solche Gitarren altern nicht wie Parkett, sondern wie Laminat.
Trotzdem nehme ich das aus Preisgründen in Kauf und suche meine Instrumente in dieser Kategorie. Mit der künstlichen Anmutung kann ich leben, wenn der Klang und die Bespielbarkeit stimmt.
Ob einem der Zeitgeschmack gefällt, also die Moden bezüglich Klangbild und anderer Merkmale, ist eine andere Frage.
Über die Westerngitarren-Monokultur (aus meiner persönlichen Sicht, ihr seht das wahrscheinlich anders) habe ich ja oben schon geschrieben.
Ich persönlich spiele lieber Instrumente mit Floating Bridge (Gypsy-Gitarren, Archtops) und mag auch die besagte Wandergitarre. Das Angebot solcher Instrumente ist heutzutage leider klein.
Ein modisches Merkmal, das mich extrem stört, sind die allgegenwärtigen Jumbo- / Medium-Jumbo-Bünde. Wenn ich eine solche Gitarre mit ihren Schlauchboot-Bünden in der Hand halte, bereitet mir das ein körperliches Unbehagen. Auf E-Gitarren mag man das ja als konstruktive Verbesserung sehen, damit das Benden nicht so "schwierig" ist.
Auf akustischen ist es für mich eine lästige Zeiterscheinung, von der ich nur hoffe, dass sie bald wieder verschwindet - oder dass zumindest genügend Hersteller ihr weiterhin widerstehen werden.