bagotrix
Helpful & Friendly User
Noch mal kurz zu der Angst vor Gibson Made in China: ich denke nicht, dass US-Fertigung irgendeinen qualitativen Vorteil gegenüber Produktion in China hat.
Wahrscheinlich nicht, wenn man die entsprechende Qualität vorgibt und eisern kontrolliert. Nur gehts darum bei Gibson nicht. Die verkaufen nämlich nicht einfach ein Produkt mit bestimmten Eigenschaften und technischen Daten wie Speicherplatz, Display-Auflösung und Prozessorgeschwindigkeit. Gibsons sind heute mehr denn je ein Lifestyle-Produkt, bei dem für die Zielgruppe die Assoziation zum Geburtsland des Blues und des Rock'n'Roll enorm wichtig ist.
Vielleicht ist es in 20 Jahren auch anders, aber gegenwärtig würde die überwiegende Zahl der potentiellen Käufer eine Verlagerung der Produktion nach China schlicht als das Ende der "echten Gibsons" betrachten. Chinesische Gibsons wären in dieser Wahrnehmung nur noch Kopien. Epiphone würde seine besondere Stellung verlieren, die ganz wesentlich gespeist wird vom Gefühl, dass eine authentische US-Marke dahinter steht und den Gitarren einen Abglanz davon verleiht. Bei "Chibson" wären sie nur noch die Kopie einer Kopie.
@CampFire Hero :
Du hast gefragt, wie denn der "typische Gibson-Käufer" aussehe. Nun, für mich ist das in den meisten Fällen ein Gitarrist, der eher in der Tradition verwurzelt ist. Und die will er auch in seinem Instrument verkörpert sehen, vielleicht auch nach außen zum Ausdruck bringen. Innovative oder gar trendige Musik wird er in den seltensten Fällen machen, und er braucht auch keine Gitarre mit "fantastischen neuen Möglichkeiten". Eine Gibson kauft er sich (und es handelt sich nach meiner vorsichtigen Einschätzung tatsächlich noch seltener um eine "sie" als zB bei Fender), weil er sich endlich die Traumgitarre seiner Jugend leisten kann oder sie sich schon in jüngeren Jahren vom Munde abgespart hat - obwohl eine koreanische Gitarre vielleicht günstiger wäre oder fürs gleiche Geld theoretisch mehr bieten würde. Die erste Gruppe dürfte bei den höherpreisigen Serien und dem Custom Shop dominieren, die zweite im Bereich bis zur Traditional. Bei der Standard wird die Luft ja schon sehr dünn für Normalverdiener oder gar Azubis und Studis.
Wie emotional aufgeladen das Thema Gibson ist, sieht man doch schon hier im Board, das kann man als Hersteller nicht mal eben schnell ändern, und schon gar nicht ignorieren. Und wenn da IWC-Leute dabei sind, dann wissen die auch sehr genau, was die Marke noch wert wäre, wenn sie ihre Uhren (bei gleicher Qualität!) in China statt in der Schweiz produzieren würde.
Bei Fender hat man das in den Krisenjahren übrigens sehr genau wahrgenommen und so den Turnaround geschafft. Nach dem Buy Out kamen Fender-Gitarren ja eine kurze Zeit überhaupt nur aus Japan, und sie waren besser als alles, was Fender in den letzten CBS-Jahren gebaut hatte. Zum damaligen Zeitpunkt wäre es wesentlich günstiger gewesen, Fender nur noch in Japan zu bauen, vielleicht sogar mit einem eigenen Werk. Stattdessen wurde eine völlig neue Produktion in USA aufgebaut, und der Erfolg gab den Managern recht. Und heute, machen wir uns nichts vor, wird die Gitarristengemeinde im Durchschnitt eh tendenziell kleiner und älter, da zählen die oben beschriebenen Faktoren immer mehr statt weniger.
Gruß, bagotrix