murle1 / Moin Rainer. Das möchte ich Dir als Gitarrenbauer gar nicht absprechen. Schließlich bist Du den ganzen Tag nicht Hölzern zugange und hast sicherlich auch schon viel ausprobiert, gehört und verglichen, aber jemand, der gerade einmal sagen wir vier oder fünf Gitarren Zuhause hat, die er immer über den selber Amp spielt und hört, der hat dieses feine Gehör nicht. Ich weiß von Leuten mit sehr teuren High End Stereoanlagen, dass man sich ein sehr gutes Gehör antrainieren kann, aber spätestens im Bandkontext, wo jede Menge andere Klänge dazukommen, von Effektgeräten und dem Geschraube des Mixermannes der auch noch verfremdende Delays, Noise Gain und anderes dazu mischt, sind solche Feinheiten einfach nicht mehr auszumachen. Ich denke, dass der "Klang der Finger", wie Du das so nett beschreibst, eine viel größere Rolle spielt. Ich spiele seit 35 Jahren Gitarre, sowohl akustisch, als auch elektrisch und geniese seit ein paar Jahren die wunderbare Freiheit inzwischen auch nichts anderes mehr tun zu müssen. Den Beruf des Musikalienfachverkäufers habe ich in einem großen Münchener Musikgeschäft von der Pike auf gelernt und viele hier im Board, die mich auch persönlich kennen, oder auch schon von mir modifizierte Gitarren gekauft haben, werden mir sicher zustimmen, wenn ich sagen, dass ich schon ein weg Ahnung habe und solche Dinge nicht einfach so dahinsage.
Natürlich gehört es auch zu dem Geschäft auch Mythen zu schaffen, schließlich muß man die teueren Nitrolackierungen ja auch irgendwie begründen, aber mehr als optische Unterschiede konnte ich hier noch nicht ausmachen. Sicherlich spielt die Auswahl der Hölzer eine Rolle, aber noch viel mehr wer sie bearbeitet und die ausgesuchten Teile schließlich zusammengebaut hat. Ich habe mir beispielsweise vor einem halben Jahr einen Squier Jaguar Bass aus der Modified Vintage Serie gekauft und einige Änderungen vorgenommen. So wurden die Duncan Design gegen Quarterpounds aus der Bass Line Serie ausgetauscht und der Fender Blechwinkel musste zugunsten einer massive Gotoh 3 D Messing Bridge gehen. Schließlich habe ich noch den Plastiksattel gegen einen sorgfältig gekerbten Knochen getauscht.
Was hat man nicht für schlimme Geschichten über das von Squier verbaute Aghatisholz gehört. Das ging von besseres Sperrholz bis zu Brennholz für den Kamin mit übermässig starker Rauchentwicklung. Abgesehen davon, dass der Bass im ürsprünglichen Zustand schon einen guten Ton hatte, war er nach dem Umbau, der gerade mal auf etwas mehr als 220 € kam, wobei ich die alten Teile noch für 60 € in der Bucht verkaufen konnte, nicht mehr wiederzuerkennen. Ich war mit dem Bass einige Tage später bei Just Music hier in Berlin, auf der Suche nach einem kleinen Bassamp und da ich dort einige Verkäufer recht gut kenne, haben wir einige Bässe aus dem hohen Preissegment gegen diesen Squier "Billigbass" aus Kaminholz antreten lassen. Da waren Sandbergs genau wie Jazz Bässe aus der American Serie und ein Jazz Bass aus dem Custom Shop. Selbst langjährige Verkäufer, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als Instrumente auszupacken, einzustellen und zu prüfen mussten zugeben, dass die Unterschiede zu einem Road Worn Jazz Bass aus edler Erle und Nitro lackiert kaum zu hören waren und es selbst sehr teuere Bässe aus dem Custom Shop nicht wirklich besser, sondern einfach nur anders klangen. Und das ist ja nun wirklich Geschmackssache. Möglicherweise war auch etwas Glück dabei, hier genau die Komponenten ausgewählt zu haben, di sehr gut miteinander harmonieren, sicher hat aber die saubere Ausführung der Arbeiten eine große Rolle gespielt. Der Jaguar ist inzwischen der Hauptbass des Bassisten von Dennis K.´s Band, einem User aus unserem Board und der will ihn gar nicht mehr aus der Hand geben.
Ich will damit nicht sagen, dass es Dummheit ist, sich mit teuren Custom Shop Instrumenten einzudecken, da es eine 400 € Klampfe ja genauso tut. Das wäre Blödsinn, schließlich habe ich mir gestern selbst eine Frank Hartung Gitarre gekauft, die einen Neupreis von mehr als 3000 € hat. Aber genauso spiele ich eine 35 Jahre alte Fernandes 62er Strat, für die ich einmal 360 DM bezahlt habe und die von mir über die Jahre immer wieder nach meinen Vorlieben ausgebaut und verbessert habe und die ich heute gegen keine Custom Shop dieser Welt eintauschen würde. Letztlich muss das Gesamtkonzept stimmen und teuere Zutaten alleine machen noch lange keine gute Gitarre aus. Letzten Endes sind es aber immer die Finger des Gitarristen, die einer Gitarre den letzten Ton geben, denn was nützt es, wenn ich die klangrelevante Einflüsse von Farbanteile im Lack einer Gitarre messen kann, wenn das den Zuhörern durch mein Spiel gar nicht vermitteln kann. Die Zuhörer, von denen in den wenigsten Fällen mehr als 0,5% der Unterschied von Singlecoil und Humbucker kennen, wird das ohnehin schnuppe sein. Die wollen eine gute Band hören und 2 Stunden gut unterhalten sein.