Im zweiten Teil des Gewinnspiels zum 20. Geburtstag unseres Boards hatte ich das Glück, den Preis "kann man nicht mit Geld kaufen" in Form eines Zoom-Calls mit Roger Robindoré von Apogee zu gewinnen. Zu so einem Preis lässt sich kein traditionelles Review schreiben, aber ich möchte trotzdem in kurzer Form davon berichten. Ich denke, inhaltlich ist das hier ganz gut aufgehoben.
Wir hatte zu nächst ein paar Schwierigkeiten, einen Termin zu finden. Neben den 9 Stunden Zeitunterschied war Roger in den letzten Wochen stark in die Abschlussarbeiten zum neuen SW-Release für das Symphony Desktop Interface eingebunden.
https://apogeedigital.com/home-feature-news/symphony-desktop-release-119-now-available
Letztendlich haben wir es gestern Abend dann doch geschafft und es war für mich ein sehr angenehmes, anregendes und interessantes Gespräch.
Die Themen drehten sich um teils sehr technische Details. Roger ist Entwickler und Anwender mit weit über 30 Jahren Erfahrung und kein Verkäufer und sprach sehr offen.
Zunächst diskutierten wir über die Frage, ob die aktuelle Technologie an AD- und DA-Wandlern im Grunde ausgereizt ist, ob Verbesserung hier überhaupt notwendig sind und welche Unterschiede von günstigen zu hochpreisigen Produkten erlebbar sind. Laut Roger ist es definitiv so, dass die aktuellen Wandler im Grunde keine Wünsche offen lassen und auch günstigere Produkte eine Qualität liefern, die das übertrifft, was zu Beginn des Zeitalters des digitalen Recordings vorhanden war. Die besten verfügbaren Wandler werden aus Kostengründen aber meist nur in den höherpreisigen Produkten eingesetzt. In bestimmten Situationen, etwa bei klassischen Aufnahmen oder immer dann, wenn es um leise Signale bzw. große Dynamik geht, gibt es dennoch Unterschiede zwischen Produkten. Diese sind dann aber weniger in den Wandler-ICs selbst begründet, als in der Beschaltung im analogen Teil vor oder nach dem Wandler. Die Unterschiede sind eher schwer zu beschreiben und werden am besten direkt erfahren.
In dem Zuge haben wir kurz über Hörtests in der Entwicklung gesprochen. Roger nutzt diese ergänzend zu Messungen, betonte aber, dass diese nur sinnvoll sind, wenn sie sehr sorgfältig durchgeführt werden. Das Setup muss so gestaltet sein, dass jeglicher Bias so gut wie möglich entfernt wird. Sprich, es müssen Blindtests sein, die Pegel der Testobjekte müssen penibel abgeglichen sein, am besten werden nur 2 Objekte direkt verglichen (A/B) und die Sequenz muss relativ kurz sein. Ebenso ist es sinnvoll, wenn die Probanden sich in einer bekannten Umgebung befinden. Hörtests bieten sehr viele Fallstricke und müssen daher meist kritisch hinterfragt werden.
Insgesamt sind Interfaces von den technischen (Mess)Daten in den letzten Jahren immer besser geworden. Wir haben inzwischen ein Level erreicht, in dem sie kein Alleinstellungsmerkmal eines Produkts mehr darstellen. Roger und Apogee legen daher in der Produktentwicklung sehr viel Wert auf den Workflow und das User-Interface. Das spiegelt sich in den Produkten wieder, die meist mit reduzierten Bedienelemente und (noch) ungewöhnlichen Lösungen wie dem Touchscreen in den Symphony-Interfaces arbeiten.
Beim Thema Touchscreen fragte ich, ob sie in dem Zug auch an weitergehende Lösungen wie haptisches Feedback gedacht haben. Für ein Interface mag ein Touchscreen alleine schon "neu" sein, wenn man aber die allgegenwärtige Smartphonetechnologie oder aktuelle HMI-Konzepte im Automotive als Maßstab nimmt, wirkt das schon wieder "alt". Roger stimmte mir hier grundsätzlich zu. Allerdings kann man eine kleine Firma wie Apogee nicht mit der Smartphone- oder Automotive-Industrie gleichsetzen, was die Entwicklungskapazitäten angeht. Da liegen Welten dazwischen, deswegen sind ausgefallene Konzepte wie ein haptisches Feedback momentan so nicht umsetzbar. Durch das Smartphone haben die Kunden einen hohen Anspruch an Displays, die im Audio-Bereich nicht so einfach erfüllbar sind. Ein Interface wird beispielsweise für eine ganz andere Lebensdauer gebaut, als ein Smartphone.
Apogee bietet inzwischen auch immer mehr Plugins, also reine Software-Produkte an. Roger berichtete, dass inzwischen vermehrt Plugins direkt beim Aufnehmen als Ersatz für Hardware-Produkte eingesetzt werden. Das sei eine Veränderung zu früher, als Plugins für diese Anwendung noch sehr kritisch gesehen wurden und meist auf Hardware zurückgegriffen wurde.
Zum Abschluss sprachen wir noch über das unvermeidliche Thema, wie die Pandemie im letzten Jahr sich auf Apogee ausgewirkt hat. Besonders die USB-Mikrofone in ihrer Produktpalette waren logischerweise stark gefragt, sodass ihnen die Arbeit nicht ausgegangen ist. Viel problematischer war für sie ein Ereignis, dass nichts mit dem Virus zu tun hatte: Der Brand bei AKM, dem Hersteller der weithin anerkannt aktuell besten AD- und DA-Wandler-Chips.
https://www.akm.com/kr/en/about-us/news/information/20210122-information/
Das erzeute viel zusätzlichen Entwicklungsaufwand bei Apogee. Sie sind damit jedoch alles andere als alleine, das betrifft momentan viele Produkte (versucht beispielsweise mal, ein RME UFX zu kaufen).
So ging eine Stunde Gespräch sehr schnell vorbei. Roger war ein sehr angenehmer Gesprächspartner und die Inhalte waren für mich sehr spannend. Ich bedanke mich bei Apogee und dem Musikerboard für die Gelegenheit, einen so erfahrenen Entwickler mit meinen Fragen löchern zu dürfen. Falls es im nächsten Jahr wieder eine Musikmesse gibt, werde ich wohl an ihrem Stand vorbei schauen müssen.