Hi,
wenn Du von einer RG kommst und nicht grundsätzlich den Weg in die entgegengesetzte Richtung suchst (sprich fetter Mahagoni-Sound), ist eine CE rein qualitativ ein tolle Gitarre. Der RG ist sie sicher ähnlicher als es eine Custom wäre. Wie @Criss_Guitar schon schreibt, ist das Attack einer CE auch etwas anders. Dazu trägt neben der Schraubverbindung natürlich der Ahornhals seinen Teil bei.
Ich persönlich mag bei einer PRS das Spielgefühl mit 24 Bünden nicht so wie das mit 22, da würde ich überprüfen, ob Dir das vielleicht auch so geht. Der Korpus ist ja praktisch identisch mit der 22-Bund-Version, der Hals aber um die zwei Bünde nach außen gerückt. Dadurch, dass die Cutaway-Hörner nicht so lang sind wie bei Strat oder gar RG, sitzt der Hals immer ein Stück weiter außen, was die Spielhaltung etwas ändert und sich am Gurt weniger stabil anfühlt. Ich spiele durchaus auch gerne Gitarren mit 24 Bünden, aber eben mit 648 mm-Mensur und insgesamt längerem Body.
Der HalsPU klingt auf jeden Fall weniger fett, weil er näher an der Bridge sitzt. Weniger Gibson-mäßig also, aber das muss ja nicht zwangsläufig schlechter sein, sondern ist wirklich Geschmackssache. Es fehlt so ein gewisses Hupen von unten raus, die Mitten werden konkreter - wenn man so will, weniger bluesig, aber sehr gut für Shredding oder gar verzerrte Riffs auf dem HalsPU. Ich als Spinner bilde mir ein, dass der Ton sich auch am Bridge-PU etwas verändert, weil weniger Holz zwischen Bridge und Hals sitzt.
Auch ganz interessant ist die Korpusdicke. Mir kommt die Custom immer arg dünn vor, hat man irgendwie nix in der Hand. Die CE baut tatsächlich etwas dicker (auch wegen des weniger ausgeprägten Shapings), und auch tonal muss sie nicht zwangsläufig weniger Substanz haben. Für den "fetten" Sound sind mMn bei PRS eher Singlecut, DGT und McCarty als die Custom zuständig. Die ist für mich eher auf Vielseitigkeit und extrem leichtgängiges Handling ausgelegt.
Zu guter Letzt solltest Du auch wissen, dass sich die heutigen CEs etwas von den Classic Electric-Modellen der alten Serie unterscheiden. Das fängt schon damit an, dass es ja gar keine CE22 mehr gibt. So eine müsstest Du also auf jeden Fall gebraucht kaufen. Was bei PRS aber auch kein Problem sein sollte, denn zum einen ist die Langzeitqualität von Bundierung, Lack und Hölzern sehr gut, zum anderen behandeln die meisten PRS User ihre kostbaren Geigen nach meinem Eindruck sehr pfleglich.
Verändert hat sich gegenüber den alten Modellen auch der Body und die Hardware, hier wird inzwischen etwas gespart - was irgendwie klar ist, denn alleine das Anschrauben des Halses macht die Produktion nicht so viel billiger, dass es den für einen Markterfolg nötigen Preisabschlag zur Custom gerechtfertigt hätte. Deshalb hat PRS die alte Classic Electric wohl auch aus dem Programm genommen. Die wurden praktisch mit dem gleichen Aufwand und von den gleichen Leuten gebaut wie Custom, Santana & Co., die Herstellung war noch nicht so ausdifferenziert wie heute.
Die früheren Modelle haben jedenfalls ein etwas intensiveres Shaping der Decke, bündig eingelassene statt jetzt nur noch aufgesetzte hintere Abdeckungen, schöneres Material für die Birds (soweit vorhanden, aber Moons passen zu einer CE eigentlich fast besser) und nicht zuletzt das damalige Standard-Tremolo mit Messing-Block. Bei den aktuellen Modellen (die man inzwischen auch auf dem Gebrauchtmarkt findet) wird ein Tremolo aus Guss verwendet, wohl das gleiche wie auf S2 und SE-Serie. Nicht jeder ist so ein Hardware-Fanatiker wie ich, aber falls doch, ist das Umrüsten leider ziemlich teuer und hebt den Preis schon wieder in Custom-Regionen. Die PUs sind im Gegensatz zur S2 aber nach wie vor die Original-USA-Modelle wie in der Core.
Der Haken ist, dass die meisten Besitzer das alles natürlich wissen und die alten CEs nicht unbedingt Schnäppchen sind. Wenn man aber eher die speziellen Eigenschaften einer Bolt On-PRS als ein Sammlerstück sucht, bekommt man diese rein qualitativ mMn auf dem gleichen Niveau wie bei einer gebrauchten Custom. Ich erinnere mich an einen Test aus der Zeit, als die Classic Electric vorgestellt wurde, in dem der Autor meinte, dass sie das Ziel eines Gibson/Fender-Crossovers eigentlich noch besser verkörpere als die ursprünglichen PRS-Modelle. Nicht zu Unrecht, wie ich finde.
Zu guter Letzt noch was zur ebenfalls in USA gebauten S2, die Du gar nicht erwähnt hattest. Auch da haben manche wirklich sehr schöne Decken, und sie liegen auch wieder irgendwo zwischen den Extremen. Eine S2 Custom fühlt sich alleine vom Shaping "stratiger" an, rein vom Ton her liegen sie auch dank Mahagonihals und etwas dickerem Korpus aber etwas näher an der Custom, klingen mMn sogar etwas fetter als die. Manche Exemplare haben durchaus sehr schöne Decken (was Dir ja nicht unwichtig ist), man muss nur etwas länger suchen. Wenn Du also nicht unbedingt Perlmutt-Birds und ein Messing-Tremolo brauchst, könnten die eine echte Alternative sein. Die PUs sind etwas anders, aber mMn nicht schlechter, sondern wie so vieles Geschmackssache. Den Hals finde ich jedenfalls genial. Gebraucht habe ich sie schon unter 1.000 € gesehen, da bliebe also auch noch einige Luft zum Aufhünschen, wenns denn sein muss.
Gruß, bagotrix