Hier wird mir ein bißchen viel mit Zuschreibungen gearbeitet.
Lassen wir mal wirklich weg, was man so landläufig und je nach Szene schwerstens sympathisch findet nach dem Motto: den Konzernen, die ja nur Geld scheffeln, geschieht es nur recht, wenn sie von findigen kleinen underdogs ausgetrickst werden. Auch bei dem Wort Produktpiraterie schwingt ja durchaus der subversive Charakter des Freibeutertums mit.
Dieses Bild passt nun wirklich nicht auf das, was hier passiert:
Die Firmen und Menschen, die Plagiate herstellen, sind selbst hinter nichts anderem her als hinter Kohle und sind da zu allem bereit. Punkt. Die sind keinen Deut sympathischer als die Konzerne und unseriöser zugleich. Es ist Betrug. Punkt.
Da hilft auch wenig der Verweis auf den kulturellen Kontext und die Schiene: ausbeuterische industrielle Konzerne des Westens/Nordens vs. arme, aber fitte Firmen des Ostens/Südens.
Eine Lizenzproduktion ist ein klares Verhältnis. Dadurch wird legal ein Segment bedient, das durch die Produktion in den eigentlichen Herstellungsländern nicht bedient werden kann.
Und natürlich können und sollen die Länder, wenn sie denn durch die Lizenzproduktion die Kompetenzen, das Know How und die Technik kennen gelernt haben, eigene Produkte entwickeln und auf den Markt schmeißen.
Da hat niemand was dagegen.
Wo jeder was dagegen haben müßte, ist dass das in Form von Plagiaten (ein Plagiat ist eine mit betrügerischen Absichten hergestellte Kopie, die sich als Original ausgibt) geschieht. Keiner verlangt doch, dass die achteckige Gitarren herstellen, weil die Birnenform hier schon entwickelt wurde. Aber Kopfplatten abkupfern? Eine Verwechslung nicht nur erwünschen sondern darauf abzielen?
Zum Argument mit dem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund:
1. Man möge sich bitte - Toleranz hin oder her - vor Augen halten, worauf man sich dort auch einläßt. Gehört es - um ein drastisches Beispiel zu nehmen - zur Toleranz, Brüdern mit dem kulturellen Hintergrund der Familienehre hier zu gestatten, ihre Schwestern zu züchtigen, wenn diese ihren Liebesgefühlen nachgehen?
2. Der Ethos, auf den hier angespielt wird, hat einen handwerklichen Hintergrund. Das Meister-Prinzip wurde zu Recht hier angesprochen. Doch das Prinzip, dass man erst lernen sollte, das was seit altersher da ist und eine bestimmte Qualität besitzt (beispielsweise Messer- und Schwertherstellung in China und Japan) herzustellen, bevor man eigene Entwicklungen betreibt, fußt eben auf einer individuellen Aneignung von Meister-Kompetenzen in Bezug auf hochrangige handwerkliche Produkte.
Die industrielle Produktion beruht hingegen auf automatisierten Teilprozessen, bei denen die Anwendung solcher Prinzipien völlig gegenstandslos ist.
3. Generell gilt eben, dass die Regeln des Landes gelten, in das importiert wird.
Die Chinesen oder Belgier können Bier brauen wie sie wollen oder wie es ihnen schmeckt. Wenn das Zeug (ist nicht abwertend gemeint) hier verkauft werden soll, darf es entweder nicht Bier heißen oder es darf nicht verkauft werden oder es muss dem Reinheitsgebot entsprechen. Alle drei Wege sind gangbar.
Aber es nicht nach dem Reinheitsgebot zu brauen und es trotzdem hier unter dem Namen Bier zu brauen, ist eben Betrug.
Die hergestellten Gitarren, um die es geht, werden ja nicht für den chinesischen Markt hergestellt, sondern für den "westlichen". Und dort gelten eben die Regeln der westlichen Märkte. Punkt.
Die von Johannes aufgestellte Forderung halte ich für so selbstverständlich, dass sie - paradoxerweise - gerade dazu einläd, nach Ausnahmen zu suchen, wo die Unterlaufung dieser Forderung noch irgendwie Sinn machen könnte oder Charme hätte.
Und beides hat es in meinen Augen nicht.
x-Riff