Ein Wasserfalldiagramm soll den Klang einer Gitarre adäquat darstellen?
Naja,,.
Ich bin von meiner Ausbildung her Physikalisch Technischer Assistent, verdiene mein Geld aber mit Datenbankprogrammierung, speziell Systemanalyse und Datendesign. Da kommen zwei Disziplinen zusammen, die mich veranlassen, hier mal eine Kardinalitätsbetrachtung aufzumachen, welche Messwerte denn erfasst werden müssten, um so etwas Komplexes wie "den Klang" in einer Schar von Messwerten darzustellen.
Also, was braucht man. Eine Gitarre. Ganz klar. Und zwar eine definierte Gitarre, hinsichtlich ihrer eigenen und ihrer Umgebungseigenschaften. Luftdruck, Temperatur z.B. könnten ziemlich wichtig sein. Dann eine Vorrichtung, die stets die gleiche Kraft auf die Saiten ausübt, ein skalierbares und vor allem kalibrierbares Element zur Schwingungsanregung der Saiten. Am besten ein Teil, das alle Eigenschaften abzubilden vermag, die einem Gitarristen als Parametersatz zur Verfügung stehen die Saiten zupft. Wir hätten da verschiedenste Möglichkeiten, Plektren in verschiedenen Stärken, aus verschiedenen Materialien, die in verschiedenen Winkeln mit verschiedenen Bewegungsabläufen an verschiedenen Stellen auf die Saiten treffen und diese zum Schwingen anregen. Jede Option klingt anders, nicht? Darüber hinaus ist es gang und gäbe, auch mal seine Finger zu nutzen.
Die Messwertaufnahme sollte kein Problem darstellen. Kabel rein, Interface mit bekannten Eigenschaften (da gibt es einen ziemlich geilen AD-Wandler von Stagetech namens Truematch
http://www.rauschenbergstudio.com/Shop/index.php?cPath=41 . Ein Bekannter von mir hat das Teil für 38000 € gekauft. Warum? Weil er es kann und weil er keine Mikrovorverstärker mehr braucht. Dynamikumfang 158 dB). Es muss schon ein kalibrierbares Interface sein, dessen Eigenklang möglichst ausgeschlossen sein muss. Und natürlich müssen wir Metadaten mitnehmen, die verschiedenen Anschlagvarianten genauso wie den gegriffen Ton. Der ließe sich am besten in einer Tabulatur darstellen.
Um einen einzelnen Ton voll umfänglich darzustellen, muss man mindestens drei Parameter aufnehmen: erste Achse Zeit, zweite Achse Frequenz und die dritte Achse Amplitude. Darüber bekommt man ein 3d-Diagramm, ein Gebirge für einen einzelnen Ton. Hier wird der Frequenzverlauf, also das Obertonverhalten über die Zeit gezeigt. Man kann also mit den Augen sehen, was man so hört. Mehr aber auch nicht, übrigens :-D
Und jetzt kommen die diversen Dimensionen.. für eine vollständige Betrachtung müssen wir über alle Dimensionen permutieren. Mir macht so etwas Spaß, schließlich verdiene ich damit ja mein Geld :-D
Erste Dimension Saite, sechs Stück, sagen wir mal
Zweite Dimension Bund, 22 plus Leersaite
Macht schon einmal rechnerisch bei einer 22bündigen Gitarre 138 3d-Gebirge, wegen der Leersaite. Gut, über die oberen Lagen bei den Basssaiten kann man diskutieren. Aber der Vollständigkeit halber sollte das ebenfalls erfasst werden. Die Diskussion und Bewertung erfolgt ja sowieso erst zum Schluss.
Nächste Dimension. Wie halten wir es mit der Dämpfung? Brauchen wir Dämpfung? Ich denke ja, sollte man berücksichtigen, da eine schwingende Saiten ihre Geschwister ebenfalls anregt. Oder schon mal in den unteren Lagen auf den Basssaiten getappt? :-D
Der Einfachheit halber hat die dritte Dimension zwei Fälle, mit und ohne Dämpfung. Außerdem basteln an der Vorrichtung zur Messwertaufnahme, um diese blöde Dämpfung messen zu können. Macht zusammen 276 3d-Gebirge.
Dann überlegen wir mal, wie es sich mit den Saitenstärken verhält. Ich bevorzuge 009-042, 010-046 oder Mischsätze. Andere mögen es lieber dicker, wieder andere lieber dünn. Ich würde sagen drei oder vier Standard-Saitenstärken sollten wohl erfasst werden. Macht 276*4 = 1104 Gebirge (das dicke Ende kommt ja noch, wartet's ab :-D und die Pointe auch :-D ) Speziell die Dämpfung spielt hier mit hinein, nicht wahr?
So, nun zur Anschlagsseite. Wieviele Plektren sollen berücksichtigt werden? Reichen 10? Das wären dann 11040 dreidimensionale Messwertscharen.
Je nach Winkel des Plektrums ändert sich der Klang (auch die Abnutzung eines Plektrums ist wichtig, übrigens.. aber wegen der Wiederholbarkeit und einer damit verbunden Doppelblindverkostung von nun schon einer fünfstelligen Anzahl von dreidimensionalen Grafiken, die zur Veranschaulichung "des Klangs" notwendig sind, verzichte ich. Man ist ja wissenschaftlich unterwegs. Ne?)
Aber der Winkel. Wichtiges Thema. Ich würde sagen, maximal drei Winkel dürften ausreichen. Den Rest kann man dann ja splinen, wenn man unbedingt Zwischenwinkel betrachten möchte. Ich schlage vor 0°, also parallel zur Saite, 30° und 45°. Oder statt 30° 22,5°. Negative Werte würde ich außen vor lassen. Soll lieber an seiner Technik arbeiten, wer das braucht. Wie dem auch sei, nun haben wir 33120 dreidimensionale Messwertscharen.
Dann ist da noch die Anschlagsposition. Auch hier werden drei Positionen ausreichen. Eine etwa 7 cm vom Steg, eine zweite 10 cm vom Steg, eine dritte am Halsansatz. Wären damit 99360 dreidimensionale ...usw.
So. Was ist mit Flageolets? Also, erste Oktave, Quinte und zweite Oktave gehen eigentlich immer Terz bzw. Dezime auch. Da wäre also noch ein Faktor drei drin. Macht somit 298080 dreidimens... ihr wisst schon.
Nun die Anschlagsstärken. Als Musiker ist Dynamik ein großes Thema. Wie viele unterschiedliche Anschlagsstärken wollen wir unterstützen? Bei mehr als drei knacken wir die Million. Ich kann schon mehr als drei mit unendlich vielen Zwischenstufen spielen. Aber auch hier müssen wir uns wohl beschränken. Also sagen wir drei. Wir wollen ja keine Musik machen, sondern eine Gitarre voll umfänglich messen. Weich-mittel-hart. Macht 894240 dreidim... usw.
Ist es eigentlich wichtig, mit welcher Geschwindigkeit ein Plektrum auf die Saite auftrifft? Gut, wenn man shreddet, dann hat man eh nur ein fixen Wert :-D Aber für alle Musiker von uns ist es durchaus von Belang. Ich würde auch wieder drei Stufen vorschlagen. Macht nun also 2682720. Hurra, wir haben endlich die Million geknackt.
Nun kommt ein schöner Aspekt: Das waren bisher nur Einzeltöne (von der Dämpfungsgeschichte einmal abgesehen, dort haben wir es mit einem Frequenzgemisch zu tun)
Nun überlegen wir einmal, wie wir mit Intervallen umgehen. Das ist ja je nach Lage und je nach Physiologie des Players schon unterschiedlich. Aber mit Leersaiten und einem gegriffenem Ton, so country-mäßig gespielt, schaffen wir locker 23*5 = 115 Varianten. Das sind nun 308512800 verschiedene 3d-Gebirge, die den Klang einer Gitarre eindeutig gemessen repräsentieren. Oha, das sind bei einem Sustain von etwa 10 Sekunden doch eine Menge Sekunden. Wenn wir heute anfangen, wären wir an diesem Punkt in etwas über 97 Jahren fertig.
Ich höre hier jetzt einmal auf, dens so langsam kommen wir ins große Einmaleins. Es gibt noch gegriffene Intervalle, ich würde sagen, angefangen von der großen Sekunde bis hin zur dritten Quarte, die die Anzahl der möglichen Kombinationen erst an dieser Stelle so richtig explodieren lassen.
Danach kämen Drei-, Vier-, Fünf und Sechsklänge, deren Variantenreichtum freilich durch die menschliche Physiologie begrenzt und eher zufällig gedeckelt ist.
Was man an diesen Diagrammen sehen könnte, wäre immer noch fragwürdig. Denn ich erfasse und bewerte Töne und Klänge nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren und vergleiche sie mit meinen in über 35 Jahren gespeicherten Klangengrammen in meinem Kopf. Und mit nichts anderem. Wer über meine Engramme nicht verfügt, wird somit auch meine Beurteilung nicht nachvollziehen können.
Also erübrigt sich jede Diskussion, die über einen recht groben, sehr willkürlich und klar von meinem Gesprächspartner abhängig gewählten Detailierungsgrad hinausgeht. Das ist sowatt-von-obsolet... Zumindest für mich. Und aus diesem Grund werde ich den verlinkten Käse auch nicht mir nehmen.
Ach.. der Udo Pipper.. ich habe ihn live gesehen, vor Jahren, bei kleinen Kneipengigs. Sein Sound zumindest war immer toll, wenn man auf Peter Green-artige Sounds steht. Und wenn er Spaß daran hat, eine teure Les Paul auseinanderzunehmen, dann soll er doch. Zumindest hat er eine Legende geschaffen, nicht wahr? :-D Perfektes Marketing in eigener Sache.
Schönen Abend
Grüße Thomas