Murphy's Law im Agenturalltag: Entwerfe zwei Varianten eines Logos. Zwei, weil Kunden immer mindestens zwei Varianten haben wollen, sie sehen sonst den Gegenwert "für das viele Geld" nicht und vor allem fühlen Sie ihre eigene Kompetenz hintergangen. Wer zahlt, muss auch was zu entscheiden haben. Also: zwei Varianten.
Eine, von deren Güte du und die gesamte Agentur vollkommen überzeugt bist: prägnant, reduziert, medienneutral, (möglichst) einzigartig, zeitlos, nicht erklärungsbedürftig, einprägsam und für das Unternehmen und dessen Werte stehend. Du machst es dir nicht leicht, sitzt Tage und Wochen über den Entwürfen, stimmst dich immer wieder ab und irgendwann passt es.
Und eine zweite Variante, die einfach mal zeigt, was mit Photoshop alles geht. Diese Variante setzt zwingend Schlagschatten, leuchtende Konturen und Verläufe sowie möglichst viele Elemente voraus, die man auf keinen Fall abstrahieren darf. Mach aus deinem Logo ein Suchbild, mach die ganz große Kunst daraus. Wenn's also um Rock'n'Roll geht, auf keinen Fall nur ein Plektrum darstellen, sondern immer die ganze 7-köpfige Band inkl. Publikum und Türstehern. Der Betrachter könnte sonst möglicherweise nicht verstehen, dass es wirklich um Rock 'n' Roll geht.
Das Logo darf nur in einer Größe und nur in Farbe funktionieren, alles andere ist eh nicht mehr zeitgemäß. Ergänze das Logo zur Perfektion mit vier Unterzeilen, die nochmals kurz die gesamte Firmengeschichte darstellen - nur für den Fall, dass jemand die Bildmarke nicht versteht.
Diese zweite Variante wird natürlich nur erstellt, damit der Kunde auch wirklich Variante 1 wählt.
Diese beiden Varianten werden dem Kunden präsentiert. Es gibt Schnittchen, die Stimmung ist auf dem Siedepunkt und der Kunde kann den Ratschlägen der Agentur folgen. Der Geschäftsführer hat vor lauter Freude schon das zweite Hemd durch und es sieht nach einem rundum gelungenen Projekt aus. Und dann kommt der Satz, der Träume zerplatzen lässt. Ein Satz, der Diktatur herbeisehnen und Demokratie zum Albtraum werden lässt:
"Frau Meier, wir machen einen Aushang zur Abstimmung."
Wer noch jugendlichen Antrieb hat, versucht, in einer folgenden Diskussion mit möglichst sachlichen Argumenten zu punkten. Wer Erfahrung hat, verabschiedet sich an dieser Stelle von Entwurf 1. Und das alles nur, weil die Geschäftsleitung die "demokratische Linie der Unternehmenskultur" aufleben lässt. Der Betriebsrat wurde zwar vor 150 Jahren abgeschafft, aber beim Logo darf Herr Mustermann aus der Buchhaltung auch mal mitmachen.
Es ist natürlich überspitzt dargestellt und Gott sei Dank kommt nicht immer die Volksabstimmung als letzte Entscheidungsfindung zum Einsatz. Vor allem soll sich dadurch bitte niemand auf die Füße getreten fühlen. Aber: es passiert öfter, als man befürchtet. Von daher find ich's gut, dass letztendlich MS die Entscheidung trifft. Und ich bin mal sehr gespannt, welche Variante hier favorisiert wird.
Tim