Als Jahrgang 1964 kann ich hier vieles, was hier geschrieben wurde, sehr gut nachvollziehen. Immerhin hat es mich im Alter von 12 Jahren, also 1976 als ich meine erste Gitarre, eine Framus Westerngitarre, bekam, erwischt, dass ich seit dem ununterbrochen aktiv in Bands Musik mache.
Früher war das eine idealistische Frage, ob man in einer Band spielt, sich eine Mofa, später ein Moped kaufte oder noch ein paar Jahre später sich in Richtung Computer orientierte. Eines ging meist nur, alleine schon wegen des Geldes. Musikmachen war teuer, egal, ziemlich egal welches Instrument, und man musste unendlich sparen, um sich ein weiteres Stück seines Traums zu erfüllen. Mit 16 Jahren hatte ich eine Lem Three Gesangsanlage, 150Watt, 4 Eingänge und Bandecho, die Boxen dazu, Selbstbau mit einem 12er und Piezohorn, waren selbstgebaut, trotzdem war ich damit überall gefragt, wo irgendwer eine Veranstaltung oder einen Auftritt plante. In vielen Fällen konnte man das Equipment von Tanzmucker abkaufen, die über das nötige Kleingeld verfügten, sich öfter mal was neues zu leisten. Auch wenn es heute ein wenig blöd klingt, das waren damals echt solche Local Heros, angesehen bei allen Leuten, weil sie was machten, was nur wenige konnten, auch bei Amateurmusikern, die immer neidisch auf das Equipment schauten.
Als ich dann selber das Angebot hatte, in einer Tanzband einzusteigen, musste ich nicht lange nachdenken. Und endlich kam nach und nach auch das gute Equipment an Land, die erste Gibson Gitarre, der erste Roland Verstärker, ein großes richtiges Mischpult ... na ja und so weiter.
Keyboarder waren die am meisten gearschten, weil sie richtig Geld investieren mussten, um auch nur annähernd akzeptable Sounds auf die Bühne zu bringen. Das wurde erst Ende der 80/Anfang der 90er mit den Workstations besser, wenn auch noch nicht viel günstiger.
Trotzdem war auch das Leben eines Tanz-/Covermuckers anders als heute. Um die Songs, die man spielen wollte zu bekommen, musste man sich tatsächlich die Schallplatte kaufen. Manchmal hab ich einen aktuellen K-Tel-, Arcade- oder Bravo-Hit-Sampler, oder wie sie auch immer hießen, für 34,90DM gekauft, nur weil da ein Lied daruf war, was wir dringend brauchten. Die haben zwar früher die Songs im Radio häufiger ohne viel Werbung und dazwischengequatsche ausgespielt, aber das war dann doch oft ein Glücksgriff oder mit viel Geduld verbunden, wenn man einen song aus dem Radio mitschneiden wollte.
Selbst die Songtexte raushören war manchmal eine Herausforderung. Gerade bei englischen Songs war das Schulenglisch dann doch häufig nicht ausreichend. Internet gab's nicht, also hab ich gierig auf jedes Top schlagerheft (wer kennt sie noch?) gewartet, oder wenn man Glück hatte einen abgedruckten Songtext aus der Bravo auf der Schreibmaschine abgetippt, mit Blaupause oder Kohlepapier, weil Kopierer gab's ja auch nicht.
Heute zieh ich mir das MP3 kostenlos aus dem Internet, und wenn ich's bei YT mitschneide, den Songtext gibt's gratis dazu bei Songtext.net oder anderen Plattformen. Selbst Sheets bekomme ich so, brauch keine Akkorde mehr heraushören.
Es gab schon Herausforderungen ohne Ende. Dafür war man aber auch etwas besonderes, Live-Musik-Veranstaltungen waren noch was besonderes. Von 1980 bis etwa zur Jahrtausendwende konnte ich locker davon leben, was ich als Live-Musiker bei Auftritten bekam, und wir haben noch jede Menge Gigs absagen müssen, weil es einfach zu viel war.
Heute hat sich das Hörverhalten geändert, auch Musikmachen kann jeder, weil das Zeug, das man dazu braucht, nichts mehr kostet im Vergleich zu früher. Entsprechend hat sich auch die Wertschätzung verändert.
Also mein Fazit:
Heute ist vieles deutlich leichter, aber ist das trotzdem besser? Doch im Umkehrschluss daraus zu folgern, dass es früher besser war, ist halt auch nicht richtig. Besser war es früher, weil man als Musiker höhere Wertschätzung erfuhr und auch davon leben konnte. Aus heutiger Sicht ist es aber auch eher peinlich, für was man früher angebetet wurde, gerade wenn man sich Aufnahmen von früher anhört. Darüber darf man aber auch nicht zu viel nachdenken, denn die Ansprüche sind heute auch deutlich höher. Wenn früher das Gitarren-Solo bei 'We will Rock You' die Herausforderung war, weil Brian May sowieso der Gott unter den Gitarren-Göttern, dann siehst du heute auf Youtube 8-jährige, die ein HowToPlay von ganz anderen Ergüssen posten.
Vielleicht sind Leute, die Diskussionen wie diese führen, einfach nur zu alt für diese Welt heute...