Es gibt nämlich für bestimmte Eigenschaften, wie raumfüllende Wucht, Direktheit und Musikalität keine Einstellmöglichkeiten an einem Modeller. Das muss man tatsächlich erlebt, gehört und gefühlt haben, damit diese oft genannten Begriffe auch tatsächlich eine Bedeutung und Verständnis bekommen. Meiner Meinung nach sind nämlich genau hier die Grenzen der Modeller erreicht.
Bei dieser Argumentation wird immer vorausgesetzt, dass dies wichtig und sinnvoll sei.
Ich habe dazu eine andere Einstellung. Und die kommt sicher auch daher, dass ich auch singe, Bass und auch einige andere Instrumente spiele und selbst Songs komponiere, die wir als Band dann spielen.
Was jetzt meine "andere" Einstellung zu E-Gitarre betrifft: Ich modle den Sound zu Hause, feile mitunter auch gerne, was mit einer Lernkurve über meine favorisierten Modelle einhergeht. Ich erstelle die Sounds mit Kopfhörer über einem Backing-Track, um zu hören, wie sie sich ins Soundgefüge einfügen. Im Bandkontext muss ich im Proberaum in der Regel nicht nachjustieren, weil Song- und Banddienlichkeit bei mir in der Programmierung im Vordergrund stehen, und nicht narzisstische Brachialgewalt. (Man könnte hier auch das große Fass aufmachen, indem sich jene Sänger und Gitarristen tummeln, die um die Vorherrschaft in der Band rittern.) Über die PA, und ich habe eben auch eine eigene PA, was im Zusammenhang mit Modeling meiner Erfahrung nach ein wichtiger Faktor ist, klingen die Sounds auch entsprechend fett, mit Wucht und direkt. Aber immer noch songdienlich und rittern nicht mit dem Gesang um die Vorherrschaft der Mitten und nicht mit dem Bass um die Tiefen.
Mit vielen Gitarristen, die mir in meinem Leben in diversen Proberäumen bei diversen Sessions über den Weg spielten, kam ich auf keinen grünen Zweig. Die waren laut, wuchtig, röhrengewaltig, mit matschendem Scound, im Bandkontext für mich persönlich und meine Musikvorstellungen aber suboptimal banddienlich.
Dieser Wind an den Hosenbeinen mag für manchen Gitarristen cool sein, ist aber für ernsthafte Band- und Studioprojekte kontraproduktiv.
Im FOH beim Publikum kommt der Schalldruck des Fullstacks bei einer bestimmten Saalgröße auch nicht an, auf der Recordingspur sowieso nicht.
Darum sind diese, Deine vermeintlichen Grenzen eines Modelers, für mich keine Grenzen. Weil diese von Dir genannten Eigenschaften weder im FOH noch auf auf der Aufnahme ankommen.
Und die ganzen Möglichkeiten und Optionen können leicht dazu führen, dass man sich einfach verliert. Wie so viele Dinge dieser modernen Zeiten, kann ein Modeller durchaus ein Segen sein. Aber der Fluch der Oberflächlichkeit liegt nicht weit.
Wer nicht weiß, wo er hin will, für den ist auch eine Gitarre mit Amp und ein Stompboard voll Effekten ein Fass ohne Boden, mit Deinen Worten ein Fluch. Viele der Mauler sind weder mit analogem noch mit digitalem Equipment zufrieden. Was Du Oberflächlichkeit nennst, würde ich Gelassenheit gegenüber übertriebenem Perfektionismus bezeichnen. Da feile ich lieber an den Vocals oder an ausgefuchsten Rhythmen von Drums und Bass als mich in den Tiefen der Soundgestaltung zu verlieren. Wenn die Getriebenheit nach ständiger Verbesserung das Segel setzt, kommt der Fliegende Holländer nie zur Ruhe, im Sinne von innerer Zufriedenheit mit dem, was man kann und hat.