Ja, ein stabiles Timing ist nicht leicht zu lernen. Genau genommen ist es das schwierigste.. wenn man nicht gerade von Mutter Natur gesegnet ist.
Und das trifft auf Dich ganz bestimmt nicht zu. Also: Arbeiten.
Um das Problem mal auf den Punkt zu bringen.. das Schwierige an gutem Timing ist die korrekte Antizipation eines exakt festgelegten Zeitpunktes der nächsten Note. Und dabei ist es vollkommen egal, ob Du einen kompletten Groove, ein Metronom oder möglicherweise sogar einfach gar nichts außer Dein Gefühl als Maßstab nimmst.
Die meisten Rhythmusprobleme, die mir so über den Weg gelaufen sind, haben vor allem auch direkt oder indirekt mit dem Formgefühl zu tun. "Was'n das schon wieder?" Na, Formgefühl ist die Fähigkeit, einen Songablauf zu spüren. Man weiß ganz einfach, wann ein Blues Chorus zu ende ist. Und man weiß auch, wann insbesondere der 5., der 9. und der nächste 1. Takt beginnt. Wenn man das nicht sicher spürt, dann ist es Essig mit der Musik, und stümpert nur herum, weiß nicht, was man spielen soll (obwohl man ja die Pentatonik bis zum Erbrechen geübt hat, die dollsten Sweeps abfeuern kann und überhaupt legato schneller unterwegs ist, als irgendjemandes Ohren zu folgen in der Lage wären..)
Also, fehlendes Formgefühl wirkt sich direkt auf das Timing aus. Selbst, wenn man es intellektuell zählen kann, bleibt es statisch- Und meist wird das exakte Treffen der wichtigsten, der allerwichtigsten Zählzeit, an der alles andere hängt, nämlich der EINS, zur Glücksache und man schwullert irgendwie um sie herum.
Und nun wird es fies. Denn es ist ein Zirkelschluss: Weil man die EINS nicht trifft, entwickelt man kein Formgefühl
und wird nie den Ablauf, den Spannungsbogen eines Stückes spüren, so dass man nicht in die Lage kommt, als Instrumentalist etwas Sinnvolles, Lebendiges zur Musik beizutragen. Selbst, wenn man fertig Komponiertes spielt, wird durch das fehlende Formgefühl, bzw. durch die nicht exakt wahrgenommene EINS es -maximal- heruntergespielt, wahrscheinlich aber einfach leblos bleiben (und wahrscheinlich wird permanent ein unbestimmtes Gefühl, dass da irgend etwas nicht stimmt, versuchen, sich immer wieder in den inneren Vordergrund zu drängeln.. was zu den abstrusesten Abwehren führt.. wobei, manchmal kommt dabei ja auch schon wieder Musik heraus).
Ich kenne die Grooveübungen, das Metronom auf die gerade Zählzeiten ZWEI und VIER zu stellen, natürlich auch. Ich hatte mal früher zum Ende der Bronzezeit hin selbst Jazz-Unterricht.. und rückblickend muss ich sagen, dass mir die Basisarbeit, die hier gelich empfehle, viel Zeit des Suchens hätte ersparen können. Sind auch schön und gut, für das Groovegefühl tolle Übungen. Aber zunächst einmal solltest Du Dein Empfinden für die EINS schärfen. Und nicht nur zunächst, sondern immer wieder.
Das kannst Du Dir am besten mit Klatschen erarbeiten. Oder mit Tonholz. Es gibt eine wirklich, wirklich tolle Site im Web
http://www.jazclass.aust.com/rhythmcl/rc01.htm
Schau Dir weiter unten auf der Site die Übung 1 und 2 an. Diese Übungen bestehen darin, dass Du im ersten Teil die EINS jeden Taktes exakt, und zwar wirklich exakt klatschst. Du darfst nur Dein Klatschen hören, der Klick muss dahinter verschwinden. Du bewegst Dich nicht, sondern konzentrierst Dich total. Kein Fußwippen, kein Kopfnicken, Augen geschlossen, totale Konzentration und Entspannung.
Das Gemeine an den Übungen ist, dass es zwar einen Vorzähler von vier Vierteln gibt, aber danach klickt nur die EINS. Du wirst sehen, das klingt simpel, ist aber in Wahrheit sauschwer. Und sehr, sehr effektiv!
Wenn Du mit dem Tempo 120 bpm so sicher bist, dass Du keinen einzigen Beat versemmelst, kannst Du Dich an das langsamere Tempo 90 bpm wagen.
Wenn auch das klappt, dann kannst Du zur Übung 2 gehen. Auch dort wieder totale Konzentration. Bei dieser Übung klatscht Du nur jede zweite EINS. Und nach dem Vorzähler klickt auch nur jede zweite EINS. Glaub mir, das exakt zu treffen ist nix für Anfänger. Auch hier wieder die Beats so exakt treffen, dass der Klick hinter dem Klatschen verschwindet.
Wenn das bei 60 bpm sicher funktioniert, dann kannst Du auf das langsamere Tempo gehen. Und das ist wirklich langsam. Die Beats kommen mit etwa 11 bpm, d.h. etwa alle fünf Sekunden. Und darin liegt der Sinn der Übung: Wenn Du das kannst, dann kannst Du auf Deinen Fuß verzichten.
So, dann zu Achteln und Vierteln. Kennst Du das Konzept der Rhythmuspyramiden?
Ein Rhythmuspyramide ist eine, oft taktweise aber auch alle zwei oder vier Takte Veränderung der Subdivisionen. Eine Subdivision ist z.B. eine Einteilung in vier Teile, oder in acht, oder sechzehn, oder durchaus auch sechs, zwölf usw. gleich lange Teile.
Daraus kannst Du Pyramiden bauen, indem Du den ersten Takt ganze Noten, im zweiten halbe, im dritten Viertel, im viertel Achtel und dann wieder zurück (Achtel>Viertel>Halbe>Ganze) und dann durchaus auch wieder von vorn losgehend erstellen.
Und Deine Aufgabe besteht darin, die Subdivisionen zunächst einzeln separat zu üben, am besten erst Klatschen, dann auf das Instrument übertragen. Und natürlich wieder unbedingt exakt und mit Metronom. Besser noch mit einem Midifile, oder einem GuitarPro. Das erleichtert Dir etwas die Aufgabe, weil Du direkt eine Vorstellung davon bekommst, wie es sich anfühlt, z.B. Achtel zu hören/klatschen/spielen/fühlen.
Wenn es mit den einzelnen Subdivisionen klappt, dann kannst Du dazu übergehen, sie zu kombinieren. Erst wechselst Du alle zwei Takte, wenn das gut funktioniert, jeden Takt, später evt. halbtaktig.
Aber ganz egal, was Du übst, oder ob Du spielst, improvisierst oder nur Musik hörst: Du muss immer wissen wo im Takt/in der Form Du gerade bist. Und das steht und fällt mit einer genauen Wahrnehmung und Vorstellung der EINS des Taktes.
Grüße Thomas