Hallo zusammen,
ich lese in diesem Forum schon geraume Zeit mit und bin gestern über diesen Linkshänder-Geigen-Thread gestolpert. Und spätestens damit wurde es Zeit, dass ich mich anmelde und vielleicht hier meine speziellen Erfahrungen einbringe.
Ich bin Linkshänder und habe mit 7 Jahren angefangen Geige zu spielen. Nun ist das mittlerweile 35 Jahre her, insofern erinnert man sich sicherlich nicht mehr an alles so richtig. Die Zeit damals war eher so geprägt, dass Linkshänder, soweit möglich, die Dinge wie Rechtshänder lernen um manche Schwierigkeiten, die ein Linkshänder hat, wenn er z.B. mit links schreibt eben nicht zu haben.
Irgendwie empfand ich persönlich das damals nicht als Zwang, oder als "Einschränkung meiner Persönlichkeit", sondern als Herausforderung und eigentlich ganz spaßig das Schreiben mit rechts zu lernen. Ich schreibe nach wie vor rechts, mit einer kurzen Ausnahme: Als 17-Jähriger hatte ich mal rechts nen gebrochenen Finger und musste wegen Gips links schreiben. Das war dann echt eine Qual und war total langsam und unleserlich, obwohl ich Linkshänder bin und schon immer mit links male und zeichne, esse, Tischtennis spiele usw. Es war ungewohnt und ich war froh, das ich nach dem Gips wieder rechts schreiben durfte.
Bei der Geige, die mir anfangs mein Opa beigebracht hat, hatte ich überhaupt nicht nachgedacht, ob ich sie eigentlich anders halten wollen würde. Ich habe es so gemacht, wie es mir beigebracht wurde und hatte dabei genauso viele, bzw. genauso wenige Probleme wie meine Klassenkameraden, die Rechtshänder waren. Es war für mich "vom Empfinden her" überhaupt nicht unlogisch und ich habe mir deshalb auch nie Gedanken drüber gemacht. Als Linkshänder war ich gewohnt Dinge anders zu machen als andere. Und es kam eigentlich nur darauf an, wie ich "anfange" Dinge zu tun. Essen z.B.: Ich begann links mit Gabel und Löffel. Dann kam das Messer in der Rechten dazu. War eigentlich kein Problem. Wenn ich allerdings nur mit einem Messer arbeite mache ich das natürlich links.
Um wieder auf die Geige zu kommen: Ich fand es eher einfacher wie die anderen, die mit der Greifhand Schwierigkeiten hatten, vorallem mit Kraft, kleinem Finger usw. Das mit der Bogenhaltung und-führung war eigentlich nicht so schwer. War ja auch erstmal alles Legato. Das Greifen dagegen lief gleich relativ gut und als ich dann Vibrato lernte klappte das auf Anhieb echt gut und ich wurde oft für meinen "schönen Ton" gelobt. Auch Spiccato, Staccato, Streichforzierungen, leises Streichen ging mit dem Bogen bald relativ leicht und gut. Jedenfall hatte ich nie den Eindruck, dass ich hier Nachteile gegenüber anderen hätte, oder langsamer wäre. Bei schnellem Martelée, also Spiccato (Springbogen) eher in der Mitte des Bogens tat ich mir schwer, vielleicht wäre das andersrum leichter gewesen. Aber hier kommt eben auch total die Bogenqualität, bzw. die Ausgewogenheit zum tragen und es klappte mal mit dem einen, mal mit dem anderen Bogen besser. Aber ganz ehrlich: Wie oft brauche ich diese Spielart? Da brauche ich mein Vibrato vieeeeel öfter. Letztendlich bin ich eigentlich froh als Linkshänder die Geige links zu halten
Für mich "forme" ich auch den Ton gefühlt links und der Bogen macht intuitiv den Rest dazu.
Nun zur Gitarre, die hier auch kurz angesprochen wurde:
Da ich die erst mit 16 Jahren anfing, war ich es schon von der Geige her gewohnt das Instrument links zu greifen. Alle Versuche andersrum fühlten sich falsch und komisch an, also spiele ich auch Gitarre wie ein Rechtshänder. Das ist auch hier beim Greifen, beim Bending, beim Vibrato ein Vorteil... und auch die Zupftechniken, oder schnelles Spielen mit Plecktrum, auch abgedämpft mit dem Handballen, empfinde ich als kein Problem, obwohl ich das mit rechts mache.
Es mag sein, dass ich kein "einseitiger" Linkshänder bin. Ich habe also eine gewisse Grundgeschicklichkeit auch in der rechten Hand, aber die haben Rechtshänder eigentlich genauso in ihrer Linken, sonst könnten sie viele Dinge ja nicht mit zwei Händen machen. Meine Linke ist absolut meine dominante Hand. Trotz allem kommt es in den meisten Fällen nur darauf an wie man was lernt, also mit welcher Hand man intuitiv anfängt. Und da mache ich Dinge, die mit links eben nicht gehen auch ganz intuitiv mit rechts und kann sie am Ende genauso gut wie ein Rechtshänder. Alle anderen mache ich natürlich mit links
Ich will jetzt nicht noch länger schreiben, sonst wird das hier ein Roman, aber ihr dürft gerne nachfragen, wenn was unklar ist