Ich verfolge die Diskussion mit Interesse, weil das eine Thema ist, wo es um die grundlegende Frage geht: "Was ist gesellschaftliche Norm und wer bestimmt das?". Und außerdem sieht man daran auch die ausufernder Zersplitterungen einerseits und gleichzeitige Vermischung anderseits von verschiedenen Subkulturen und deren Normen in der heutigen Zeit.
Dass man niemanden absichtlich verletzt und insgesamt auch Rücksicht nimmt ist klar, darum geht es hier aber gar nicht. Sondern eher darum, was denn so auf einem Konzert normal ist. Jemand der nur klassische Konzerte kennt und zum ersten mal auf einem Pop-Konzert ist (Pop im Sinne von populärer Musik, nicht als spezifisches Genre), könnte sich darüber aufregen, dass die Musik so laut ist, es eng und ruppig zu geht, die leute so laut mitgröhlen und klatschen usw. Und er dann sagt ist ja schlimm, ich kann die Musik gar nicht genießen. Dem würde wohl jeder hier im Forum sagen: Das ist halt ein Pop-Konzert, da gehört das eben dazu. Früher, als Pop/Rock-Musik noch homogener war (und nich in Pop, Punk, Metal, Hardcore, Indie, sonstwas unterteilt war), war das vielleicht noch einfacher, und man konnte sich eben darauf einigen. Mittlerweile haben sich da dann Subgruppen herausgestellt, mit ihren eigen Gepflogenheiten. Und zwar mittlerweile sehr viele (kann man auch lustig an den Metal-Subgenres sehen), aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass immer mehr Leute sich nicht einer spezfischen Szene angehörig fühlen (sondern einfach unterschiedlichste Musik hören, die ihnen gefällt) und außerdem guibt es ja ständig irgendwelche Crossover-Bewegungen. Das führt dann ja fast zwangsläufig dazu, dass da Menschen zusammenkommen, die unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was auf einem Konzert erlaubt ist bzw. was eben dazu gehört. Ich finde es schon recht offensichtlch, dass auch die Vermischung von Hardcore und Metal was damit zu tun. Wenn ein klassischer Metaller auf einen richtigen HC-Gig geht, dann muss er wohl akzeptieren, dass es da Pogo, Violent Dancing, Wall Of Death etc. gibt. Meckern hat da keinen Sinn, zurecht könnte man ihm (wie dem Klassik-Hörer auf einem harmloseren RockKonzert) sagen Wir sind hier eben auf einem HC-Konzert, da gehört das dazu. Umgekehrt kann aber auch ein Metaller in der Oper sitzen um sich Wagners Ring anzusehen, und beim Walkürenritt aufstehen, die Matte schwingen und mitgröhlen. Da wird ihm zurecht jeder sagen Hör mal auf mit dem Scheiß, wir sind hier nicht auf einem Rockkonzert. Und ebenso muss sich wohl jemand (oder eine kleine Gruppe von Leuten) auf einem klassischen Metal-konzert voller Headbanger (die sich ansonsten nicht soviel bewegen) den Spurch Hör mal auf mit dem Scheiß, wir sind hier nicht auf einem Hardcore-Konzert, wenn er sehr raumeinnehmend rumpogt.
Das sind jetzt aber alles Beispiele die sehr deutlich sind oder wo es einfach eine eindeutige Mehrheit gibt, die bestimmt, was sich so gehört. Gerade bei Metalkonzerten habe ich aber auch den Eindruck, dass es da mittlerweile teilweise ganz schön schwierig geworden ist, weil die Ansprüche der Leute an ein Konzert so unterschiedlich sind. Als ich einmal Opeth mit einem rein softem Set (nur Damnation und ruhige Songs der anderen Platten) gesehen habe, hätte ich ernsthaft ein Sofa ziemlich cool gefunden
Auf einem späteren regulären Opeth-Konzert hat sich ein Freund von mir beschwert, dass da vorne so wenig Stimmung ist und die Leute nur rumstehen. Der hat sich halt gedacht Hey, der Mikael brüllt da vorne, ist doch total fett, die machen doch immerhin progessiven Death Metal. Während ein anderer dann sagt Hey, das sind die göttlichen Opeth, ich will die Musik genießen, rempel mich nicht an.
Mich selbst als 2,03m-Mensch betrifft nicht so stark, was da unten passiert, da bin ich zum Glück größtenteils aus der Gefahrenzone
Dafür sind Crowdsurfer für mich umso gefärhlicher und nerviger, weil ich da ständig Tritte vor den Kopf bekomme. Und da gibt es einfach auch zu viele Assis. Bei einem Toten Hosen Festival-Gig stand ich mal wirklich in der ersten Reihe. Ich konnte aber fast gar nicht Richtung Bühne gucken (oder sonst irgendwie auf meine Art Spaß haben), weil wirklich ständig von hinten Leute angeflogen kamen. War total nervig. Ebenso wie ein Spinner einmal bei Skylcad auf dem Dong Open Air (also recht klein) der wohl einen Rekord aufstellen wollte und immer wieder sich erneut von hinten in den Fotograben hat tragen lassen. Den hab ich dann irgendwann einfach nicht mehr getragen, war mir egal. Hier gab es vor einiger Zeit auch mal eine heiße Diskussion darum, dass in Wacken mal Crowdsurfer Richtung Toiletten entsorgt wurden (war auch auf einem Youtube-Video zu sehen).
Es stellt sich halt die Frage: Was gehört dazu? Was muss ich akzeptieren, wenn ich auf ein Konzert gehe? Von Violent Dancing hatte ich früher nie was gehört, als ich das zum ersten Mal sah, dachte ich mir Häh, wat machen die denn da?. Offenbar gehört das halt heute zu einem Metalcore-Konzert? Sind Leute, die das Stageviden stört alles Spießer? Wenn es keine Mehrheiten im Publikum gibt, die den Stil bestimmen, hat die Band ja doch durchaus Macht. Eine Wall of Death z.B. geht ja ausschließlich von der Band aus. Und umgekehrt hat ja hier PeeGee schon gesagt, dass er auch erschrocken war, und ein anderer erzählte, dass er mit seiner Band aufgehört hat zu spielen, wenn da jemand wild rumgepogt hat. Hier hat einer Fugazi erwähnt, war es da auch so? Ich kannte das jetzt nur von At The Drive In, die sollten doch auch Konzerte abgebrochen haben, weil sie keinen Bock auf das pogende HC-Publikum hatten? Wobei die Jungs da ja an sich auch jetzt noch recht eigen sind ich erinner mich ein an The Mars Volta-Konzert Review in der RockHard. Darin stand, dass der Omar während einer Gitarren-Dudelei böse Shut up! gezischt hat, als jemand aus dem Publikum laut mitsang/grölte/klatschte...