Also über die Aussagen von Boulez kann ich nur der Kopf schütteln - und ebenso über die von User Flamand über die mangelende Vielfalt in der Popmusik. Wobei, so wirklich vorwerfen, kann ich es auch nicht, wenn sie sich mit der "Gegenseite" nicht so viel beschäftigt haben. Denn umgekehrt ist es genauso: Für jemanden, der sich gar nicht mit Klassik beschäftigt, klingt alles, was grob den Stempel "Klassik" trägt auch gleich. Der wird einen eher fragend anschauen, wenn man sagt, dass Barock und Wiener Klassik doch offensichtlich etwas völlig anderes ist. Umgekehrt können aber Außenstehende wohl auch nicht ganz nachvollziehen, wenn ich erzähle, dass ich Death Metal meist langweilig finde, weil es mir zu technisch klingt, während Black Metal dagegen eher eine Faszination auf mich ausübt
Die Populäre Musik ist defintiv vielfältig, und es gibt da alles von oberflächlicher Unterhaltung bis zu komplexen und ernstereren Werken. ZWischen Monteverdi und Lachenmann liegen auch 400 Jahre, in 40 Jahren Popmusik dagegen ist extrem viel passiert - manchmal bin ich selbst überrascht, wie es in nur einer Generation von den Beatles zu Cannibal Corpse kam. Und das bei der gleichen Instrumentierung, also durchaus einer direkten Ahnenreihe. Von ganz neuen Dingen wie Elektro ganz zu schweigen.
Elitäres Gehabe gibt es aber wie schon gesagt auch zwischen allen anderen Musikrichtungen. Wobei ich nicht sagen würde, dass es immer nur um simple Szenezugehörigkeit geht. Gerade bei Metal vs. HipHop sind die "Argumente " ähnlich wie bei Klassik vs. populärer Musik. Denn Metaller erzählen oft was von Anspruch, und dass da ja noch richtige, komplexe Musik gemacht wird, und die Leute gut an ihren Instrumenten sein. Während HipHop doch nur dummes, monotones gestottere zu primitiven Computerrhythmen sei.
Klassik ist aber auch schick. Man kann dadurch ja auch versuchen, sich etwas elitärer zu fühlen und was nach außen zu tragen. Ich verneheme in den letzten Jahren vermehrt, dass der Trend (auch unter Jugendlichen) wieder mehr zur gehobenen Etikette geht. Statt simpler Schulparties mit Flaschenbier gibt es aufwändige Proms mit Abendgarderobe. Und es kommt ja auch mal gut, sich auf einem klassischen Konzert blicken zu lassen
Na ja, war jetzt vielleicht etwas böse, so schlimm ist es vielleicht noch nicht. Aber Versuche, gewissen Dingen durch "klassische Musik" etwas mehr "Anspruch" zu verleihen, sind durchaus da. Aktuell begegnen mir im Radio und TV häufig "Adoro" - fünf Opernsänger, die Popsongs singen. Ich finde es ziemlich schrecklich, aber ist ja Geschmackssache
Auch innerhalb der Rock/Metal-Szene zeigt man gern durch das Tragen von Opeth-, Tool- oder Meshuggah-Shirts "Seht her, ich höre anspruchsvolle Musik!"
Im beinahe "musealen" Umgang mit klassischer Musik sehe ich aber auch das Problem. Und das nicht nur bei Musik, sondern auch bei anderer "Hochkultur", speziell Literatur. Dadurch wird die Distanz der Leute (vor allem junger Leute) nur noch vergrößert, und äußert sich dann in zwei Extremen: Entweder man findet es langweilig, weil es ja etwas ist, was man nur in der Schule hört/liest/lernt und der Lehrer das will, oder man hat einen übergroßen Respekt davor. Letzteres kann sich dann auch in oben genannter Angeberei äußern (Goethes Faust macht sich gut im Bücherregal, wenn mal Besuch kommt...). Und davon muss man meiner Meinung nach wegkommen. Ich versuche Kultur unabhängig von ihrem "Status" zu bewerten, und gehe vorurteilsfrei daran. Ja, ich darf Werke von Goethe oder Beethoven kritisieren oder langweilig finden. Die Begründung "Bäh, sowas liest/ hört man in de Schule, das tue ich mir doch nicht freiwillig an" ist aber wohl nicht die richtige. Und Mussorsky landet etwa nicht in meiner Winamp Playlist, weil ich mal was intellektuelles hören will, sondern weil ich die Nacht auf dem kahlen Berge einfach geil finde. Das soll jetzt auf keinen Fall heißen, dass man klassische Musik auf ihre popmusikalische Unterhaltungstauglichkeit reduzieren sollte. Aber die strikte Trennung und der unterschiedliche Umgang zwischen "Hochkultur" und "Populärkultur" ist unsinnig und der Kultur als solches wenig förderlich. Vor allem wenn man diese Trennung eher anhand des Entstehungszeitraums oder des vermeintlichen "Genres" vornimmt.
In der Tonhalle Düsseldorf gibt es seit rund einem Jahr eine Konzertreihe "3-2-1-Ignition", die sich bewust an junge Leute wendet. Die Idee kam wohl auch vom Indendanten persönlich, und es spielen halt immer die Düsseldorfer Symphoniker. Leider war ich bisher nur beim ersten Mal da... Ja, die gehen natürlich stark auf die Jugend zu (Star Wars Titelmeldodie zur Eröffnung kommt immer gut an
, aber ich habe es jetzt auch nicht als "Anbiederung" an Schüler wahrgenommen. Die Abende stehen jeweils immer unter einem bestimmten Motto, gespielt wird eine Mischung aus bekannten Stücke (oft auch Filmmusik) und (für nicht-klassik-Hörer) unbekanntere Stücken.
http://www.321ignition.de/