Musik ist nicht elitär, egal wie sie genannt wird. Elitär sind Menschen, dafür können die Töne nichts.
Aber Musik gibt es nicht ohne die Menschen, die sie machen und hören. Ein Baum, der auf freiem Feld umfällt - macht er ein Geräusch? Ja natürlich...aber relevant wird es erst, wenn dieses Geräusch jemand hört. Ein Radio, das alleingelassen vor sich hindudelt - macht es Musik? Möglicherweise, aber relevant wird es erst, wenn ein Mensch sie hört.
Es wäre zwar bequem, Musik nur als Töne und Schallereignisse zu betrachten, aber es bringt nicht viel: man wird der Musik und den Menschen dabei nicht gerecht. Musik sind Töne, die von Menschen gehört werden. Menschen nutzen ihre Musik, um sich darin wiederzufinden - oder sogar, um sich selbst und ihre Gruppe damit zu inszenieren. Das gilt für Fussballfans und ihre Stadiongesänge (heute abend lief BVB-Bayern...) genauso, wie für politisch möglicherweise extreme Gruppen (die Machtergreifung der Nazis vor 80 Jahren wurde auch musikalisch inszeniert). Diese Gruppen sind inhaltlich natürlich überhaupt nicht vergleichbar, aber hier wird deutlich, dass Musik weit mehr ist, als Töne. Wir wissen alle wo es hinführt, wenn ein Atomphysiker nur den Standpunkt vertritt, für die sozialen Auswirkungen seiner Forschungen sei er nicht verantwortlich.
Wenn man Musik auf Schallereignisse reduziert, ignoriert man fatalerweise die soziale Wirkung. Und die kann durchaus so sein, dass sich eine Gruppe ihrer elitären Ausrichtung vergewissern will. Jeder Fussballverein hat sein Vereinslied, das die eigene Gruppe beschwört und die Bindung des Einzelnen an die Gruppe als etwas Besonderes charaktierisiert. Das sozialistische Kampflied
"Die Internationale" (das heute noch z.B. bei
SPD-Traditionsveranstaltungen gerne gesungen wird) strotzt nur so vom Bewusstsein der Arbeiterklasse, statt der Kapitalisten und herrschenden Klasse die wahre Elite zu sein (ob das heutzutage für die SPD eine gute Haltung ist, sei dahingestellt
).
Elitär zu denken ist letztlich auch nur eine stärkere und möglicherweise übertriebene Form der Identifikation mit einer Gruppe. Identifikation alleine ist ja nichts Schlechtes, und das über Musik zu erreichen, auch nicht - solange die Werte der Gruppe grundsätzlich in Ordnung sind.
Harald