Ist klassische Musik elitär?

  • Ersteller Effjott
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Sehen wir es mal historisch:
Haydn komponierte für seinen fürsten, Beethoven spielte in adligen zirkeln, oper war lange zeit "hofoper", bis gehobenes bürgertum sie in besitz nahm. Die innenstadt und die parks des aufgeklärten Weimar waren nur zugänglich "in anständiger (d.h. wenigstens bürgerlicher ) kleidung", und wer bevölkerte den "Grünen Hügel" in Bayreuth, wer ist heute da zugange?
Ich fühlte mich recht einsam im opernhaus in Rom unter all den befrackten, ordensbehängten herren und den aufgedonnerten, brillantenfunkelnden damen, wie mag das in der MET sein?
Reden wir mal nicht von den eintrittsgeldern.
Andererseits: in der NS-zeit und in der DDR gab es billige angebote und abbonnements für theater und konzert, für jedermann erschwinglich, wer aber ging nicht hin und zog UFA-kino und TV "Kessel Buntes" oder "Dallas" vor ?
Ich war mit einer gruppe von akademikern in Dresden unterwegs, es bestand die möglichkeit, das absolventenkonzert der hochschulen zu besuchen (mit dem début eines später sehr populären bassisten). Nein, das könnte "zu schwer" sein! Die mär von "schwerer musik" kommt nicht von ungefähr, sie ist tief verwurzelt.
 
Günter Sch.;4869134 schrieb:
... es bestand die möglichkeit, das absolventenkonzert der hochschulen zu besuchen (mit dem début eines später sehr populären bassisten). Nein, das könnte "zu schwer" sein! Die mär von "schwerer musik" kommt nicht von ungefähr, sie ist tief verwurzelt.

Das ist leider wahr, ist wohl auch ein Grund dafür, warum viele Menschen Klassik-Konzerte nicht besuchen.
Andererseits ist der Zugang zu Live-Konzerten, zu Klassik in den Medien niemals leichter gewesen als heute.
Auch die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen oder Gesangsunterricht zu bekommen, ist nach meiner Erfahrung in der Vergangenheit sowohl von der Finanzierung als auch vom Angebot in kleineren Städten und Dörfern deutlich schwieriger gewesen als heute.

Daher argumentiere ich auch, dass es nicht ausschließlich auf die finanziellen Voraussetzungen in den Familien ankommt, sondern dass der einzelne Interessierte sich schon selbst auch bemühen muss, in die Materie "Musik" ernsthaft einzusteigen. Das kostet Zeit und Durchhaltevermögen, ist eben nicht vergleichbar mit Party und Freizeit-Fun.
Erwachsene sollten sich dessen bewusst sein und vielleicht auch, wie hier schon geschrieben wurde, sich selbst musikalisch weiterbilden.
Bei den Kindern wird das mMn, wenn sie früh genug anfangen mit einem Instrument, häufig durch die intrinsische Motivation an der Sache deutlich besser vonstatten gehen.

Die Chancen sind meines Erachtens heute größer als je zuvor.
 
Jede kultur (im sinne von "glockenbecherkultur") wurde/wird von einer gruppe getragen (1-mann-kulturen gibt es ebensowenig wie 1-mann-religionen), sie bildet sich, erreicht einen höhepunkt und verebbt. Wir können die phase des aufstrebenden bürgertums in Mitteleuropa nicht wiederholen und ebensowenig ihre hohe musikkultur, in der das funktionale Dur-moll-system auf einen gipfel wie zu seinem ende geführt wurde. Konzerte gegen eintritt, den bürgerlichen oder auch noch aristokratischen salon, das klavier in der guten stube hatte es vordem nicht gegeben, und wenn es das alles heute noch gibt, ist es ein nachhall, ein wechsel vom lebendigen hin zum musealen.
Es spricht für die qualiität musikalischer klassik, dass sie noch gepflegt wird, aber es ist eine illusion, eine neue blüte und hinwendung zu erwarten.
So wie handwerkliche arbeit durch maschinelle massenproduktion ersetzte wurde, so bildeten und eroberten kommerzielle massenmedien einen markt, den es zuvor auch nicht gegeben hatte. Schufen die komponisten des 19.jhs. noch unverwechselbare, persönliche unikate, so bleiben heute die autoren von unzähligen, nach bestimmtem muster modisch gestrickten "titeln" nahezu unbekannt und treten hinter den augen- und ohrenfälligen interpreten zurück. Chopin, Liszt, Verdi, Smetana, Grieg bis hin zu Sibelius verhalfen ihren völkern zu anerkennung, nationalgefühl und staatengründung, heute ist musik kosmopolitisch, in windeseile gehen manche namen und strömungen rund um die welt.
Dass daneben ein dünnes fädchen gesponnen wird, das die errungenschaften der klassik auf hohem niveau weiterzuentwickeln versucht, sei nicht vergessen.
Wenn auch manches genre die anderen zahlenmäßig zu erdrücken scheint, so haben wir doch eine reiche palette zur auswahl und können uns einer nie dagewesenen vielfalt erfreuen, auch wenn wir bei dem überangebot mit einer verflachung rechnen müssen. Manchmal wäre eben weniger mehr, aber man muss auch nicht die ganze speisekarte rauf und runter essen.

Herrschte also im 19.jh. eitel harmonie zwischen gesellschaft und kunst, bzw. deren vertretern? Bewahre, Mozart zupfte mit seinen italienischen opern an der perücke des ancien régime, zeigte in der "Zauberflöte" eine bessere welt, in der der "weise mann" herrscht (wie wünschte man sich das heutzutage!!!), Haydn floh spät aus höfischer enge in die freiheit, Beethoven haderte als glühender republikaner mit kaiser Napoleon, "da stiegen die menschen ans licht", "per aspera ad astra" und edle menschlichkeit und brüderlichkeit waren seine themen, Schubert räsonnierte und wurde polizeilich überwacht, "das land, das meine sprache spricht" fand er nie, Schumann zog gegen bürgerliches philistertum zu felde und identifizierte sich mit dem an ihm gescheiterten kapellmeister Kreisler, Brahms resignierte, Wagner passte sich missmutig an. Sie alle sahen die missstände ihrer zeit und wehrten sich dagegen mit ihren mitteln, und dieser antagonismus wirkte belebend, sie gingen ihrem publikum nicht um den bart, sondern forderten es heraus, suchten es zu erziehen und bilden (im besten sinne der worte). Ob drama, buch, musik, malerei: man sprach darüber und ereiferte sich. Der künstler hatte zwar arm zu sein und in einem dachkämmerlein zu hausen, aber wenn gegen ende des jhs. der marktwert ihrer werke ins immense stieg, waren damit gute geschäfte zu machen.

Muss ich ausführen, was sich danach begab, und wie es der musik im nächsten jh. ff. erging ? Ein kleines häuflein stemmt sich der vermarktung entgegen, während sich ein breiter strom stromlinienförmiger musik über uns ergießt, die den geschmack von mehr oder weniger großen zielgruppen nicht nur widerspruchslos befriedigt, sondern mit lockmitteln erzeugt, um dauerhaften "absatz" mit suchtpotential zu finden. Geplänkel findet allenfalls in konkurrenz verschiedener "richtungen" statt, wobei die musik eine geringere rolle spielt als die modischen attribute, ernsthafte, übergreifende auseinandersetzung, äshetische erziehung so gut wie nie.

Das bild, das ich zeichne, ist aus großer höhe aufgenommen, vielleicht auch aus meinem persönlichen blickwinkel, bei näherem hinsehen gibt es freilich zahllose details. Scusàtemi!
 
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Der Beitrag von Günter ist sehr erhellend und fasst mehrere Jahrhunderte Musikgeschichte in ihren jeweils besonderen Bedingungen zusammen.
Die gegenseitige Wechselwirkung zwischen Musik und gesellschaftlicher Wirklichkeit ist auf den Punkt gebracht und zeigt, auf welch unterschiedliche Weise klassische Musik sich einerseits auf gesellschaftliches Leben ausgewirkt hat, andererseits aber auch, dass die Schöpfer von Musik, die bedeutenden Komponisten, nicht unbeeinflusst waren von den Umständen der Zeit, in der sie lebten.
Ein hervorragender Beitrag!:great:!
 
Brahms hatte es besser: bei ihm bestellten die verleger "ausdrucksstarke" musik, und so schrieb er sie (so sagte er selbst scherzhaft mit norddeutschem understatement).
Schon Honegger meinte vor über 50 jahren, an einem tisch zu sitzen, an den er nicht geladen war, heute müssen komponisten darum bitten, ihnen einen kleinen augenblick gehör zu schenken, und wer auch als interpret nicht ein star ist, dem hört sowieso keiner zu.
Aber -hinter vorgehaltener hand, bitte nicht weitersagen! - nicht bei bei jedem, im besonderen TV- "star" lohnt zuzuhören.

Aber wer hat unseren großen meistern zugehört? Mozart spielte an verschiedenen höfen, Goethe hörte den wunderknaben in Frankfurt, bei den wiener akademien war auch vorwiegend erlauchtes publikum, Beethoven spielte für seine adeligen gönner, Schubert für seine freunde und machte eine einzige konzertreise mit Michael Vogl, Liszt war eher am zarenhofe zu hören, Chopin in den pariser salons, Schumann wurde gefragt, ob er denn auch musikalisch sei, wenn Clara seine werke vortrug, Wagner hatte zuweilen ein 1-mann-publikum, sonst die herren der gründerjahre mit ihren damen.
Wo war das volk, hätte es zugehört, wäre es geladen gewesen ? Hatte es auch damals schon einen horror vor "schwerer" musik und hätte gefragt "können se nich mal was flottes spieln"?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe heute noch etwas gefunden, was hier ganz gut hinpasst, wie ich finde.
In seinem Buch "Das ist Jazz" (okay, dort geht es nicht um klassik, aber es passt trotzdem) schreibt der Jazz-Trompeter Wynton Marsalis:" Viele junge Musiker leiden unter fast völliger Ignoranz, was amerikanische Musik und Tanz (ersetzt das einfach durch Klassik ;)) angeht. Daran ist zum Teil das schlechte Bildungssystem schuld, aber es hat auch viel mit Apathie zu tun. Man hat vielleicht keinen musikalischen Wortschatz. (...) , oder man wohnt irgendwo in der Pampa, und dort käme niemand auf die Idee, Musik zu hören oder gar zu machen. Aber selbst dort kann man Aufnahmen finden- die gibt es überall. Wer einen Computer besitzt, kommt an sie heran. Wer keinen hat, kennt wahrscheinlich einen Freund oder Lehrer mit Computer. Egal wo, oder wer man ist- Informationen über Kultur Kunst und das menschliche Ich sind zugänglich, wenn man sich ERNSTHAFT darum bemüht."

Ich finde, dass ist genau das Problem. Dass sich viele Jugendliche einfach nicht mehr mit klassischer Musik beschäftigen. Sie können eingängige Popsongs ANhören, sind aber nicht dazu bereit den botschaften klassischer Musik ZUzuhören.
Ob uns das auch etwas über unsere Gesellschaft sagt? :gruebel:
 
Für Klassik (u.a.) benötigt man Zeit, da gibt es keine auf 3-Minuten zurechtgestutzte/komponierte "Songs". Heutzutage scheint alles sehr schnelllebig zu sein, besonders in der Unterhaltungsbranche (wozu ich kommerziell angewandte Musik in jeder Form klar zählen würde).
POP Musik ist halt (oft) nur Fast Food fürs Hirn (und ist auch nur erfolgreich wenn es beim Hörer in den ersten paar Takten "klick macht"), wogegen die meisten Klassikkompositionen wohl eher ein Mehrgänge-Menü sind.
 
POP Musik ist halt (oft) nur Fast Food fürs Hirn (und ist auch nur erfolgreich wenn es beim Hörer in den ersten paar Takten "klick macht"), wogegen die meisten Klassikkompositionen wohl eher ein Mehrgänge-Menü sind.
Ich weiß nicht so recht, wenn man mal von den moderneren, atonalen Sachen absieht die ja wirklich etwas sperrig sein können sind viele klassische Stücke ziemlich eingängig und extremst einfach konsumierbar.

Gerade bei Mozart und Co bekomme ich einen Zuckerschock angesichts all der süßlichen Beliebigkeit wie es Lady Gaga nicht hin bekommt.
 
Für Klassik (u.a.) benötigt man Zeit, da gibt es keine auf 3-Minuten zurechtgestutzte/komponierte "Songs"

Nein. Auch in der Klassik gibt es sowohl die 3 Minuten-Lieder, als auch als auch eine schier endlose Zahl an Werken, die diese Zeitform haben. Das ist somit kein Argument.

Ich weiß nicht so recht, wenn man mal von den moderneren, atonalen Sachen absieht die ja wirklich etwas sperrig sein können sind viele klassische Stücke ziemlich eingängig und extremst einfach konsumierbar.

Gerade bei Mozart und Co bekomme ich einen Zuckerschock angesichts all der süßlichen Beliebigkeit wie es Lady Gaga nicht hin bekommt.

Das kommt immer auf den Zuhörer und seinen musikalischen Background an, und lässt sich nicht so einfach verallgemeinern. Spiel einem Mozartliebhaber mal `Yellow Shark´ von Zappa vor. Oder einem Metalfreak Bebop-Jazz, oder einem Rapper irgendwelche Nummern von Steve Vai. All diesen Leute werden die jeweils andere Musik als sperrig empfinden.

Ich finde, dass ist genau das Problem. Dass sich viele Jugendliche einfach nicht mehr mit klassischer Musik beschäftigen. Sie können eingängige Popsongs ANhören, sind aber nicht dazu bereit den botschaften klassischer Musik ZUzuhören.
Ob uns das auch etwas über unsere Gesellschaft sagt? :gruebel:

Ja, der Meinung bin ich auch, und das ist auch schon am Anfang des Threads thematisiert worden. Zusätzlich kommt noch das gesellschaftliche Problem, der immer stärker werdenen Intoleranz anderen gegenüber. Das betrifft ja nicht nur die Genres ansich, sondern man stellt diese Intoleranz auch innerhalb der Genres fest. (z.B. im Metal)

Meiner Meinung nach müsste bildungstechnisch eine Lösung gefunden werden, die die Möglichkeit bietet den Schülern Musik so vorurteilsfrei wie möglich zu vermitteln. D.h, dass wir Lehrpersonal haben müssten, die in der Lage sind, dieses umzusetzen. Effjott z.B. :) Das wiederum bedeutet, dass das keine Leute sein dürften, die selbst schon einen ganzen Haufen Vorurteile mit sich herumschleppen. Zugegeben ein schwieriges Unterfangen ;)
Meinen drei Kindern habe ich genau das auf den Weg mitgeben können. Möglich ist es also :)

Die Musik ist so reichhaltig, so spannend, so vielseitig. Es ist jammerschade, dass aufgrund fehlender Toleranz, Vorurteile und Nichtwissen sich so viele Menschen dem verschließen.
 
Da wird Mozart mit all seinen haken und ösen und seiner hintergründigkeit völlig verkannt.
So dachte ich auch mit 16, obwohl die c-moll-phantasie mein paradestück war, habe aber dazugelernt, und wenn ich jetzt seine violinsonaten spiele, möchte ich bei jedem satz meinen hut ziehen. Nein, das ist nicht nur für die "langen ohren" (Mozarts worte), aber auch - - - -
Schuld haben auch manche interpreten, die "in zucker machen" und, himmelwärts schielend, scheinbar in gefühl baden, aber gerade die scheinen besonders beliebt zu sein.

Dass Mozart nicht für junge leute des 21.jhs. geschrieben hat, und dass sein milieu nicht das unsere war, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.
 
Nein. Auch in der Klassik gibt es sowohl die 3 Minuten-Lieder, als auch als auch eine schier endlose Zahl an Werken, die diese Zeitform haben. Das ist somit kein Argument.

Ja aber wurde diese Zeitform bewusst gewählt, um einen ähnlichen Effekt zu haben wie die heutige Radio-Konformität? Ich bin bei weitem kein echter Klassikkenner, aber ich lerne gerne dazu. ;)

Die Musik ist so reichhaltig, so spannend, so vielseitig. Es ist jammerschade, dass aufgrund fehlender Toleranz, Vorurteile und Nichtwissen sich so viele Menschen dem verschließen.
Amen!
 
Ja aber wurde diese Zeitform bewusst gewählt, um einen ähnlichen Effekt zu haben wie die heutige Radio-Konformität? Ich bin bei weitem kein echter Klassikkenner, aber ich lerne gerne dazu. ;)
:gruebel: Hm, bewusst gewählt :gruebel:
Also ich denke "bewusst Gewählt" ist wahrscheinlich die falsche Definition. Ich denke, dass hat sich einfach so entwickelt. Etliche Präludien von Bach sind um die 3 Minuten. Genauso die Waltzer von Chopin. Der "Minutenwalzer" sogar noch kürzer ;)
Aber das ist trotzdem eine interessante Frage :)
 
Meiner Meinung nach müsste bildungstechnisch eine Lösung gefunden werden, die die Möglichkeit bietet den Schülern Musik so vorurteilsfrei wie möglich zu vermitteln.

Wenn das so einfach wäre... Je jünger die Kinder sind, desto weniger sind sie auch in Sachen Musik "manipuliert". Und Musikunterricht sollte ein möglichst weites Spektrum der Musik thematisieren, von der Pop, Rockmusik über Jazz, Klassik und Musik anderer Kulturen. Angesichts der knappen Zeit, die dem Musikunterricht von seiten der Schulbehörden eingeräumt wird, ist das immer nur Stückwerk.
Manchmal bietet es sich an, kurze Themen oder Motive aus Werken der klassischen Musik vereinfacht mit Orff-Instrumenten o.ä. nachzuspielen, um ein grundsätzliches Interesse zu wecken.
Manche Kompositionen (Die Moldau, Peer Gynt Suite, Eine kleine Nachtmusik u.a.) sind auf Grund ihrer Substanz und emotionalen Wirkung bei Schülern durchaus beliebt. Das liegt sicherlich nicht immer nur am Bekanntheitsgrad der Werke.
Hier anzuknüpfen und das Interesse aufrecht zu erhalten, das ist das eigentliche Problem.
Bei dem einen klappt es, bei vielen anderen nicht...
 
Wenn das so einfach wäre... Je jünger die Kinder sind, desto weniger sind sie auch in Sachen Musik "manipuliert"..
Ja, das stimmt. Aber ist es nicht gerade hier in Deutschland so, dass gerade im Vergleich zu anderen Ländern, wo Kinder ganz natürlich an Musik, weil sie dort einfach zum Leben dazu gehört, herangeführt werden, hier die Musik nicht einen hohen Stellenwert hat?
Es gibt ja nun schon Bemühungen diesen Stellenwert zu ändern. Ich weiß nicht, ob ich es in diesem oder einen anderen Thread geschrieben habe. Aber hier in NRW gibt es das JeKi-Projekt. Jedem Kind ein Instrument. Ansich wirklich eine total schöne Sache. Leider wird es oft nicht gut umgesetzt. Es scheitert dann an unfähigen Lehrern, billigen Instrumenten und blinder Aktionismus. Das ist schade für alle Beteiligten.

Ich glaube immer mehr, dass die fehlende Toleranz der Knackpunkt ist. Und das ist ein allgemeines gesellschaftliches Problem, welches immer schlimmer wird. Trotzdem glaube ich auch, dass wenn man es schaffen würde diese Toleranz im Bereich der Musik zu manifestieren, dass das positiv auf die anderen gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlen würde. Es gibt fast niemanden der sich nicht mit Musik beschäftigt, und wenn er sie "nur" hört. Also könnte Musik ein möglicher Schlüssel sein.
 
Ich glaube immer mehr, dass die fehlende Toleranz der Knackpunkt ist. Und das ist ein allgemeines gesellschaftliches Problem, welches immer schlimmer wird.
Wenn man allerdings das Ganze angeht mit der Maßgabe: Wir müssen den Kindern mehr musikalische Toleranz beibringen so dass sie Klassik hören und nicht diese geistlose "Popmusik" dann steht das unter einem sehr schlechten Stern. Und leider ist das nicht zu selten der Tenor, was man auch bei manchen Aussagen hier rauslesen kann.


Was man auch Bedenken sollte: Die Zeit der "klassischen" Klassik ist vorbei, sie ist in einer anderen Zeit entstanden und wurde in einem anderen Kontext gehört und gemacht. Das ändert nichts an der Großartigkeit der Kompositionen, aber es ist nicht mehr der Puls der Zeit. Es sollte sich mal jemand trauen heute noch im Stil von Beethoven zu schreiben, das wird höchstens noch als Kompositionsübung anerkannt.
Da kann man doch nicht von Jugendlichen erwarten dass sie ausschließlich sowas hören, ein Genre was noch gespielt wird und Anhänger hat, aber in seiner aktiven Form schon längst gestorben ist - oder um es nicht so negativ auszudrücken - sich weiter entwickelt hat und nun komplett anders daher kommt.
Statt die Kinder auf die Spur des eigenen Geschmacks bringen zu wollen fände ich es besser einfach die Möglichkeiten zu schaffen dass sie ihre eigene Musik finden und machen können.

Und auf die alten Meister stößt man dann später sowieso noch wenn man sich mehr mit Musik beschäftigt. Zudem weiß ich auch nicht warum jeder der gerne Musik hört auch Klassik hören muss. Es hört ja auch nicht jeder Grindcore oder Dubstep. Es muss ja nicht jedem alles gefallen.
 
Das Phänomen einer fehlenden Toleranz, z.B. gegenüber anderen Musikrichtungen, ist nach meiner Beobachtung bei den Jugendlichen besonders in der Phase der Selbstfindung oder Pubertät festzustellen. Es "gilt" dann nur eine ganz bestimmte Band oder nur der HipHop oder Metal usw.
Allerdings meine ich auch, dass Kinder, die außerhalb der Schule musizieren oder singen, wesentlich mehr Toleranz aufweisen. Das spricht mit Sicherheit wieder einmal dafür, die Kinder schon im frühesten Alter durch Singen oder Instrument erlernen aktiv an die Musik heranzuführen.
Ganz aktuell gibt es in diesem neuen Schuljahr auch in NDS ein Projekt mit der Bezeichnung "Klasse - wir singen", das mMn ein gutes Signal für aktives Singen in Klassen setzt:

http://www.klasse-wir-singen.de/das-projekt
 
Was man auch Bedenken sollte: Die Zeit der "klassischen" Klassik ist vorbei, sie ist in einer anderen Zeit entstanden und wurde in einem anderen Kontext gehört und gemacht. Das ändert nichts an der Großartigkeit der Kompositionen, aber es ist nicht mehr der Puls der Zeit. Es sollte sich mal jemand trauen heute noch im Stil von Beethoven zu schreiben, das wird höchstens noch als Kompositionsübung anerkannt.
Da kann man doch nicht von Jugendlichen erwarten dass sie ausschließlich sowas hören, ein Genre was noch gespielt wird und Anhänger hat, aber in seiner aktiven Form schon längst gestorben ist - oder um es nicht so negativ auszudrücken - sich weiter entwickelt hat und nun komplett anders daher kommt.
Statt die Kinder auf die Spur des eigenen Geschmacks bringen zu wollen fände ich es besser einfach die Möglichkeiten zu schaffen dass sie ihre eigene Musik finden und machen können.

Zum einen ist die Zeit "der klasischen Musik" nicht vorbei. Gott sei Dank:), und zum anderen geht es auch nicht darum die Kinder auf die Spuren des eigenen Geschmacks zu bringen, sondern eine Basis zu schaffen, die es ihnen ermöglicht vorurteilsfrei ihre Musik selbst zu entdecken. Und das kann dann alles mögliche sein. Ziel sollte es nicht sein, dass die Kinder zur Klassik "bekehrt" werden, sondern das sie von ihr erfahren, genauso wie von Jazz und anderen Musikrichtungen. Das spannende daran ist nämlich wieviel Verzahnungen es gibt. Zappa, Queen etc habe ich schon am Anfang des Threads genannt. Muse ist ein aktuelles Beispiel.

Edit: @ Effjott
Genau das habe ich auch bei Jugendlichen und Kindern beobachten können. Deswegen glaube ich auch, dass dieser "Schlüssel" Musik sehr gut pssen könnte.

Das Projekt finde ich gut. Hoffentlich ziehen die Lehrer mit, und fühlen sich nicht überfordert
 
Zum einen ist die Zeit "der klasischen Musik" nicht vorbei. Gott sei Dank:), und zum anderen geht es auch nicht darum die Kinder auf die Spuren des eigenen Geschmacks zu bringen, sondern eine Basis zu schaffen, die es ihnen ermöglicht vorurteilsfrei ihre Musik selbst zu entdecken. Und das kann dann alles mögliche sein. Ziel sollte es nicht sein, dass die Kinder zur Klassik "bekehrt" werden, sondern das sie von ihr erfahren, genauso wie von Jazz und anderen Musikrichtungen. Das spannende daran ist nämlich wieviel Verzahnungen es gibt. Zappa, Queen etc habe ich schon am Anfang des Threads genannt. Muse ist ein aktuelles Beispiel.

Volle Zustimmung!
Klassik und Rock/Jazz haben tausende von Berührungspunkten, wenn man mal Bands wie ELP, Deep Purple, Ekseption, Sky usw. sieht. Auch im Jazz gibt es viele Musiker, die sich klassischer Vorlagen bedienen bzw. Adaptionen dazu entwickeln, z.B. Jacques Loussier.

Es geht überhaupt nicht darum, hier Klassik und "U-Musik" gegeneinander auszuspielen, sondern Kinder und Jugendliche mit unserem unendlich großen Angebot von Musik vertraut zu machen, es ihnen erst einmal zu unterbreiten.
Wer sich wann wofür entscheidet (wenn überhaupt), ist dann doch zweitrangig.
 
Man muss der wahrheit ins auge sehen: wir leben heute und hier, vieles hat sich verändert und verändert sich laufend.
Ich lese gerade mal wieder Hoffmanns "Kreisleriana" , eine bissige satire auf das bürgertum um 1810 und dessen musikalische praktiken. Da stand zwar in jedem besseren hause ein klavier, und die töchter bemühten sich, sangen im die wette, aber der spieltisch war weitaus interessanter, denn da ging es um bares, und die zwischenrufe mischten sich in die musikalischen darbietungen. Soll man sich in diese zeit zurückversetzen? Da lebte Beethoven noch, hatte seine hauptwerke noch vor sich, und Hoffmann machte seine 5. mit rezensionen und aufsätzen in der noch bescheidenen und von wenigen gelesenen presse bekannt, wofür sich der meister mit wenigen worten bedankte.
Kunst im weitesten sinne hatte nie eine große verbreitung und großen marktwert, es sei denn, man kann damit wie mit manchen gemälden spekulieren. Ohne sammler und zahlungsfähige liebhaber geht das ebenso wenig wie konzertbetrieb, oper und festspiele.
Ob man naiv genießt oder sich mit der materie vertraut macht und tiefer eindringt, das erleben wird davon nicht immer berührt, da spielen viele faktoren eine rolle.
"Kultur" kommt aus der landwirtschaft, auch im übertragenen sinne ist sie ein zartes pflänzchen, braucht pflege und zuwendung, einmal vernichtet, ist sie kaum zurückzugewinnen, und wird sie von einer anderen kultur überwuchert, führt sie ein schattendasein, bleibt in nischen lebendig oder gewinnt als schmückende "zimmerpflanze" eine neue bedeutung.
Ich war überrascht, als ich hiesige topf- und kübelpflanzen in Brasilien in voller höhe und größe sah. Viel für den konzertsaal konzipiertes kommt heute daheim aus lautsprechern, die aufmerksamkeit und zuwendung wird sehr verschieden sein.
Ein user hatte sich beklagt, der "Zauberflöte" nichts abgewinnen zu können, ich machte ihn auf ereignisse allein in der ouverture aufmerksam, worauf er antwortete, es sei beim abspielen gerade besuch mit kindern dagewesen. Es ist kein zufall: werbung kommt immer einige dezibel lauter und greller in den farben, anders erregt sie keine besondere aufmerksamkeit in kinder- oder wohnzimmer.
Tröstet euch, in den opernhäusern vergangener zeiten wurde auch weidlich geschwatzt, im parterre ging man auf und ab und machte besuche in den logen. Auch die goldenen zeitalter waren nicht immer golden.

Zwischendurch wurde "toleranz" angesprochen, die ist an ein gewisses geistiges niveau gebunden, das entweder noch nicht entwickelt ist oder nie entwickelt wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nicht so recht, wenn man mal von den moderneren, atonalen Sachen absieht die ja wirklich etwas sperrig sein können sind viele klassische Stücke ziemlich eingängig und extremst einfach konsumierbar.

Wie beispielsweise Beethovens op. 131, Wagners Parsifal und Bruckners 9.
 

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