Sehr interessanter Thread und wirklich nice so viele verschiedenen Sichtweisen zu hören. Hab leider noch nicht alles gelesen, ganz einfach weil ich meinen Senf dazugeben will
[Kurz zu mir: Student, 21, Gitarrist in einer Rockband. Circa 1 Gig alle 1-2 Monate mit rund 50 - 100 Leuten. Setup: gibsonmäßigeabgefuckte60erVibeGitarrenmitP90ern in einen MadAmp M15 (Plexi mit 15 W auf Steroiden, Endstufe PUMPT!) und entweder in eine gemoddete HB 2x12er (V30 und G12-T75) oder bei größeren Gigs in eine gestellte 1960er.]
Ich verstehe vollkommen warum sich Leute für Kemper/Fractal/BiasFX etc. entscheiden. Die Vorteile sind mir klar ABER: wo bleibt da die Kreativität? Lasst mich elaborieren:
Zuerst möchte ich/muss man zwischen "echten" Bands und Coverbands unterscheiden. Ein Top-40-Songs-bei-Hochzeiten-und-Firmenfeiern-Runterschrubbler braucht halt einmal 50 verschiedene Sounds. Sounds, die sich wer anderer überlegt hat um Songs zu spielen, die wer anderer geschrieben hat. Das ist bitte völlig wertfrei zu verstehen. Ich hab in der Schule in einer Coverband gespielt und MIR gefällt es einfach nicht, sich mit fremden Federn zu schmücken - gibt aber sicher Leute denen das taugt. Das Publikum solcher Bands bzw. Kapellen will halt genau das hören was sie im Radio/Spotify auch hören. (Warum man dann überhaupt noch Bands engagiert erschließt sich mir nicht aber egal sorry für OT)
Conclusio 1: Hier macht es Sinn auf komplizierte Technik zu verzichten und sich einzugestehen, dass es dem Publikum eh wurscht ist und man hunderttausend Sounds nur mit Computerunterstützung zambringt.
Dann gibt es die "echten" Bands. Was meine ich damit? Damit meine ich Künstler, die sich ausdrücken wollen. Für die Musik eine Art Sprache ist, bei der man seinen eigenen Akzent finden will und muss. Einzigartigkeit ist gefragt und gefordert. Diese Bands reichen von den 100-Likes-auf-Facebook-Habern bis hin zu Guns 'N' Roses. Also "Original Artists". Wir Gitarristen sind Soundtüftler. Wir wollen unseren eigenen Stil finden und allein an unserem Sound erkennbar seien. Ob das immer klappt ist eine andere Frage, hier gehts aber ums Prinzip. Stellt euch folgende Frage: wären Jimi Hendrix, Slash oder Brian May mit einem Kemper DERART legendär geworden? ALLE haben IHREN Sound, der unverkennbar ist und quasi zum Maßstab wurde. Heute versuchen alle brianesque Chori (?) zu erzeugen oder Slash's AFD-Tone zu reproduzieren...mit ihrem Kemper. Klar, kann man machen und funktioniert vermutlich auch mittlerweile gut. Aber ist das kreativ? Gibt es nicht schon genug Leute die genau den selben Sound haben? Klar, Les Paul in 800er is geil aber schon bissl fad wenns alle machen. Was ich damit sagen will: Oft, zumindest war das bei mir so, kommt man durch Zufall zu "seinem" Sound. Denkt an Jack White: der spielt einfach eine PLASTIKGITARRE durch uralte Amps. Klingt so scheiße, dass es wieder extremst geil klingt - LOVE IT! Diese Dinger sind halt extrem starke Persönlichkeitsmerkmale, die man nicht kleinreden sollte. Ich bin mir bewusst, dass ich vermutlich anmaßend wirke, aber ich kann für mich behaupten MEINEN Sound gefunden zu haben. Ich brauch keine tausend Effekt, ich bin Purist. Lieber eine Sache die echt gut funzt statt drölfzig "meh" Sounds.
Konzentrieren wir uns mal mehr auf den Indie/Undergroundbereich, wo keine Stadien bespielt werden.
Welche Locations spielen wir unbekannten, giggenden Gitarrenschwinger? Bars, Keller, kleinere bis mittlere Konzertlocations. Wie sind die ausgestattet? PA: immer und fast immer gut. Alle Instrumente werden abgenommen; manchmal bleibt das Schlagzeug "unplugged" und manchmal ist es sogar sinnvoller alle mit den Amps "wegzublasen" statt die Bühnenlautstärke runterzufahren und alles über die PA laufen zu lassen. Jemand hat dies schon auf der 2. (?) Seite hier erwähnt.
Langer Rede kurzer Sinn - was mach ich?^^
Mein Amp wiegt vllt 4 Kilo oder so?? Also schätzungsweise so leicht wie ein Kemper oÄ. Logistik ist bei mir also kein Problem. Die 2x12er bei Bedarf ist auch kein Problem. Das Ding hat 15 W und pumpt schön ab der hälfte mit - Druck ohne Hörschaden. Mein Sound. Hat auch unter 500€ gekostet und hat mich noch nie im Stich gelassen *klopf auf Holz*.
Für mich kommt auch ein Modeller nicht in Frage, ich habe dadurch keine Vorteile. Ich möchte aber auch sagen, dass ein 100 Watter auch nicht meins ist. Ich weiß nicht obs nur mir so geht, aber ich find die Marshalls so komisch spitz/kreischig klingend...also von Röhrenwärme nix zu spüren und dynamisches Spielen (Poti) unterstützen sie finde ich auch nicht wirklich. Die 1960 Boxen und ihr Wummern find ich aber geil.
Ich muss zugeben, dass ich mit meinem Roman hier keine wirkliche Linie verfolgt habe aber einfach zum Schluss komme, dass jeder das verwenden soll, was er für angemessen hält. Gleichzeitig sollte der Sound immer im Vordergrund stehen. Wenn jemand 100 W braucht - BITTE tus! Wenn jemand mit einem Kemper leben kann, why not. Für mich persönlich aber ist es ein Segen, dass wir in einer Zeit leben, in der günstige und niederwattige Amps verfügbar sind.
LG aus Wien!