Es kommt ganz drauf an, was für Hardware du mit was für Software vergleichst.
Im Vergleich zwischen einem generischen virtuell-analogen Hardware-Synthesizer (Clavia Nord Lead, Access Virus, Novation *nova, Korg MicroKorg, Yamaha AN1x usw. usf. etc. pp.) und einer Software, die ein konkretes Vintage-Original emuliert, hat die Software in Sachen Authentizität die Nase vorn.
Im Vergleich zwischen besagter Software und einem dedizierten Hardware-Klon desselben Vintage-Originals, am besten noch nach den Originalschaltplänen gebaut (was meistens der Fall ist), ist die Hardware wieder im Vorteil.
Beispiel: Roland TB-303. Die "Silberkiste". Gern und oft und viel geklont, auch weil es sich lohnt aufgrund des horrenden Gebrauchtpreises des Originals.
Klar kann man Acid-Basslines auch mit einem Nord Lead oder einen Virus oder dergleichen erzeugen (mit externem Sequencer). Damit kommt man nicht mal in die Nähe einer 303. Meinetwegen auch mit einem Alesis Micron bzw. Akai Miniak, der ja angeblich eine Emulation des TB-303-Filters drin hat. Unter uns Pastorentöchtern: Klingt trotzdem nicht wie eine 303.
So, jetzt nimmt man Software, die eigens dafür entwickelt wurde, die 303 zu emulieren. Das gute alte Propellerheads ReBirth RB-338 ist schon ein ganzes Ende näher an der 303 als jeder virtuell-analoge Synth von der Stange. Dabei ist es uralt und klingt nach heutigen Maßstäben kein Stück wie eine 303. d16 Phoscyon kann das schon eine ganze Ecke besser.
Um statt eines Plugin mal ein "Plugout" zu nehmen (heißt ja tatsächlich so): Roland AIRA TB-3. Immer noch volldigital, softwarebasiert und simuliert das Verhalten der Analogschaltkreise einer echten TB-303. Das Teil soll auch Phoscyon nach Punkten schlagen.
Aber: Jetzt nehmen wir mal
echte analoge Hardware-Klone. Die deutsche Acidlab Bassline-3. Die chinesische Cyclone Analogic TT-303, die sogar die Optik der TB-303 klont. Die x0xb0x, wo auch immer sie gerade zusammengelötet ist. Sie alle haben nicht nur gemeinsam, daß sie wie die originale TB-303 analog sind, sondern sie sind alle drei nach den originalen Schaltplänen der TB-303 mit – soweit verfügbar – den gleichen Elektronik-Bauteilen wie die TB-303 gebaut.
Sogar die AIRA TB-3 hat nicht den
Hauch einer Chance gegen die Analogklone. Phoscyon auch nicht. Die sind von einer echten TB-303 so weit entfernt wie eine echte TB-303 von noch einer echten TB-303 (das Ding wurde damals gewissermaßen gebaut aus dem Ausschuß, der beim Jupiter-8-Bau anfiel, ohne wirkliche Bauteilselektion und streut daher wie Sau).
Gegen einen dedizierten Hardwareklon mit derselben Technik wie das Original hat kein Plugin auf der Welt eine Chance. Wenn Moog Music jetzt auf die Idee käme, den Minimoog Model D nach den Originalplänen (Stand 1972) wieder aufzulegen, wäre das einzige, was für Native Instruments Monark sprechen würde, der Preis, die Speicherbarkeit, die Fernsteuerbarkeit, der Platzbedarf (null) und die fehlende Notwendigkeit, das Ding erstmal warmlaufen zu lassen – nicht aber die klangliche Authentizität. Und seit Korg schon zum gefühlt drölften Mal den MS-20 nach Originalschaltung neu aufgelegt hat, kräht kein Hahn mehr nach der Software-Emulation in der Legacy Collection (außer man hat keinen Platz und/oder kein Geld für Hardware). Davon, daß Korg mit seiner Neuauflage des ARP Odyssey – die
alle drei Generationen klont zum Bruchteil des Gebrauchtpreises selbst der dritten Generation – jedem Plugin in den Rücken gefallen ist, ganz zu schweigen.
Hier kann eine Software natürlich mehr bieten, wobei der Klang bei FM mindestens ebenbürtig und bei ROM-Sample-Playern potenziell deutlich besser ist als beim Original, weil ja heutzutage viel mehr Rechenleistung und Speicher zur Verfügung steht.
Mit Nichten und Tanten. Native Instruments FM8 ist
nicht zwingend gleichwertig mit Hardware.
Wenn du aggressive FM-Dubstep-Wobbles à la Skrillex willst, ist FM8 das Optimum, weil das einer der Dubstep-Synths überhaupt ist. (Ich frage mich gerade, ob mein TX802 das kann.)
Wenn du einen 1983er Yamaha DX7 bis hin zu seinem speziellen Klangcharakter emulieren willst, ist
jeder Hardware-
FMVPM-Synth dichter dran als FM8. Herrje, Dexed ist dichter dran als FM8, mein TX802 ist dichter dran als Dexed, und ich wage zu behaupten, daß Montage hundertmal näher an einem DX7 klingt, als FM8 es je wird.
Ich frage mich nur: Wenn nach einem "Vintage Synth" gefragt wird, sehe ich dahinter das man genau diesen Sound wünscht. Was macht es also für einen Sinn wenn dann Soft-Synths vorgeschlagen werden, die einen "moderernen" Sound zur Verfügung stellen.
Gar keinen. Außer: "Scheiß auf Originaltreue und mach dein eigenes Ding. Scheiß auf den Sound der 70er/80er und laß es klingen wie 2016. Weg mit dem verstaubten Mist von früher."
Du hast im Arturia-Recording-Thread (War übrigens mit der Auslöser für diesen Threat hier) geschrieben das Du nicht nachvollziehen kannst warum der Kommentator in einem Video das Preisargument angebracht hat. Deine Aussage war, dass das Original (In diesem Fall der Jupiter 8) sehr viel besser klingt als die Emulation. Für mich ist es ein Unterschied von aktuell ca 4000€ für das Original zu einer 100€ Emulation. Sowas zu vergleichen halte ich persönlich für gewagt. Ich bitte Dich das nicht Persönlich zu nehmen. Ich finde Deinen sonstigen Post als durchaus fundiert. Aber das kann ich einfach nicht nachvollziehen.
Arturia ist ein spezieller Fall. Die geben an wie 80 nackte Russen, daß ihre Synths Wunder wie authentisch und originalidentisch klingen. Tatsächlich sind die Arturia-Emulationen schon längst bekannt als weiter vom Original entfernt, als es nötig ist. Der uralte Creamware Minimax* beispielsweise ist um
Meilen näher an einem Minimoog als Arturias Minimoog V; von aktuellen Softwareklonen wie NI Monark oder U-he Diva will ich gar nicht erst reden. Und das Magazin Sound On Sound hat bereits nachgewiesen, daß die Filter vom Arturia Minimoog V und vom Arturia ARP 2600V absolut identisch sind und absolut identisch klingen. Das kann man nicht mal damit entschuldigen, daß der ARP 2600V den relativ seltenen ARP 2600P mit Moog-Klon-Filter emuliert statt den häufigeren Geräten mit ARPs notgedrungen (Moog hat sie erwischt) selbstentwickeltem Vierpol-Kaskadenfilter, denn auch ARPs Klon klang nie 100% wie Moog.
Arturia scheint mit "visueller Suggestion" zu arbeiten. Du siehst eine wunderschöne, fotorealistische Jupiter-8-Oberfläche vor dir auf deinem Bildschirm, und wenn du da draufguckst, während du in die Tasten greifst, redet dir dein Hirn ein, daß du auch einen Jupiter-8
hörst, wo du ihn schon
siehst. Tust du aber nicht. Wenn Jupiter-8V zur Abwechslung mal einem Jupiter-8 ähnlich klingt, dann ist das eine Kombination aus Zufall (auch ein blindes Huhn
trinkt findet mal ein Korn) und dem Einhalten eines "Sweet Spot", an dem Jupiter-8V die größte Nähe zum Jupiter-8 hat. Aber wenn du danach zu einem echten Jupiter-8 greifst, geht auf einmal die Sonne auf. Sogar Rolands Volldigital-Hardware-Klon Boutique JP-08 ist trotz nur der Hälfte der Stimmen weit dichter dran.
Oder a propos ARP 2600V: Spiel das Ding. Dann findest du es gut. Spiel daraufhin einen echten ARP 2600 oder wahlweise einen TTSH von The Human Comparator (korgmäßig verkleinerter 2600-Klon nach Originalplänen; TTSH heißt natürlich Two Thousand Six Hundred). Dann hast du aber Pipi inne Augen und faßt die Software nie wieder an. Leider ist ein spielfertiger TTSH teuer und ein echter ARP 2600 abartig teuer. Schon der Way Out Ware timewARP soll authentischer sein, und der ist auch Software, aber keine Chance gegen den echten analogen Klon.
Im Falle von Arturia oder auch Xils Lab, gegründet vom Arturia-Gründer, hat man dann ein Problem, wenn die was klonen, was sonst noch keiner geklont hat und auch so schnell keiner klonen wird, und wo man an das Original nicht so leicht rankommt. Das trifft etwa zu auf Arturia CS-80V und aktuell noch die gesamte Modellpalette von Xils – zumindest, bis die neuen finnischen Inhaber der Marke Elka Farbe bekennen und endlich mit ihrem echtanalogen Neubau-Synthex rüberrücken. Oder auch nur Mario Maggi seinen virtuell-analogen Neu-Synthex endlich der Öffentlichkeit vorstellt.
*Zugegeben, Creamware war immer ein Sonderfall, weil deren Produkte nie wie VSTs auf der CPU des Hostrechners liefen, sondern immer auf dedizierten DSPs. Im Zeitalter von Einkernprozessoren konnten die für Spezialhardware mit richtig Power programmiert werden. Die liefen erst auf den Pulsar- und Scope-Karten, dann irgendwann in richtig genialen dedizierten One-Trick-Pony-Expandern namens "Authentic Sound Box" mit den Bedienelementen des Klon-Originals (B4000 ASB als Hammond-Klon, Minimax ASB als Minimoog-Klon, Pro-12 ASB als Prophet-5-Klon, Prodyssey ASB als ARP-Odyssey-Klon), dann wieder auf Hardwareplayern wie Creamware Noah und Use Audio Plugiator und zu guter Letzt eingebettet im Über-VA-Synth John Bowen Solaris. Aber in puncto Authentizität müssen die sich heute noch nicht verstecken.
Martman